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Marc Márquez: Bei Pramac-Ducati ist alles angerichtet

Von Günther Wiesinger
«If you can't beat them, join them.» (Wenn du sie nicht besiegen kannst, verbünde dich mit ihnen.) Das ist die Devise, die Marc Márquez zu Ducati treiben wird.

Natürlich kann niemand in den Kopf von Marc Márquez hineinschauen. Aber spätestens seit den fünf schmerzhaften Stürzen innerhalb 40 Stunden beim Sachsenring-GP hat der spanische Superstar eingesehen, dass Honda nicht mehr in der Lage ist, ein siegfähiges MotoGP-Rennmotorrad zu entwickeln und zu bauen. Die Hinweise der Repsol-Honda-Teamführung, man habe zwischen 2013 und 2019 in sieben Jahren sechs Titel gewonnen, sind nur mehr sinnloses Ausreden. Denn im Rennsport zählen nur Gegenwart und Zukunft. Nichts ist so alt wie das Ergebnis von gestern, lautet die Devise.

Marc Márquez erklärte am Donnerstag in Silverstone am 3. August, er habe einen HRC-Vertrag für 2024. Aber der 59-fache MotoGP-Siege ließ sich um keinen Preis entlocken, dass er nächstes Jahr tatsächlich für Honda fahren wird.

Der im Januar 2020 verkündete Vier-Jahres-HRC-Vertrag hat sich längst als Bleischuh für Marcs Karriere erwiesen. Er wurde nach der überragenden Saison 2019 (12 Siege, 6 zweite Plätze in 19 Grand Prix) von Ex-Manager Emilio Alzamora ausgehandelt, von dem sich der Superstar vor einem Jahr getrennt hat, gleichzeitig mit Bruder Alex.

Auch wenn zahlreiche Honda-Fans überzeugt sind, Marc Márquez werde auch 2024 artig für Honda die Runden drehen: Wer sich im Fahrerlager und im Top-Management der MotoGP-Werke umhört, kann sich einiges zusammenreimen, auch wenn die meisten Gesprächspartner auf Anonymität beharren.

Stefan Pierer, Vorstandsvorsitzender der Pierer Mobility AG mit den Marken KTM, Husqvarna und GASGAS, verriet im Interview mit SPEEDWEEK.com bereits im Juli, Marc Márquez sei in diesem Jahr schon oft bei KTM angeboten worden.

Kein Wunder: Sein neuer Manager Jaime «Jimmy» Martinez war bis August 2022 «Head of Motorsports Marketing» bei Red Bull in Madrid/Spanien. Er nutzte also seine Connections zum Hauptsponsor in Österreich.

Doch die Pierer-Gruppe hatte schon beim Saisonauftakt in Portugal das Luxusproblem, beim GASGAS Tech3-Team für 2024 drei Kandidaten für zwei Plätze zu haben: Pol Espargaró, Augusto Fernández und Pedro Acosta. Und in den folgenden Monaten scheiterten alle Gespräche mit Teams wie Gresini und LCR, es wurden für Pierer keine zusätzlichen MotoGP-Slots verfügbar.

Und Stefan Pierer erklärte bereits im Juli: «Marc Márquez passt nicht zu uns.»

Damals war bei Ducati-das Lenovo-Team für 2024 mit Bagnaia und Bastianini fix besetzt, und bei Pramac wollten die Italiener mit Martin und Zarco weitermachen, denn der Franzose lag in der WM an vierter Stelle. Und Frankreich ist für Pramac und Ducati ein wichtiger Absatzmarkt.

Und bei Mooney VR46 Ducati brauchte Marc Márquez nicht anzuklopfen. Denn seine Gesprächspartner wären dort Valentino Rossi und Uccio Salucci gewesen. Auch Gresini Racing kam nicht in Frage.

Auch deshalb, weil Marc Márquez und Jimmy Martinez das bestmögliche Bike suchten, denn die Nummer 93 will nach vier vermurksten Jahren endlöich wieder um den Titel fighten und die junge Generation ernsthaft herausfordern – ohne pausenlose Stürze, jämmerliches Material und endlose Krankenhausaufenthalte.

