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Magneti Marelli: Werke wettern wegen Einheits-ECU!

Von Günther Wiesinger
Die Einheits-Elektronik von Magneti Marelli

Die Einheits-Elektronik von Magneti Marelli

Die Einführung der Einheits-Elektronik von Magneti Marelli erhitzt die Gemüter. Was führen die Italiener im Schilde?

Bei den MotoGP-Herstellern Honda, Yamaha, Suzuki und Ducati herrscht riesige Aufregung, weil sie 2014 alle die Elektronik-Hardware von Magneti Marelli verwenden müssen, für die sie ihre eigene Software schreiben sollen.

 

Für diese Saison verwenden die Claiming-Rule-Teams wie Avintia-Blusens, Forward Racing, Iodaracing und Paul Bird Motorsport (dort nur Michael Laverty) die komplette ECU von Magneti Marelli – also Hardware und Software. Ein Set dieses Pakets ist für jedes Privatteam kostenlos und trägt die Bezeichnung AGO-340.

So ein Set umfasst: Ecu, Dashboard und einen Schräglagensensor.

Alle Ersatzteile und die Verschleissteile für Prüfstandtests müssen teuer gekauft werden; für die Software gibt es nur zwei Lizenz-Keys pro Fahrer.

Die Elektroniker der CR-Teams haben schon beim ersten Sepang-Test (5. Bis 7. Februar) bemängelt, dass Magneti Marelli nicht über genügend Algorithmen für eine High-end-Motorradsteuerung verfügt.

Denn die Algorithmen, die beispielsweise die Elektroniker von Yamaha geschrieben haben, gehören Yamaha. Übrigens: Als Algorithmen bezeichnet man alle Programme, die ein Techniker auf einen Rechner einspielt. Bei einem Rennmotorrad geht es um Programme (im Berufsleben nützt man zum Beispiel Word, Excel, Fotoshop) für Traction-Control, Wheelie-Control und so weiter.

Um die Sammlung der Daten beziehungsweise um die Bedatung muss sich jedes CR-Team selber kümmern, auch wenn Magneti Marelli Grundbedatungen mitliefern könnte. Das Ergebnis: Colin Edwards verlor beim ersten Test fast zwei komplette Tage, Michael Laverty beim zweiten.

Analogie: In Word gibt es Textvorschläge für eine Kündigung, ein Anschreiben, eine Bewerbung und so weiter. Eine Bedatung wäre zum Beispiel die persönliche Kündigung....

Magneti Marelli brüstet sich momentan mit Daten und Programmen , über die sie gar nicht verfügen.

Nehmen wir die Wheelie-Kontrolle als Beispiel. Ein simples System würde einfach die Power kastrieren, sobald das Vorderrad vom Boden abhebt und die Power erst wieder freigeben, sobald das Vorderrad wieder Bodenkontakt hat. Eine intelligente Wheelie-Control nimmt weniger  Power weg, damit das Vorderrad immer circa fünf Zentimeter über dem Boden bleibt. «Wie man das macht, das bezeichnet man als Algorithmus», hält Data-Recording-Professor Dirk Debus von der Firma 2D fest.

Die Magneti Marelli-Techniker standen einst im Verdacht, Knowhow  bei Firmen wie Yamaha abgestaubt und dann an Kontrahenten weitergereicht zu haben.

Yamaha programmiert seither die gesamte Software sicherheitshalber selber, Suzuki arbeitet mit Mitsubishi Electronics zusammen. Auch Honda setzt eine hauseigene Elekronik ein; Aprilia tut es ebenfalls. «Wir sollen jetzt unser geballtes Know-how an Magneti Marelli weiterreichen», ärgert sich ein namhafter MotoGP-Elektroniker, der den Italiener Corrado Cecchinelli, den Director of Technology bei der Dorna, als Sündenbock hinstellt. Denn der Italiener hat diesen Unsinn mit der Einheits-ECU zu verantworten.

Magneti Marelli wird jetzt vorgeworfen, sie möchten sich durch die kostengünstige Herausgabe von kostenloser Hardware das Knowhow sämtlicher Werke aneignen.

Ausser Cecchinelli versteht niemand den Sinn dieses undurchschaubaren Deals, den er da mit Magneti Marelli eingefädelt hat. Schon bei der Einheits-ECU für die Moto3-WM, die zufällig auch von einem italienischen Hersteller kommt (Dell’Orto), war Kritik an Cecchinelli laut geworden.

«Mit Geldsparen hat die Idee einer Einheits-ECU jedenfalls gar nichts zu tun», wettert ein Kritiker. «Meiner Ansicht nach will Magneti Marelli einfach Wissen anzapfen und dann die weltweit beste Motorradsteuerung anbieten.»

«Die für die Claiming-Rule-Teams angebotene ECU befindet sich in einem extrem banalen Zustand», reklamierte ein CR-Techniker. «So ein Gerät kannst du für 2000 bis 4000 Euro kaufen. Es wird also kein Geld gespart.»

Damit wir uns richtig verstehen: Magneti Marelli verfügt über eine sehr gute Hardware, das Gerät selber ist also gut. Aber die Software müssen die Teams selber herbeischaffen. Auserdem ist das Märchen mit der kostenlosen ECU längst entlarvt: Magneti Marelli verlangt 12.000 für jedes zusätzliche Gerät.

«Wenn Magneti Marelli mal kapiert hat, wie man Algorithmen macht, kann diese Software beliebig oft kopiert werden. Es kostet ihnen dann den gleichen Betrag, ob diese Daten dann auf einen oder auf zehn  Rechner übertragen werden», verriet uns ein Elektronikspezialist.

Die Teams werfen Cecchinelli vor, er sei überheblich und arrogant und habe für sachliche Einwände kein offenes Ohr.

Besonders verärgert sind die Suzuki-Techniker. Sie haben nämlich für die MotoGP-Rückkehr inzwischen mit Mitsubishi eine massgeschneiderte Motorsteuerung für den neuen Reihen-Vierzylinder entwickelt. Um 2014 mit der Magneti-Marelli-Hardware fahren zu können, müssten alle Programme neu geschrieben werden. Die dabei entstehenden Kosten interessieren bei der Dorna niemanden. Cecchinelli offenbar schon gar nicht.

Es ist Allgemeinwissen, dass sich ein Rennmotorrad von der Fahrdynamik her nicht wesentlich von einem Strassenmotorrad unterscheidet. Jedenfalls wesentlich weniger als ein Formel-1-Auto von einem Strassenauto. Deshalb lohnen sich die Ingenieursstunden, die bei den Motorradherstellern für eine eigene Software aufgewendet werden, jederzeit. Mitsubishi müsste zum Beispiel nur eine leicht abgespeckte Version der MotoGP-Elektronik für eine Wheelie-Control an der Suzuki GSX-R 1000 entwickeln. Wie es BMW mit der Wheelie-Control an der S 1000RR vorexerziert hat.

Die Werke sprechen von einer grossen Ungerechtigkeit und von einem Schlag ins Gesicht, wenn von der Einheits-ECU die Rede ist. Honda, Yamaha, Suzuki und Ducati kostet der Umstieg auf die Magneti-Marelli-Hardware ein Vermögen.

Ducati-Techniker Roberto Cane hat bereits angekündigt, er wolle zum Beispiel das von Marelli angebotene Dashboard nicht verwenden. Denn das von Ducati selbst entwickelte Serien-Dashboard kostet wegen der grossen Stückzahlen nur rund 60 Euro. Die Teams schätzen, Marelli werde für ihr Dashboard mehr als 1000 Euro verlangen.

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