Gigi Dall'Igna (Ducati): «Ich strebe nur Platz 1 an»
Gigi Dall‘Igna, der General Manager von Ducati Corse, der Rennabteilung der Ducati Motor Holding S.p.A., hat mit seinen Desmosedici-Bikes die MotoGP-WM 2022 dominiert mit acht Fahrern zwölf GP-Siege und 16 Pole-Positions errungen. Dazu wurde erstmals nach elf Jahren (2011 siegte Carlos Checa) die Superbike-WM gewonnen – mit Álvaro Bautista.
SPEEDWEEK.com hat sich mit dem erfolgreichen italienischen Ducati-Rennchef unterhalten, dessen vier MotoGP-Teams sich auf den letzten Wintertest in Portimão (11./12. März) vorbereiten. Wir konzentrierten uns bei diesem Gespräch mit Gigi Dall’Igna nicht nur auf technologische Aspekte, sondern auch auf die menschlichen Bereiche. Es geht auch um Gigi Dall'Igna als Person und als Manager.
Gigi, wie schwierig war es für dich persönlich bei Ducati Corse in den ersten Jahren nach deiner Ankunft im Herbst 2013? Du bist als goldener Heilsbringer und Hoffnungsträger bezeichnet worden und solltest Ducati in kurzer Zeit aus der Misere herausführen. Doch das Bike für 2014 war bei deiner Ankunft bereits fertig. Es war also Geduld nötig.
Natürlich ist es nicht einfach, bis du die gewünschten Resultate erreichst. Aber es war wichtig, dass sich Ducati ab 2015 verbessert hat. Ab 2017 haben wir jedes Jahr um gute Ergebnisse gekämpft.
Wir wissen, wie die Fahrer reagieren, wenn sie ihre Ziele nicht erreichen. Wie reagierst du als Techniker und General Manager auf Rückschläge oder Misserfolge?
Ist es für jeden gleich, auch für Leute wie mich. Wenn du dein Ziel nicht erreichst und die gewünschten Ergebnisse ausbleiben, kannst du nicht glücklich und zufrieden sein.
Ob du dann Zweiter bist, Dritter oder Vierter, das macht keinen Unterschied. Der einige Platz, den ich in meinem Kopf anstrebe, ist der erste. So bin ich.
Bis 2022, das kann ich jetzt verraten, waren jedoch die Superbike-WM-Ergebnisse meine größte Sorge. Denn Ducati hat über so viele Jahre hinweg wirklich gute Superbike-Resultate errungen. Und es hat zu lang gedauert, bis wir die Weltmeisterschaft wieder gewinnen konnten. Das ist sicher.
Wer ist also ehrgeiziger: Die Fahrer oder du?
Alle Personen, die mit unseren Projekten beschäftigt sind, sind wettbewerbsorientiert, sie wollen Erfolg haben. Alle wollen den Platz erreichen, den wir brauchen…
Fährst du selbst Motorrad?
Am Motorrad bin ich Tourist. Ich liebe es, mit meinen Frau Motorrad zu fahren. Wir sind nach Griechenland gefahren, nach Sizilien, Sardinien, nach Korsika. Das macht im Sommer sehr viel Spaß; meine Frau fährt dann selbst Motorrad. Aber ich habe mein Motorrad verkauft, als unsere erste Tochter geboren wurde, denn ein Motorrad ist kein ideales Familienspielzeug.
Sobald unsere Kinder größer sind, werde ich wieder aufs Motorrad zurückkehren und gemeinsam mit meiner Frau viel Zeit mit dem Herumreisen verbringen. Aber wir verhalten uns dabei wie Touristen, nicht wie Rennfahrer.
Viele Manager im Paddock waren Rennfahrer. Du bist nie Motorradrennen gefahren. Ist das ein Plus oder ein Minus?
Ich bemühe mich immer zu verstehen, was die Fahrer wollen, obwohl die Fahrer das oft nicht klar ausdrücken können.
?Wir kommen oft nicht alle notwendigen Informationen, die wir brauchen, um die vorhandenen Probleme zu lösen.
