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Automotodrom Brünn: Wohnsiedlung statt Rennstrecke?

Von Günther Wiesinger
Vor einem Jahr wollte Karel Abraham senior das Automotodrom Brünn noch zu einem horrenden Preis an KTM-Chef Stefan Pierer verkaufen. Jetzt könnten auf dem Areal in Südmähren Häuser und Wohnungen entstehen.

Schon 2016 gab es erste Meldungen, die Rennstrecke Brünn könne verkauft werden. Skoda wurde als Interessent genannt, die tschechische Automobilfirma hätte dort ein Testzentrum für die VW-Gruppe entstehen lassen können. Als im Februar 2021 feststand, dass es künftig nie mehr einen Motorrad-GP von Tschechien in Brünn geben wird, versuchte Rennstreckenbetreiber Karel Abraham senior neuerlich, das 128 Hektar große Areal in ruhiger Lage und gutem Autobahnanschluss an Investoren zu verkaufen und zu einer Wohnsiedlung mit Mehrfamilienhäusern und Reihenhäusern umgestalten zu lassen. Doch es fehlte an Baubewilligungen.

Am 8. Dezember 2020 hat der tschechische GP-Promoter «Spolek pro porádání Grand Prix» klargestellt, dass 2021 auf dem Automotodrom Brno definitiv kein Motorrad-GP stattfinden wird. Zehntausende treue Fans bedauern das bis heute. Denn Brünn galt als attraktiver GP-Standort, auch für die deutschsprachige Fans.

Der umstrittene Masaryk-Ring-Besitzer Karel Abraham senior gehörte zu den Verlierern, denn er besitzt seine Rennstrecke seit 2005 und hat in den drei Jahren bis 2020 jeweils zum Wucherpreis von ca. 30 Millionen tschechischen Kronen (1,137 Millionen Euro) für eine GP-Woche an Spolek vermietet. Vorher trat er selber als Vertragspartner der Dorna und als GP-Veranstalter auf, auch weil er seinem gleichnamigen Sohn Karel die Plattform eines Heim-GP bieten wollte.

Streckenbesitzer Karel Abraham senior behauptete immer wieder, er könne selbst bei 150.000 oder 200.000 Zuschauern am GP-Wochenende keinen Gewinn erwirtschaften. Deshalb wurde vor 2016 die Firma «Spolek pro porádání Grand Prix» gegründet. Sie kümmerte sich um die Austragung des Grand Prix und übernahm das finanzielle Risiko. Die Teilhaber dieser Gesellschaft waren die Stadt Brünn, die Region Südmähren und die Landesregierung in Prag.

Jedes Jahr wurde unter den politischen Aktionären der GP-Promoterfirma gestritten, denn die wechselnden beteiligten Politiker gehörten unterschiedlichen Parteien an, es kam zu Alleingängen bei den Verhandlungen mit der Dorna, es wurden die GP-Gebühren nie pünktlich bezahlt, jedes Jahr wurde die Unsicherheit über die GP-Zukunft größer.

Gleichzeitig hielt sich Abraham senior mit Investitionen in die Infrastruktur zurück, obwohl Konkurrenten wie Assen Millionen investierten, der Sachsenring immer beliebter wurde und mit Spielberg 2016 im Nachbarland Österreich ein neuer attraktiver Grand Prix in den Kalender aufgenommen wurde.

Dazu kamen seit 2010 in Aragón, Termas de Rió Hondo, Texas, Buriram und Portimão neue Grand Prix-Schauplätze auf modernen Rennstrecken ins Programm. Andere Interessenten wie Mandalika (Indonesien), Igora Drive (St. Petersburg), Sokol Circuit (Kasachstan), Rio, Chile, The Bend in Australien, Saudi-Arabien und so weiter standen oder stehen auf der Warteliste.

Die Dorna Sports S.L. forderte auf Wunsch der Fahrer im Zuge der Grand Prix-Vertragsverlängerung in Brünn einen neuen Streckenbelag, der ca. 100 Millionen tschechische Kronen (3,7 Millionen Euro) gekostet hätte. Doch die Politik drehte den Geldhahn für 2021 zu – offiziell wegen Covid.

Später erklärten die Spolek-Verantwortlichen, man werde nie mehr einen Grand Prix oder einen Superbike-WM-Lauf in Brünn veranstalten. Abraham selber liebäugelte im Winter 2020/2021 zumindest noch mit der Rückkehr der Superbike-WM nach Brünn, denn in dieser Serie liegt die Austragungsgebühr der Dorna in Europa manchmal unter 500.000 Euro. Ein Grand Prix kostet hingegen mehr als 4 Millionen Euro.

In Brünn würde bis inklusive 1982 auf dem 10,9 km langen ultra-schnellen Straßenkurs mit Start/Ziel in Bosonohy ein Motorrad Grand Prix ausgetragen. 1987 wurde das permanente Automotodrom mit einer Länge von 5,4 km und 14 Kurven eröffnet. 

Der Masaryk-Ring ist nach dem ersten Präsident der Tschechoslowakei, Tomáš Garrigue Masaryk, benannt worden. 

1949 wurde der GP noch auf einem 29,1 km langen Road Circuit (ohne WM-Status) gefahren. Die Strecke wurde bald auf 17,1 und dann auf 13,9 km verkürzt, ehe Tschechien 1965 erstmals einen WM-Lauf erhielt.   

Der Grand Prix der Tschechoslowakei fand dann als WM-Lauf on den Jahre 1965 bis 1982 statt, von 1987 bis 1991 und von 1993 bis 2020. Im Jahr 1992 fiel der Grand Prix aus, weil die Tschechen nach der Übernahme des GP-Sports durch die Dorna und Bernie Ecclestones Firma Two Wheel Promotions (TWP) die hohen MotoGP- Austragungsgebühren nicht bezahlen wollten. 

Sehr vielversprechend sieht der Veranstaltungs-Kalender nach 2020 auf dem Automotodrom in Brünn nicht mehr aus. Events wie der Masaryk-Run, der Histo Cup, die Ferrari-Challenge, die Drift Challenge und Racing For Fun-Events bilden jetzt die nicht gerade mitreissenden Höhepunkte des Jahres.

Jetzt ist durchgesickert: Das gesamte Rennstrecken-Areal des Automotodroms Brno soll an ein Immobilien-Unternehmen verkauft werden und dann zu einer riesigen Wohnanlage umgestaltet werden. Insgesamt umfasst das Areal immerhin 128 Hektar.

Nach Informationen vom SPEEDWEEK.com ist Karel Abraham 78,24-Prozent-Teilhaber der Firma Automotodrom Brno, a.s. (AMD). Das Unternehmen AMD ist Besitzer und Betreiber der Rennstrecke und der gesamten Anlage inklusive der Tribünen und so weiter. Die AMD ist auch Besitzer des Start/Ziel-Turms, der Boxenanlage, des Medical Centres und so weiter.

Jetzt pfeifen die Spatzen in Brünn die Neuigkeit mit den Wohnbauplänen vom Dach. Abraham und seine Geschäftsführerin Ulmanova äußern sich bisher zu den Verkaufsabsichten nicht.

Fakt ist: Karel Abraham senior wollte das Rennstreckenareal im August 2022 an den KTM-Vorstandsvorsitzenden Stefan Pierer verkaufen. Der Steirer bedauerte angesichts des astronomischen Kaufpreises, beim Spielberg-GP Zeit mit Abraham vergeudet zu haben.

«Es war jedenfalls ein völlig absurder Preis», erinnert sich KTM-Vorstand Hubert Trunkenpolz. 


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