Test: Das passiert hinter den Kulissen
15 Tonnen wiegt die Fracht, die im Januar von Munderfing nach Malaysien ging. An Bord: Die brandneuen RC16, Jahrgang 2024, plus – im Wortsinn – tonnenweise Teile zum Testen. Der Großteil davon wurde im Zug des Sepang-Tests evaluiert, ein kleinerer Teil davon befindet sich bereits wieder auf dem Retourweg nach Europa. Sebastian Risse, Technik-Chef bei Red Bull KTM Factory Racing, erklärt: «Der erste Test der Saison hat den Zweck, beim zweiten Test nicht mehr durch die Varianten A bis Z gehen zu müssen, sondern uns auf die Analyse von Variante A oder B konzentrieren zu können. Beim ersten Test sortieren wir aus. Gerade auf der Aerodynamik-Seite haben wir in Sepang unsere Favoriten bereits rausgefunden.» Es waren nur wenige Teile, die für den ersten Pre-Season-Test noch nicht verfügbar waren. Die kommen jetzt direkt nach Katar. Und einige wenige Teile können vor Ort nachbearbeitet werden.
Was kaum passiert ist, Komponenten direkt zwischen Werk und Teststecke hin und her zu schicken, selbst wenn das dank Logistik-Partner DHL machbar wäre. Der Grund dafür: «Wenn etwas im Zoll hängen bleibt, würde uns das einen Strich durch die Rechnung machen.» In besonders dringenden Fällen werden Einzelteile also tatsächlich vom KTM-Personal im Handgepäck zum zweiten Test der Saison an die Strecke transportiert. Risse: «Selbstverständlich musst du auch damit durch den Zoll, aber dann ist es wenigstens an Ort und Stelle erledigt.»
Neuaufbau
Nach dem Sepang-Test wurde alles Material, das sich für eine zweite Runde beim Katar-Test qualifiziert hatte, in neue Container umgepackt. Den Transport über fünf Zeitzonen nach Katar übernahm die DORNA. Wenn die Crew heute morgen an der Strecke ankommt, warten Bikes plus Equipment bereits im Boxengebäude. Vor dem Test gibt es – genau wie später vor den Rennen – zwei Setup-Tage. Der Aufbau der Box dauert einen halben Tag, am Nachmittag wird der Ablaufplan für die kommenden Tage erstellt. Parallel werden die Bikes zerlegt und gereinigt, bevor sie tags darauf wieder assembliert werden. Spätestens jetzt kommen auch die Fahrer an, falls sie nicht wegen Marketing-Aktivitäten bereits früher an Ort und Stelle beordert werden. Beim Katar-Test ist das zum Beispiel das offizielle Fotoshooting für die MotoGP.
Zwischen Sepang und Katar liegen nur 10 Tage: zu wenig für tiefgreifende Änderungen an den Bikes. Für alles, was gezeichnet, gefertigt und womöglich auch vom Entwicklungs-Team getestet werden müsste, bevor es das Renn-Team bekommt, reicht die Zeit nicht aus. Was man aber sehr wohl tun kann ist Teile zu modifizieren, neu zu kombinieren oder eine Variante zu probieren, die schon produziert, aber nicht getestet wurde. Sebastian Risse: «Man hat da immer ein paar Stoßrichtungen im Kopf, falls die Tendenz auf der Strecke in die eine oder die andere Richtung deutet.»
95 Prozent aller Neuerungen waren bereits in Sepang auf dem Bike, die letzten 5 Prozent, die noch nicht fertig waren, wurden rechtzeitig separat nach Doha geflogen. Von sämtlichen Zoll- oder Transport-Problemen unbeeindruckt sind Änderungen im Bereich der Elektronik. Sobald eine Idee programmiert wurde, wird der Knopf gedrückt, und die umgeschriebene Software ist am Bike. Einige dieser Änderungen wurden in den letzten Tagen vorbereitet. Wir erinnern uns: Jack Miller klagte gegen Ende des Tests, dass die KTM hinten zum Auskeilen neigte, «an der Grenze zum Highsider».
Software-Updates werden daheim im Werk geschrieben, über Plattformen wie SharePoint geteilt und vor Ort in der Box aufgespielt.
Wie sieht das konkrete Programm für den zweiten Pre-Season-Test am 19. und 20. Februar aus? Risse nennt folgende Prioritäten: Testen von Teilen, die in Sepang noch keine Priorität hatten – also solche, die nicht homologiert werden müssen. Weiters Testen von Teilen mit mehreren Fahrern, die bislang nur einer probiert hat. Dann Testen von Teilen, die man bislang wegen des straffen Zeitplans und der kontingentierten Reifen gar nicht probieren konnte. Und schließlich jene «vier, fünf» Neuerungen, die erst zum Katar-Test fertig wurden und direkt aus Österreich in die Wüste geflogen werden. «Wir haben immer mehr Sachen vor Ort, als wir probieren können», beschreibt Sebastian Risse das Dilemma der Techniker auf der Suche nach den letzten Zehntelsekunden.