Stefan Bradl: Wo die Rundenzeit herkommt
Stefan Bradl: Geht ins 7. Jahr als Honda-Entwicklungsmann.
Die Ruhe vor dem Sturm, bevor am Montag Morgen der zweite Pre-Season Test der Saison startet: Was dürfen wir erwarten, Stefan Bradl? Im siebenten Jahr als HRC-Testfahrer teilt der deutsche Experte sein Insider-Wissen exklusiv auf SPEEDWEEK.com.
Werden sich die Ergebnisse des Katar-Tests deutlich von jenen aus Sepang unterscheiden?
Ja, vielleicht schon, weil die Wetter- und Grip-Bedingungen doch ganz anders sein werden. Aber ich erwarte nicht, dass sich an der Ducati-Dominanz viel verändert oder daran, dass KTM wieder zweitstärkste Kraft ist. Die anderen sind weiterhin auf der Suche nach dem gewissen Etwas, das ihnen erlaubt, den Rückstand zu reduzieren.
Deine Schlüsse aus den bisherigen Sprint-Simulationen?
Auf Reifen, die bereits fünf, sechs Runden am Buckel haben, funktioniert die Ducati nach wie vor am besten.
Wo liegen die Feinheiten der Abstimmung in der modernen MotoGP?
Die korrekte Balance des Bikes geht immer mehr Richtung Formel 1. Die Aerodynamik ist eine wichtige Komponente. Die Absenkung des Fahrwerks, die Gewichtsverteilung in allen Fahr-Zuständen, dann hat der Reifen hat nur ein kleines Fenster, in dem er funktioniert. Verlierst du in diesem komplexen Zusammenspiel drei, vier Zehntel pro Runde, summiert sich das in diesem knappen Feld über die Renndauer.
Dein Marken-Kollege Luca Marini hatte nach dem Sepang-Test gemeint, die Honda würde sich je nach Zustand der Reifen stark verändern.
Mit den Jahren hat es sich in der Michelin-Zeit so entwickelt, dass der Grip mit neuen Reifen immer besser geworden ist: Eine Out-Lap, dann hast du speziell mit der weichen Mischung zwei Runden lang Zeit um anzudrücken. Ich will nicht sagen, dass das total in die einstige Qualifyer-Richtung geht, aber es ist nicht mehr weit weg. Die Zeiten auf eine Runde sind brutal gut geworden. Ducati kann das am besten ausnutzen. Aber wie du sagst: Marini hat völlig richtig verstanden, dass man mit der Honda anders kämpfen muss, je nachdem ob die Reifen neu oder gebraucht sind.
Definiere «anders kämpfen» bitte.
Die MotoGP-Bikes haben so viel Power. Der beste Weg sie einzusetzen ist, das Motorrad aufzurichten und möglichst wenig Zeit auf der Reifen-Flanke zu verbringen. Du willst die Kurve in der kürzest möglichen Zeit fertig fahren. Die Ducati kannst du ein wenig aufrichten, und schon spürst du, dass es vorwärts geht. Die Honda muss weitaus aufrechter sein, um den Grip zu finden bis zu dem Punkt, wo die Aerodynamik ins Spiel kommt.
Der stärkere Motor hilft auch nur auf den Geraden, nicht auf der Flanke, korrekt?
Ich sag mal: Der Motor war nie die Schwachstelle der Honda. Das Thema ist komplexer, weil die Aerodynamik so viel Anteil daran hat, was man an den Topspeed-Werten sieht. Entscheidend ist, wie du aus den Ecken raus beschleunigst, wie viel Grip du vom zweiten in den dritten Gang hast und im ersten Teil vom dritten rauf in den vierten Gang. Dort ist es, wo die Rundenzeit herkommt. Alles, was ab dem fünften Gang passiert: Das sind die Flügel und andere Aspekte, die der Fahrer nicht mehr großartig beeinflussen kann.
Man hört raus: Auch du bist kein Fan der aktuellen Aerodynamik.
Wenn du nicht auf dem richtigen Fabrikat sitzt, bist du im Wesentlichen chancenlos. Früher hat der Fahrer den Ausschlag gegeben, und das ist jetzt nicht mehr der Fall. Diese Entwicklung hat 2016 still und heimlich begonnen und hat sich immer weiterentwickelt bis zum heutigen Level.
Was hat Honda zwischen Valencia und Sepang bis auf den Motor Neues gebracht?
Eigentlich nix Besonderes. Jeder Hersteller hat versucht, an der Balance zu spielen, aber Hardware-Teile, von denen man sagen könnte, das war der Wahnsinn – da war nix dabei. Auch unser neue Rahmen in Valencia war jetzt nicht das eine Ding, wo du sagst, der ändert jetzt alles. Die Zeiten, in denen du ein Teil ans Bike geschraubt hast und alles ist anders, das gibt’s einfach nimmer. Es ist ein ständiger Strom kleiner Updates. Unsere Rückstände im Vergleich zu Sepang letztes Jahr haben sich ein bisschen verringert. Aber jetzt schau ma mal nach Katar. Und ein Test ist sowieso immer anders zu bewerten als ein Renn-Wochenende.