Gigi Dall’Igna: «Alle dachten, es wäre der Motor»
Obwohl Aprilia und KTM den Abstand zu Ducati verkleinern konnten, ist die Desmosedici immer noch das beste Motorrad in der MotoGP. Im Interview mit SPEEDWEEK.com erzählte Ducati-Mastermind Gigi Dall’Igna, wie der Hersteller aus Bologna den Weg an die Spitze schaffte und die japanischen Hersteller dorthin zurückkommen können.
Ducati hat in den letzten beiden Jahren den Fahrer-Titel geholt und die japanischen Hersteller in der Meisterschaft zurückgedrängt. Was ist die nächste Herausforderung für Gigi Dall’Igna?
Die Herausforderung besteht darin, auf diesem Level zu bleiben. Gewinnen ist die eine Sache, weiterhin zu gewinnen, die andere. Wir wollen in den anspruchsvollsten Meisterschaften, der MotoGP- und Superbike-WM, weiterhin bestehen – und das nicht nur für zwei, sondern für fünf oder sechs Jahre.
Wäre es denkbar, dass Gigi Dall’Igna in Zukunft für einen anderen Konstrukteur arbeitet, zum Beispiel in Japan?
Nein, das glaube ich nicht. Ich habe sehr hart gearbeitet, um hierher zu kommen und die Ergebnisse zu erzielen, die wir gemeinsam erreicht haben.
Aber es gab in der Vergangenheit sicher Kontakte mit anderen Marken?
Ja, ich wäre ein Lügner, wenn ich nein sagen würde. Es gab mehrere Kontakte, aber letztendlich habe ich immer geglaubt, dass Ducati für mich der beste Hersteller ist, mit dem ich arbeiten möchte.
Apropos japanische Marken: Was glaubst du, weshalb sich diese in der momentanen Situation befinden? Haben Honda und Yamaha dich unterschätzt, und als sie das wahre Level von Ducati erkannt haben, war es zu spät?
Ja, wahrscheinlich haben sie die Gegner unterschätzt und das ist immer ein Problem. Wenn man einen Gegner schlagen will, darf man ihn nicht unterschätzen. Und wenn man einen sehr starken Fahrer hat, führt dies oft dazu, dass man seine Gegner nicht auf demselben Level sieht – weil man denkt, dass man denjenigen hat, der die Probleme lösen wird. Aber auch wenn du einen Champion hast, musst du weiterarbeiten, denn du musst deinem Fahrer immer das bestmögliche Bike geben. Man muss aber auf alle seine Fahrer hören, um das Niveau des Motorrads zu steigern.
Glaubst du, dass sich die japanischen Ingenieure über die Schwächen ihres Bikes bewusst waren, oder lebten sie in einer Blase?
Ich denke Letzteres. Sie haben so viele Jahre gewonnen und dominiert. Es ist schwer zu glauben, dass man Grenzen hat, wenn man so sehr dominiert.
Du bist 2014 zu Ducati gekommen; bis zum Gewinn der Fahrer-Weltmeisterschaft war es eine lange Zeit. Wie lange brauchen die japanischen Werke, um aus ihrem Loch zu kommen?
Ja, es hat lange gedauert, bis wir die Weltmeisterschaft gewonnen haben, aber man darf nicht vergessen, dass wir bereits im ersten Rennen 2015 Zweiter und Dritter geworden sind und um den Sieg gekämpft haben. Wenn man die richtigen Ideen, die richtigen Leute und die richtige Organisation hat, kann man es meiner Meinung nach schnell schaffen.
Ducati hatte 2014 zu kämpfen, 2015 waren wir knapp dran an einem Sieg. 2016 haben wir dann zwei Rennen gewonnen und von da an jedes Jahr... wir kämpften um die Weltmeisterschaft und darum, die Nummer 1 zu sein – uns fehlte nicht viel. Das Ziel eines Motorradherstellers muss sein, der Beste zu sein. Dann könnten auch die Japaner, wenn sie sich richtig organisieren, in kurzer Zeit wieder konkurrenzfähig werden... Ducati hat es seinerzeit bewiesen.
Was ist an der Aussage dran, dass die Aerodynamik derzeit so wichtig ist, weil die momentanen technischen Vorschriften die Entwicklung in anderen Bereichen einschränken? Die Motoren sind auf einem ähnlichen Niveau, die Elektronik ist für alle gleich... geht deshalb der einzige Weg über die Aerodynamik?
Das MotoGP-Reglement ist seit 2011 stabil geblieben, das ist eine lange Zeit. Die Aerodynamik ist eines der wenigen Dinge – zusammen mit dem System zur Höhenverstellung des Motorrads –, das erst vor kurzem entwickelt wurde. Deshalb gab es mehr Spielraum, um Lösungen zu finden. Alle arbeiten schon seit langem daran und alles hat sich auf einem sehr hohen Niveau eingependelt – da ist es schwer, einen Unterschied zu machen.
Von all den Innovationen, die du in der MotoGP eingeführt hast, waren einige deutlich sichtbar, wie die Aerodynamik. Das System zur Höhenverstellung war es nicht – macht Ducati dort den Unterschied?
Diesbezüglich sind wir immer noch die Besten, denn unser System funktioniert generell etwas besser als die anderen. Aber ich denke, dass wir in den nächsten zwei Jahren auch da das Limit erreichen werden. Bis dahin werden die anderen zu uns aufgeschlossen haben.
Wie lange haben eure Konkurrenten gebraucht, um zu erkennen, dass ihr dieses System überhaupt habt?
Meiner Meinung nach haben sie zwei Jahre dafür gebraucht. Alle dachten, es wäre der Motor, der uns auf den Geraden so schnell machte – in Wirklichkeit war es etwas anderes.