Pit Beirer: «Keine 'concessions' für Honda & Yamaha»
Seit der Dutch-TT in Assen bemühen sich die Dorna-Verantwortlichen, den japanischen MotoGP-Herstellern Honda und Yamaha durch technische Privilegien wieder auf die Sprünge zu helfen. Denn das Repsol-Honda-Werksteam hat 2023 in den Sonntag-Rennen noch keinen Podestplatz errungen; das Yamaha Factory Team hat erst ein Top-3-Ergebnis eingeheimst – in Texas (Platz 3 mit Fabio Quartararo).
Denn die Japaner haben durch die Siege und Podestplätze 2022 und 2023 kein Anrecht auf die üblichen «concessions» für die Neueinsteiger oder Verlierer-Teams. Diese besagen: Motorenentwicklung ab Saisonstart nicht eingefroren, private Testfahrten auch mit Stammpiloten erlaubt, zwei Motoren mehr als die Siegerteams.
In der Sommerpause wurde der Hersteller-Vereinigung (MSMA) von der Dorna ein erster Vorschlag für ein neues «concession system» unterbreitet, das den Verlierern rascher zu Privilegien verhilft als in der Gegenwart.
Zur Erinnerung: KTM hat die «concessions» nach 2019 verloren, Aprilia nach der Saison 2022, Suzuki einmal nach 2016, dann wieder nach 2018.
«Ja, die aktuellen Concessions-Vorschriften wurden zu einem anderen Zeitpunkt entworfen und in einer anderen Situation, als es drei Neueinsteiger gab», räumt Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti an. «Wir werden uns den neuen Vorschlag in Ruhe anschauen. Man muss genau überlegen, unter welchen Umständen ein Werk technische Zugeständnisse bekommen soll. Denn diese ‚concessions‘ müssen für das eine Werk heute taugen, der die Bedingungen heute erfüllt und für ein anderes vielleicht in der Zukunft. Man kann über vernünftige Lösungen reden, zum Beispiel über zusätzliche Testtage, über Testtage für die Werksfahrer. Das sind Lösungen, die auch für Ducati irgendwann angewendet werden können – oder für KTM oder Aprilia, wenn sie benötigt werden. Das muss im Detail besprochen werden. Aber das darf nicht ‘ad personam‘ passieren.»
Damit meint Paolo Ciabatti: Es darf keine maßgeschneiderte «Lex Marc Márquez» sein, die den Superstar mit Honda in Windeseile wieder auf die Siegerstraße bringt.
«Aber wir werden uns gegen nichts sträuben, dass Sinn macht», versichert der Ducati-Corse-Manager. «Es wäre gut für die Meisterschaft, wenn die Japaner wieder konkurrenzfähiger wären. Deshalb: Lasst uns einen Vorschlag finden.»
«Aber abgesehen davon, ob man mehr Tests oder mehr Motorenentwicklung erlaubt, wir müssen den passenden Algorithmus finden, wie wir das in dieses Vorhaben in die Tat umsetzen können. Denn es ist wirklich schmerzhaft, die betroffenen Fahrer der zwei japanischen Marken so leiden zu sehen.»
Pit Beirer, Motorsport-Direktor der Pierer Mobility AG mit den Marken KTM, GASGAS und Husqvarna, kennt den Vorschlag der Dorna. «Es geht dabei um die Aspekte, die eh schon beschrieben wurden. Es sind im Prinzip ‚concessions‘, die zurückkommen. Neu soll es jetzt im Prinzip ein prozentuales Punktesystem geben. Und wer unter den Schnitt der besseren Werke zurückfällt, wird in den Genuss von ‚concessions‘ kommen, also Zugeständnisse erhalten. Es handelt sich um ein relativ kompliziertes System. Du musst einen gewissen Prozentsatz an Punkten erreichen. Wenn du diesen Prozentsatz nicht erreichst, werden die ‚concessions‘ wirksam, und sie werden schneller wirksam als heute. Es wird aber keine Reglements-Vorteile in Form von mehr Sprit geben wie früher in der Open-Class-Ära. Die Vorteile sind angelehnt an die Privilegien, die für die Neueinsteiger schon in den letzten Jahren existiert haben. Die Dorna hat vorgeschlagen, diese ‚concessions‘ an Yamaha und Honda quasi über Nacht wieder zurückzugeben.»
