Cal Crutchlow: «Wie oft siegte ein Privatfahrer?»
Durch seine Unterschrift unter dem lukrativen Vertrag für 2014 und 2015 bei Ducati wird Cal Crutchlow im nächsten Jahr erstmals in der MotoGP-WM als Werksfahrer unterwegs sein. Wir haben uns in Indianapolis exklusiv mit dem Briten aus dem Team Monster Yamaha Tech3 unterhalten.
Cal, hast du Verständnis, dass viele Fans und Pressevertreter den Wechsel zu Ducati kritisch betrachten?
Ich denke nicht, dass es Kritik ist. Die Leute sind einfach neugierig zu wissen, warum ich Yamaha verlasse. Ich verlasse Yamaha, weil es keinen Raum mehr gab für mich, um mich vorwärts zu bewegen. Yamaha hatte mir einen Vertrag für nächstes Jahr offeriert. Ich wäre geblieben für ein weiteres Jahr. Aber Yamaha hat bereits angekündigt, wenn Valentino und Jorge dann noch ein Jahr bleiben wollen, können sie bleiben. Ich wäre also in einem Jahr in der gleichen Situation wie jetzt gewesen.
Durch die Erfolgslosigkeit in den letzten Jahren gilt ein Wechsel zu Ducati sportlich als Abstieg.
Ich denke, dass es ein gutes Team ist. Es braucht neue Motivation, hoffentlich kann ich diese einbringen. Ich bin von meinem Wechsel begeistert.
Valentino Rossi scheiterte 2011 und 2012 am mangelnden Gefühl für die Front des Desmosedici. Ist das ein Problem, mit dem du im Gegensatz zu ihm besser umgehen könntest?
Dieses Problem haben sie auch dieses Jahr. Ich glaube nicht, dass ich damit umgehen könnte. Aber ich kann dazu nicht einen Kommentar abgeben. Ich kann nicht hinstehen und sagen, ‹oh, dieses Motorrad hat dieses Problem, und das, und das und das›. Denn ich bin nie damit gefahren. Also ist es für mich sinnlos zu sagen, ‹Valentino hatte Probleme mit der Front, Andrea hatte Probleme mit der Front, Nicky hat Probleme am Heck und an der Front›, oder was auch immer sie haben. Ich kann es nicht beurteilen, denn ich bin das Motorrad nicht gefahren.
Ich bin ein anderer Fahrer. Vielleicht ist es für mich kein Problem mit der Front, aber es taucht etwas anderes auf. Es wird etwas total anderes sein. Ich muss abwarten und dann sehen. Ich kann nichts über andere Maschinen und Fahrer sagen. Natürlich haben sie nicht die Resultate vorzuweisen, die sie haben wollen. Hoffentlich kann ich das Ruder herumreissen.
Hattest du vor der Vertragsunterschrift auch Kontakt zur Chefetage von Audi, dem Besitzer von Ducati?
Nein, ich habe nur mit Claudio (Anm.: Ducati-CEO Claudio Domenicali) gesprochen, ich habe direkt mit ihm verhandelt. Ich muss mit niemanden von Audi sprechen. Ich muss nicht den Boss von Audi anrufen und sagen, ‹gib mir den Job›. Sie wollen sich ja auch verbessern, und müssen es auch.
Wünschst du dir, dass dein Tech3-Crew-Chief Daniele Romagnoli auch das Team wechselt?
Ja, ja. Ich weiss aber nicht, wie gross die Chance auf seinen Wechsel ist, frag ihn selber… Aber er ist interessiert. Es wäre sehr wichtig für mich, ich will dass er mitkommt. Er hat aus mir in den letzten drei Jahren einen guten Fahrer gemacht. Wenn ich wünschen könnte, würde ich meine komplette Box mitnehmen! Und auch gleich den Teammanager (Anm.: Tech3-Teamchef Hervé Poncharal).
Es gibt Stimmen, die sagen, du verlässt freiwillig ein siegfähiges Motorrad. Aber ist die Tech3-Yamaha überhaupt eine siegfähige Maschine?
(überlegt) Wenn du Jorge bei gewissen Rennen auf mein Motorrad setzen würdest, könnte er vielleicht immer noch gewinnen. Aber ich glaube nicht, dass er damit die WM gewinnen könnte. Denn: wie oft in den letzten 20 Jahren hat ein Privatfahrer ein Rennen gewonnen? Es sind nicht sehr viele. Auch ein Toni Elias hatte 2006 Werksmaterial, glaube ich. Deshalb denke ich, dass Jorge vielleicht Rennen gewinnen könnte, aber nicht die Meisterschaft.
Für Indy hast du neues Material bekommen, wie etwa denselben Tank wie ihn das Werksteam einsetzt. Du bist normalerweise im Qualifying und gegen Ende des Rennens, wenn mit leerem Tank gefahren wird, schnell unterwegs. Gibt es mit vollem Tank noch Probleme?
Ich habe einfach nicht das allerbeste Gefühl damit. Ich denke nicht, dass es nur am vollen Tank liegt, ich muss mich auch in anderen Bereichen verbessern. Ich habe noch kein gutes Setting gefunden. Wir haben eine sehr gute Abstimmung für die Schlussphase der Rennen, aber am Anfang fehlt es noch ein wenig. Wir machen immer einen Kompromiss. Letztes Jahr hatten die Werksfahrer dasselbe Problem.
Kannst du mit dem Fahrstil etwas ausrichten?
Es liegt am Setting, aber ich muss auch verbessern. Nicht nur das Bike muss besser werden, auch im muss mich verbessern.
Auch deine Starts sind noch ausbaufähig?
Ja, das ist auch ein Bereich, an dem wir arbeiten müssen. Ich bin sicher, dass ich auf diesen Bereich wert legen muss. Aber: Ich kann dieses Bike (Anm.: sein Kinn deutet auf seine in der Box stehende Tech3-Yamaha) nicht starten, in der Superbike und Supersport hatte ich nie Probleme. Vielleicht geht es nächstes Jahr mit Ducati einwandfrei!