Wenn ein Fahrer ein Problem anprangert, dann strengen sich alle bei Ducati an, das Anliegen zu verstehen, nicht nur ich. Wir sind ein Team!
Im Management wirst du bei Ducati Corse von Paolo Ciabatti und Davide Tardozzi entlastet. Auch in der Technikabteilung sehen wir bei Ducati viele namhafte Experten in allen Bereichen – Motor, Chassis, Aerodynamik und so weiter.
Natürlich haben wir einerseits Paolo und Davide. Sie leisten gute Arbeit und werden das hoffentlich in Zukunft weiter tun.
Wir dürfen aber auch die Teammitglieder, Ingenieure und Crew-Chiefs wie Christian Gabarrini und Dani Romagnoli, den Crew-Chef von Jorge Martin, nicht vergessen, oder die Elektroniker und die Mannschaft von Pecco und alle andern.
Wir haben viele Techniker, die sich bemühen, die Fahrer zu verstehen. Alle tun das. Aber wenn der Fahrer einen Fehler macht oder etwas Falsches sagt, und wenn wir überzeugt sind, dass diese Aussage falsch ist, dann widersprechen wir, dann geben wir ihm nicht recht. Ganz sicher nicht.
Das muss so sein. Denn wir haben die Zahlen, wir haben die Daten. Wir müssen die Performance verbessern, wir müssen die Realität erkennen und dürfen keine seltsamen Experimente machen.
Aber hörst du einem Fahrer manchmal auch zu, obwohl du Zweifel an seiner Meinung hast? Du könntest ja auch einmal auf einem Irrweg sein?
Ganz sicher, ganz klar. Wir sagen keinem, er soll den Mund halten, aber wir müssen eine sinnvolle Diskussion über dieses Thema führen.
Wir müssen uns verbessern, das ist unser Ziel. Das ist mein Ziel und auch das Ziel des Fahrers. Deshalb müssen sie mir ihre Meinung mitteilen. Und ich muss ihnen sagen, was ich denke. Wir müssen offen kommunizieren.
Die Erfolge des Ducati-MotoGP-Werksteams seit 2003
2003: Neun Podestplätze (1x Sieg, 2x zweiter Platz, 6x dritter Platz)
Loris Capirossi WM-Rang 4 mit 177 Punkten
Troy Bayliss WM-Rang 6 mit 128 Punkten
2004: Zwei Podestplätze (2x dritter Platz)
Loris Capirossi WM-Rang 9 mit 117 Punkten
Troy Bayliss WM-Rang 14 mit 71 Punkten
2005: Vier Podestplätze (2x Sieg, 1x zweiter Platz, 1x dritter Platz)
Loris Capirossi WM-Rang 6 mit 157 Punkten
Carlos Checa WM-Rang 9 mit 138 Punkten
2006: Neun Podestplätze (4x Sieg: Troy Bayliss siegte als Ersatzfahrer in Valencia, 4x
zweiter Platz, 1x dritter Platz)
Loris Capirossi WM-Rang 3 mit 229 Punkten
Sete Gibernau WM-Rang 13 mit 95 Punkten
2007: 18 Podestplätze (11x Sieg, 4x zweiter Platz, 3x dritter Platz)
Casey Stoner Weltmeister mit 367 Punkten
Loris Capirossi WM-Rang 7 mit 166 Punkten
2008: Elf Podestplätze (6x Sieg, 3x zweiter Platz, 2x dritter Platz)
Casey Stoner WM-Rang 2 mit 280 Punkten
Marco Melandri WM-Rang 17 mit 51 Punkten
2009: Neun Podestplätze (4x Sieg, 1x zweiter Platz, 4x dritter Platz)
Casey Stoner WM-Rang 4 mit 220 Punkten
Nicky Hayden WM-Rang 13 mit 104 Punkten
2010: Zehn Podestplätze (3x Sieg, 2x zweiter Platz, 5x dritter Platz)