Marc Márquez: Bei Pramac wartet das perfekte Paket

Die Ducati-Corse-Verantwortlichen von Claudio Domenicali bis zu Gigi Dall’ Igna und Paolo Ciabatti verhielten sich abwartend. Denn nach der Absage von KTM hatte Marc Márquez keine große Auswahl mehr. Bei Aprilia sind alle Plätze besetzt, für einen Markenwechsel blieb also Ducati die einzige Anlaufstation.

Bei Pramac Ducati sieht Marc Márquez alle Anforderungen erfüllt: Dort entschied sich Teambesitzer Paolo Campinoti Ende Juni, auch 2024 für beide Fahrer je ein GP24-Paket zu leasen, also die Option auf aktuelle Desmosedici-Werksmaschinen einzulösen. Denn der erfolgreiche Geschäftsmann wollte seinen Kontrahenten Rossi nicht stärken, indem er Bezzecchi bei VR46 ein GP24-Paket überließ.

Seit der Dutch-TT haben die Ducati-Manager aufmerksam beobachtet, wie sich die Situation bei Honda entwickelt und ob die Pierer-Gruppe wirklich keine zusätzlichen Plätze bekommt – womöglich für ein Dream Team Márquez und Acosta.

Doch Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta blieb hartnäckig bei seinem Plan, nächstes Jahr mit nur 22 Fahrern anzutreten. Die Österreicher müssen also ein Ausscheidungsrennen zwischen Pol Espargaró und Augusto Fernández veranstalten – der bessere soll den GASGAS-Platz neben Acosta 2024 bekommen.

Bei Pramac ist der zweite Platz neben Jorge Martin weiter unbesetzt.

Gigi Dall’Igna hat in seiner Piaggio-Group-Ära mit dem jungen, 17-jährigen Marc Márquez 2010 auf Derbi die 125-ccm-Weltmeisterschaft gewonnen. Man kennt und schätzt sich. Außerdem kann der Honda-Werkspilot bei Pramac ein Red Bull-Athlet bleiben – auch Martin und Zarco werben 2023 für den Energy Drink-Konzern aus Österreich, einem langjährigen Partner von Marc.  

Außerdem: Márquez kommt aus seinem HRC-Vertrag nur heraus, wenn er nicht in ein Werksteam geht, sondern in ein Kundenteam. Dieser Anspruch ist bei Pramac erfüllt.

Gleichzeitig gilt Pramac inoffiziell längst als das zweite MotoGP-Werksteam von Ducati. Es tritt seit 2005 mit Ducati an, 2021 sorgte Jorge Martin in Spielberg für den ersten MotoGP-Sieg des Rennstalls, der die Lenovo-Mannschaft 2023 schon mehrmals in den Schatten gestellt hat und mit Martin und Zarco auf den Plätzen 3 und 5 der Fahrer-WM positioniert ist.

Ein Deal mit Ducati und Pramac würde für Marc eine win-win-Situation bilden.

Die WM-Tabellen sprechen Bände: In der Konstrukteurs-WM hat Ducati 354 Punkte erobert, Honda 93. In der Team-WM führt Pramac mit 314 Punkten, Repsol-Honda hat in diesem Jahr nur 24 Pünktchen eingesammelt.

Dazu kommt: Honda und Yamaha werden keine weitreichenden «concessions» zur Verbesserung der Bikes für 2024 bekommen. KTM ist strikt dagegen.

Ausgerechnet Valentino Rossi könnte den Deal von Marc Márquez mit Ducati und Pramac noch verhindern, wenn er Bezzecchi für das Campinoti-Team freigibt und Morbidelli neben seinem Bruder Luca Marini fahren lässt.

Aber so ein Plan würde die Erfolgschancen seines aufstrebenden Teams erheblich schmälern.

Und Rossi hat mit dem 24-jährigen «Bez» offenbar andere weitsichtige Pläne.

Der gewiefte Stratege aus Tavullia will den WM-Dritten offenbar noch ein Jahr lang unter seinen Fittichen haben und ausbilden.

2025 winkt für «Bez» dann ein attraktiver Platz bei Lenovo neben seinem Kumpel Pecco Bagnaia.

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