Doch Pit Beirer stellte im Gespräch mit SPEEDWEEK.com unmissverständlich klar: «Diesen Vorschlag werden wir nicht unterstützen.»
«Es gibt auch eine Begründung dazu. Yamaha war 2020 und 2022 Vizeweltmeister und 2021 Weltmeister. Honda hat in den letzten eineinhalb Jahren durch die Podestplätze von Marc Márquez und Pol Espargaró und den Sieg von Alex Rins zu viele ‚concession points» kassiert und qualifiziert sich deshalb nicht für diese Zugeständnisse. Wir finden, dass sich beide Marken nicht in einer Situation befinden, die eine Wiederbelebung dieser Hersteller durch neue Concessions-Vorschriften rechtfertigen. Das sind gute, stolze Werke, sie werden ihren technischen Weg finden. Aber sie brauchen dazu keine ‚concessions‘».
Die Pierer-Gruppe investiert jetzt 70 Millionen Euro im Jahr in die MotoGP-WM und hat seit dem Einstieg in die Königsklasse als belächelter Außenseiter (mit Stahlrahmen und WP-Suspension) riesige Summen investiert, um in den letzten drei Jahren mit Brad Binder zweimal und Oliveira fünfmal zu gewinnen.
«Was sollen andere Hersteller sagen, die sich an die Spitze gekämpft haben», meint Pit Beirer. «Wie lange hat sich Ducati angestrengt, um nach 2007 wieder zurück an die Spitze zu kommen. Wir und Aprilia kämpfen ebenfalls. Nur weil Yamaha in diesem Jahr noch kein Rennen gewonnen hat, brauchen sie keine Zugeständnisse.»
Aprilia-Racing-CEO Massimo Rivola lehnt eine Umgestaltung der ‘concession’-Regeln zugunsten der Japaner nicht grundsätzlich ab.
«Es ist zwar ein bisschen komisch, dass jetzt die kleinen Werke den japanischen Giganten helfen sollen», wundert sich Massimo Rivola. «Gleichzeitig ist es eine Anerkennung für die gute Arbeit, die wir geleistet haben. Ich bin offen für solche Gespräche, solange der gesamte Grid kompakt und das Feld ausgeglichen bleibt. Wenn ich gebeten werde, einem Hersteller zu helfen, der Mühe hat, bin ich offen für Verhandlungen. Denn es kann ja passieren, dass Aprilia eines Tages der Nächste ist, der in Schwierigkeiten kommt.»
«Zum Wohle unserer Meisterschaft bin ich für alle Ideen und Diskussionen offen», betonte Rivola im Interview mit SPEEDWEEK.com. «Aber wir müssen alle Gesichtspunkte betrachten, nicht nur den Standpunkt der Werke, die Mühe haben. Am Ende müssen wir einen akzeptablen Kompromiss finden, von dem die ganze MotoGP-WM profitiert. Die Hersteller dürfen jetzt nicht nur an sich selbst denken. Wir wollen eine packende Show, spannende Rennen – und alle beteiligten Werke sollen eine Chance auf Siege haben. Wir müssen ausbalancierte Kriterien finden. Man könnte überlegen: Wenn ein Werk acht Bikes im Feld hat, könnte man diesem Hersteller zum Beispiel die Testmöglichkeiten streichen. Irgend etwas in diese Richtung. Aber bisher kenne ich auch keine Patentlösung.»
«Wir haben seit 2017 die eine oder andere Regeländerung angeregt», hält Pit Beirer fest. Es ist ja kein Geheimnis, dass wir gegen die extreme Aerodynamik-Entwicklung und gegen die extremen Ride Height Devices vorne und hinten gekämpft haben. Es kamen viele durchaus sinnvolle Vorschläge von unserer Seite. Wir haben aber im Fahrerlager dafür keine Mehrheiten zusammen bekommen. Inzwischen beschweren sich viele Leute, dass sich die Klasse durch die Aero-Pakete und die Devices in die falsche Richtung entwickelt hat. Aber wir haben trotzdem unter den herrschenden Regularien fleissig entwickelt und unsere Arbeit erledigt. Wir sind jetzt relativ weit nach vorne gekommen.»