Casey Stoner WM-Rang 4 mit 225 Punkten
Nicky Hayden WM-Rang 7 mit 163 Punkten
2011: Zwei Podestplätze (2x dritter Platz)
Valentino Rossi WM-Rang 7 mit 139 Punkten
Nicky Hayden WM-Rang 8 mit 132 Punkten
2012: Zwei Podestplätze (2x zweiter Platz)
Valentino Rossi WM-Rang 6 mit 163 Punkten
Nicky Hayden WM-Rang 9 mit 122 Punkten
2013: Kein Podestplatz
Andrea Dovizioso WM-Rang 8 mit 140 Punkten
Nicky Hayden WM-Rang 9 mit 126 Punkten
2014: Drei Podestplätze (1x zweiter Platz, 2x dritter Platz)
Andrea Dovizioso WM-Rang 5 mit 187 Punkten
Cal Crutchlow WM-Rang 13 mit 74 Punkten
2015: Neun Podestplätze (5x zweiter Platz, 4x dritter Platz)
Andrea Iannone WM-Rang 5 mit 188 Punkten
Andrea Dovizioso WM-Rang 7 mit 162 Punkten
2016: Zehn Podestplätze (2x erster Platz, 3x zweiter Platz, 5x dritter Platz)
Andrea Dovizioso WM-Rang 5 mit 171 Punkten
Andrea Iannone WM-Rang 9 mit 112 Punkten
2017: 15 Podestplätze (6x erster Platz, 4x zweiter Platz, 5x dritter Platz)
Andrea Dovizioso WM-Rang 2 mit 261 Punkten
Jorge Lorenzo WM-Rang 7 mit 137 Punkten
2018: 13 Podestplätze (7x erster Platz, 4x zweiter Platz, 2x dritter Platz)
Andrea Dovizioso WM-Rang 2 mit 245 Punkten
Jorge Lorenzo WM-Rang 9 mit 134 Punkten
2019: 12 Podestplätze (3x erster Platz, 3x zweiter Platz, 6x dritter Platz)
Andrea Dovizioso WM-Rang 2 mit 269 Punkten
Danilo Petrucci WM-Rang 6 mit 176 Punkten
2020: Drei Podestplätze (2x erster Platz, 1x dritter Platz)
Andrea Dovizioso WM-Rang 4 mit 135 Punkten
Danilo Petrucci WM-Rang 12 mit 78 Punkten
2021: 14 Podestplätze (6x erster Platz, 3x zweiter Platz, 5x dritter Platz)
Francesco Bagnaia WM-Rang 2 mit 252 Punkten
Jack Miller WM-Rang 4 mit 181 Punkten
2022: 17 Podestplätze (8x erster Platz, 3x zweiter Platz, 6x dritter Platz)
Francesco Bagnaia Weltmeister mit 265 Punkten
Jack Miller WM-Rang 5 mit 189 Punkten
Bisher 65 MotoGP-Siege
Casey Stoner: 23 Siege (2007: Doha, Istanbul, Shanghai, Barcelona, Donington Park, Laguna Seca, Brünn, Misano, Phillip Island, Sepang; 2008: Doha, Donington Park, Assen, Sachsenring, Phillip Island, Valencia; 2009: Doha, Mugello, Phillip Island, Sepang; 2010: Aragón, Motegi, Phillip Island)
Andrea Dovizioso: 14 Siege (2016: Sepang; 2017: Mugello, Barcelona, Spielberg, Silverstone, Motegi, Sepang; 2018: Doha, Brünn, Misano, Valencia; 2019: Doha, Spielberg; 2020: Spielberg 1)
Francesco Bagnaia: 11 Siege (2021: Aragón, Misano-1, Portimão-2, Valencia; 2022: Jerez, Mugello, Assen, Silverstone, Spielberg, Misano, Sepang)
Loris Capirossi: sieben Siege (2003: Barcelona; 2005: Motegi, Sepang; 2006: Jerez, Brünn, Motegi; 2007: Motegi)
Jorge Lorenzo: drei Siege (2018: Mugello, Barcelona, Spielberg)
Jack Miller: drei Siege (2021: Jerez, Le Mans; 2022: Motegi)
Danilo Petrucci: zwei Siege (2019: Mugello; 2020: Le Mans)
Troy Bayliss: ein Sieg (2006: Valencia)
Andrea Iannone: ein Sieg (2016: Spielberg)