BMW-Rennchef: «Nicht ein- und wieder aussteigen»
BMW-Rennchef Sven Blusch ist großer MotoGP-Befürworter
Seit der Jahrtausendwende wurden bei BMW immer wieder Überlegungen angestellt und Konzepte erarbeitet, um in die Formel 1 des Zweiradrennsport einzusteigen.
Es gab 2002 die 990-ccm-Dreizylinder bei Oral Engineering mit Testfahrer Luca Cadalora. Zu Weihnachten 2006 versprach Dr. Herbert Diess, damals Geschäftsführer von BMW Motorrad, in München Carmelo Ezpeleta von Promoter Dorna per Handschlag den Einstieg in die neue 800-ccm-Klasse im Jahr 2007.
Auch beim nächsten Hubraumwechsel 2012 machte BMW Anstalten für einen Einstieg in die MotoGP-WM, zumindest als Motorenlieferant.
Durch die Bereitstellung der offiziellen Autos und den «BMW MotoGP Best Qualifier Award» ist die BMW M GmbH seit bald 20 Jahren Bestandteil der MotoGP-WM. Mit dem Boxer-Cup als GP-Rahmenrennen gab es schon vorher Berührungspunkte mit der Dorna, aber zu einem MotoGP-Einstieg ließen sich die Weiß-Blauen nie hinreißen.
Ab der Saison 2027 gibt es erneut ein neues MotoGP-Reglement, dann wird der Hubraum von 1000 auf 850 ccm gesenkt. Markus Flasch, seit 1. November 2023 Leiter von BMW Motorrad, sagte bei seinem Antrittsbesuch in der Superbike-WM im März in Barcelona: «Wenn alle bei null anfangen, ist der Zeitpunkt zum Einsteigen.»
BMW und MotoGP ist bislang keine Geschichte mit Happy End, entsprechend groß sind die Zweifel und Vorbehalte, wann immer ein Geschäftsführer der Bayerischen Motoren Werke vom Einstieg in die Königsklasse redet. Flasch würde den MotoGP-Einstieg nicht allein verantworten, er möchte dafür die Unterstützung des Vorstands der BMW AG. Aus dieser Richtung sind bislang aber keine positiven Signale an die Öffentlichkeit gedrungen.
Sven Blusch, seit 1. Juni neuer Rennchef bei BMW Motorrad und ein langjähriger Weggefährte von Flasch aus dessen Zeit bei der M GmbH, ist ebenso wie der Salzburger ein Motorradenthusiast und trägt dessen Ideen mit.
«Wenn ich mir die Strategie anschaue, dann ist das ein Thema, auf das jeder Motorsportchef Lust hat», sagte der Diplom-Ingenieur im Vier-Augen-Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Das ist die eine Seite. Die andere ist: Können wir das bei uns im Konzern umsetzen oder nicht. Wir machen nichts, ohne dass es in die Gesamtstrategie des Vorstands passt, das ist extrem wichtig. Wir wollen nicht irgendwo einsteigen und dann wieder aussteigen. Ein wichtiger Punkt für Markus und auch für mich ist, dass es für lange Zeit Bestand hat. Es soll in unsere Kommunikation und Marketingstrategie eingebunden und unabhängig von Personen im Vorstand oder CEOs sein. Es soll etwas sein, wo alle verstehen, dass es Sinn macht.»
«Die wichtigste Geisteshaltung muss sein, dass man nicht denkt, Motorsport kostet nur Geld», unterstrich Blusch. «Die Mentalität muss sein, dass der Motorsport hilft, um zu wachsen. Wachstum ist das wichtigste Stichwort. Es gibt Märkte, in denen wir noch nicht so vertreten sind, wie wir vertreten sein wollen. Wir haben in der Zukunft einen großen Blick Richtung Amerika und Asien. Andere Konzerne haben vorgemacht, wie Motorsport als Werkzeug genutzt werden kann, um Märkte zu erobern. Einer der Schlüsselfaktoren im Motorsport ist für mich, dass man mehr die Menschen in den Vordergrund bringen, Geschichten erzählen und die Fanbasis mehr an uns binden kann. Das beste Beispiel dafür sehen wir auf der Formel-1-Seite mit ‚Drive to survive‘. Als Hersteller wirst du nie so viel Reichweite generieren, wenn es allein um das Produkt geht. Aber wenn du Charaktere wie einen Toprak hast – der hat so viel Strahlkraft für die gesamte Marke, wir sollten das noch mehr nutzen.»
Geht es im Motorsport für einen Hersteller nicht gerade darum, die technische Brillanz in den Vordergrund zu stellen? Fahrer kommen und gehen.
«Ich glaube, es ist die Kombination», hielt der BMW-Rennchef fest. «Du musst alle Bereiche abdecken. Wenn es die technische Brillanz ist, dann hast du die Entwicklungsabteilung voll auf deiner Seite. Das Thema nutzen wir. Motorsport ist für mich aber mehr. Wir können auch die Personen sehr gut verkaufen, damit holst du Marketing und die Kommunikation mit an Bord. Wir sollten jeden Aspekt des Motorsports nutzen, nicht nur einen Bereich. Das ist der Ansatz, den wir gerade versuchen umzusetzen.»
2019 kehrte BMW werksseitig in die Superbike-WM zurück, in der laufenden Saison ist der deutsche Hersteller mit Toprak Razgatlioglu zum Maßstab geworden. Der Türke hat von 18 Rennen 15 gewonnen, die vergangenen 13 in Folge. Vor dem nächsten SBK-Event in Magny-Cours/Frankreich am 6.–8. September liegt er in der Gesamtwertung beruhigende 92 Punkte vor dem Zweiten Nicolo Bulega (Ducati).