«Deshalb interessiert uns jetzt nicht, mitten in der Dorna-Vertragslaufzeit, die bis Ende 2026 dauert, das Reglement zu verändern», ergänzte der 250-ccm-Motocross-Vizeweltmeister von 1999. «Denn bei jedem Wunsch, den wir angebracht haben, wurde uns mitgeteilt: ‘In der jetzigen Vertragslaufzeit wird es keine Regeländerungen geben.’ Das haben wir verstanden und akzeptiert. Darum möchten wir jetzt nicht wahnsinnig viel Zeit mit neuen ‘concessions’-Bestimmungen verbringen. Denn die nächste Regeländerung wird erst 2027 stattfinden.»
MotoGP-Ergebnisse, Silverstone (6. August):
1. Aleix Espargaró, Aprilia, 20 Runden in 40:40,367 min
2. Bagnaia, Ducati, + 0,215 sec
3. Binder, KTM, + 0,680
4. Oliveira, Aprilia, + 0,750
5. Viñales, Aprilia, + 2,101
6. Martin, Ducati, + 7,903
7. Marini, Ducati, + 9,099
8. Miller, KTM, + 9,298
9. Zarco, Ducati, + 9,958
10. Raúl Fernández, Aprilia, + 19,947
11. Augusto Fernández, KTM, + 20,296
12. Pol Espargaró, KTM, + 1:06,120 min
13. Di Giannantonio, Ducati, + 1:27,605
14. Morbidelli, Yamaha, + 1:28,913
15. Quartararo, Yamaha, + 1:29,075
16. Nakagami, Honda, + 1:38,573
17. Lecuona, Honda, + 1:49,674
– Bastianini, Ducati, 4 Runden zurück
– Marc Márquez, Honda, 6 Runden zurück
– Bezzecchi, Ducati, 15 Runden zurück
– Alex Márquez, Ducati, 15 Runden zurück
– Mir, Honda, 18 Runden zurück
MotoGP-Ergebnisse Sprint, Silverstone (5. August):
1. Alex Márquez, Ducati, 10 Runden in 21:52,317 min
2. Bezzecchi, Ducati, + 0,366 sec
3. Viñales, Aprilia, + 3,374
4. Zarco, Ducati, + 5,671
5. Aleix Espargaró, Aprilia, + 6,068
6. Martin, Ducati, + 7,294
7. Miller, KTM, + 9,415
8. Augusto Fernández, KTM, + 9,850
9. Binder, KTM, + 10,435
10. Oliveira, Aprilia, + 11,247
11. Marini, Ducati, + 17,365
12. Di Giannantonio, Ducati, + 20,063
13. Bastianini, Ducati, + 24,352
14. Bagnaia, Ducati, + 25,527
15. Morbidelli, Yamaha, + 27,191
16. Pol Espargaró, KTM, + 27,693
17. Mir, Honda, + 29,062
18. Marc Márquez, Honda, + 29,326
19. Raúl Fernández, Aprilia, + 29,627
20. Nakagami, Honda, + 29,909
21. Quartararo, Yamaha, + 30,326
22. Lecuona, Honda, + 47,674
WM-Stand nach 18 von 40 Rennen:
1. Bagnaia, 214 Punkte. 2. Martin 173. 3. Bezzecchi 167. 4. Binder 131. 5. Zarco 122. 6. Aleix Espargaró 107. 7. Marini 107. 8. Miller 90. 9. Alex Márquez 75. 10. Viñales 75. 11. Quartararo 65. 12. Morbidelli 59. 13. Augusto Fernández 49. 14. Rins 47. 15. Oliveira 40. 16. Di Giannantonio 37. 17. Nakagami 34. 18. 18. Bastianini 18. 19. Marc Márquez 15. 20. Raúl Fernández 14. 21. Pedrosa 13. 22. Savadori 9. 23. Folger 9. 24. Pirro 5. 25. Mir 5. 26. Petrucci 5. 26. Bradl 5. 27. Pol Espargaró 4.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 317 Punkte. 2. KTM 172. 3. Aprilia 153. 4. Honda 89. 5. Yamaha 84.
Team-WM:
1. Prima Pramac Racing, 295 Punkte. 2. Mooney VR46 Racing 274. 3. Ducati Lenovo Team 242. 4. Red Bull KTM Factory Racing 221. 5. Aprilia Racing 181. 6. Monster Energy Yamaha 124. 7. Gresini Racing 112. 8. LCR Honda 84. 9. GASGAS Factory Racing Tech3, 62. 10. CryptoDATA RNF 58. 11. Repsol Honda 20.