Marc Márquez (Honda): «Starte nicht als Favorit»
Marc Márquez im APC
Auf seinen YouTube-Kanal veröffentlichte Marc Márquez am Sonntag unter dem Titel «STRON93R» ein weiteres Video auf seinem Weg zurück zu alter Stärke. Dabei nimmt der Repsol-Honda-Star seine Fans mit nach Österreich, ins Red Bull Athletes Performance Center (APC) in Thalgau bei Salzburg.
Zwei Tage lang unterzog er sich dort Fitness-Tests und Kontrollen, besonders an seinem mittlerweile viermal operierten rechten Arm. «Damit gebe ich Gas, das muss funktionieren», machte der sechsfache MotoGP-Champion deutlich.
Die Ergebnisse scheinen vielversprechend, Marc selbst merkte dazu kämpferisch an: «Ich fühle mich schon besser, ich mag aber die Perfektion.»
Vor einem Jahr gestaltete sich die Situation des achtfachen Weltmeisters noch ganz anders. Im Interview mit der spanischen Ausgabe von «GQ» räumte er kürzlich ein: «Es ging so weit, dass ich nach Siegen vor Schmerzen anfing zu weinen.»
Grund dafür war eine Fehlstellung des in Jerez am 19. Juli 2020 gebrochenen Oberarmknochens, die nach fast zwei Jahren am 2. Juni 2022 mit dem insgesamt vierten Eingriff in der Mayo Clinic in Rochester in den Vereinigten Staaten von Dr. Joaquín Sánchez Sotelo durch eine Rotationsosteotomie korrigiert wurde.
Zuvor hatte Marc seinem Großvater versichert: «Ich verspreche dir, das ist meine letzte Oberarm-OP, aber lass es mich versuchen. Denn es gibt eine Lösung, sie bieten mir eine Lösung an. Lass es mich versuchen! Gesagt, getan – und das hat alles verändert.»
Die vierte OP als letzte Chance
«Am Donnerstag beim Mugello-GP war ich schon bereit für das Rennwochenende, als sie mich [von der Mayo Clinic] angerufen und mir gesagt haben: ‚Hey, steig vom Motorrad, es hat sich bestätigt, dass die Rotation bei 34 Grad liegt, das war unmenschlich. Ich weiß nicht, was du mit deinem Arm machst, aber es ist zu viel.‘ Sie hatten mir immer gesagt, dass eine Rotation von mehr als 20 Grad schon übertrieben sei – und es waren 34 Grad», erzählte Márquez im «GQ»-Interview.
Trotzdem bestritt der Spanier den Italien-GP noch, im Rennen landete er auf Platz 10. «Wenn ich jetzt darüber nachdenke, sage ich mir: ‚Heilige Scheiße, du fährst 350 km/h und bist mit deinem Kopf woanders, weil du weißt, dass du nächste Woche operiert wirst…»
Vier Tage später unterzog sich Márquez der Osteotomie («Knochenschnitt»): Es handelt sich dabei um eine gezielte operative Durchtrennung des Knochens mit anschließender Korrektur. Der Oberarmknochen wurde also durchgeschnitten und nach einer externen Rotation von rund 30 Grad neu fixiert.
Danach war Geduld gefragt – nicht die große Stärke des achtfachen Weltmeisters.
«Ich habe den Arzt immer wieder angeschaut und ihm gesagt: ‚Schauen Sie, ich bin ein wildes Tier, das Sie gerade in einem Käfig halten. Wird der geöffnet, werde ich abhauen, also bitte erst dann öffnen, wenn Sie sehen, dass ich bereit bin und kein Risiko mehr besteht.»
Das Comeback auf seiner Honda RC213V gab Marc Márquez schließlich beim Misano-Test am 6. September – genau 100 Tage nach seinem bis dahin letzten Renneinsatz. Den ersten Grand Prix bestritt er am 18. September in Aragón, wobei die Freude über die Rückkehr nach der Kollision mit Fabio Quartararo kurz nach dem Start nur kurz währte.
In Japan, ausgerechnet beim Honda-Heimrennen, gelang dem 59-fachen MotoGP-Sieger im Regen aber die erste Pole-Position nach 1071 Tagen. Im Rennen reichte es noch nicht für den ersten Podestplatz, der dann jedoch auf Phillip Island nach einem fantastischen Rennen gelang.
Im Vorfeld des Saisonfinals in Valencia hatte Marc dann offen angekündigt: «Ich lande entweder auf dem Podest oder auf dem Boden.» Dieses Versprechen hielt er, wobei Letzteres der Fall war.
Seither arbeitet der Honda-Hoffnungsträger intensiv auf den Auftakt in die neue WM-Saison vom 24. bis 26. März in Portimão/Portugal hin. Der Winter sei entscheidend, hatte er immer wieder betont. «Dann werden wir verstehen, wo das Limit dieses rechten Arms wirklich liegt.»
WM-Auftakt 2023 als großes Ziel
Zur Einstimmung auf die neue Saison stehen die zwei IRTA-Tests in Sepang (10. bis 12. Februar) und Portimão (11. und 12. März) im Kalender.
«Das Ziel, das ich mir gesetzt habe, ist das erste Rennen im März. Dann weiß ich, was dieser Arm bei 100 Prozent kann, was natürlich nicht den 100 Prozent eines völlig gesunden Arms entsprechen wird. Wir müssen aber den Punkt erreichen, an dem es ein funktionsfähiger Arm ist, der sich perfekt zum Motorradfahren eignet, und ich glaube, wir kommen dahin, weil ich merke, dass es viel besser läuft.»
Die Konkurrenz hat Márquez, 2019 noch in 19 Rennen ganze 18 Mal in den Top-2, für 2023 ganz weit oben auf der Rechnung. Er selbst sieht sich aber nicht unter Druck.
«Ich glaube, zum ersten Mal seit vielen Jahren starten wir nicht als Favoriten, wir gehören nicht einmal zu den drei oder vier Favoriten auf den Titel – wegen meiner Situation oder wegen der Situation von Honda, es ist nicht der beste Moment. Man muss also zumindest in den ersten Rennen realistisch sein, sonst kommt dann Frust über Frust», hielt Márquez gegenüber «GQ» fest.