Giacomo Agostini: Die Legende kommt nach Misano
Wenn der MotoGP-Zirkus zum Misano-GP übersiedelt, wird dort auch der legendäre Giacomo Agostini seine Aufwartung machen. «Ago nazionale» ist in Italien immer noch eine Institution, obwohl sein letztes Rennen inzwischen 36 Jahre zurückliegt.
Agostini wird in Misano sogar zu einer Buch-Präsentation einladen.
Er ist der erfolgreichste Rennfahrer der Geschichte, er hat 122 GP-Siege und 15 WM-Titel angehäuft. Rossi hält bei neun Titel und 106 Siegen. «Ich muss nicht zuletzt deshalb noch 2015 und 2016 fahren, damit Ago ein bisschen erschreckt und um seinen Rekord zittert», sagte Rossi im Juli schmunzelnd im SPEEDWEEK.com-Exklusiv-Interview.
In den 1960er und 1970er-Jahren spielten die Medien eine wesentliche geringere Rolle als heute, die Rennen wurden im Fernsehen nur sporadisch übertragen.
Trotzdem stieg Ago zu einem Botschafter des Motorradsports auf. Er galt als Idol, eilte als Werksfahrer von MV Agusta in den Klassen 350 und 500 ccm von Sieg zu Sieg, hatte aber auch jahrelang keine ernsthaften Gegner.
Seine Familie war gegen den Motorradsport. Giacomos Vater konnte den Jüngling aber nicht abhalten, als er sich eines Tages beim Bergrennen Trento–Bondone auf eine bescheidene Morini 175 Settebello schwang – und Platz 2 belegte.
Ein Jahr später wurde Agostini von Morini für die italienische Meisterschaft verpflichtet. Er gewann sie 1964, nahm dann am GP der Nationen in Monza teil, seinem ersten WM-Lauf – und wurde in der 250er-Klasse Vierter.
Dadurch wurde Graf Domenico Agusta auf den aufstrebenden Rennfahrer aufmerksam, er stellte Agostini dem aktuellen 500-ccm-Weltmeister Mike «the Bike» Hailwood zur Seite,
Agostini feierte sein Debüt in der 500er-WM 1965, er trat gleichzeitig in der 350er-WM an. Auf dem gefürchteten, 22,8 km langen Nürburgring gelang ihm der erste von drei Siegen in dieser Saison. Er wurde hinter Hailwood Vizeweltmeister.
Agostini hatte den ersten Schritt zur Legende vollzogen, Hailwood rauschte Richtung Honda ab. «Ago» wurde zur unumstrittenen Nr. 1 bei MV Agusta. Er heimste sieben 500er-Titel hintereinander ein, ein Rekord für die Ewigkeit.
Zwischen 1966 und 1972 dominierte Agostini die Weltmeisterschaft nach Belieben. Neben den sieben 500-ccm-Kronen räumte er auch fünf 350er-WM-Titel in Serie ab. Die epischen 500er-Kämpfe gegen Hailwood und Phil Read gingen in die Geschichte ein. In der 350er-WM hiessen die Herausforderer Jarno Saarinen und Renzo Pasolini.
Die tragischen Todesstürze dieser beiden Rivalen in Monza im Mai 1973 machten Agostini lang zu schaffen.
Phil Read gewann als Agos Teamkollege bei MV Agusta 1973 den ersten 500-ccm-Titel, Agos Glanz begann zu bröckeln. Darin ist eine Parallele zu Valentino Rossi zu sehen, der am Höhepunkt seiner Karriere bei Yamaha von Lorenzo in den Schatten gestellt wurde.
Während Rossi trotzig zu Ducati abwanderte, ging Agostini damals zu Yamaha. Er wurde dort 1975 neuerlich 500-ccm-Weltmeister. Es war sein letzter. Dazu gewann er das Daytona 200 und den 350er-WM-Titel 1974 für Yamaha.
Giacomo Agostini blickt auf eine der längsten Karrieren im Motorradsport zurück. 17 Jahre lang fuhr er auf dem höchsten Niveau.
Und er gewann sein letztes WM-Rennen 1976 genau dort, wo er auch den ersten Sieg gefeiert hatte – auf dem Nürburgring.
Dem leidenschaftlichen Rennfahrer Agostini kamen die Tränen, als er im August 1977 beim 750-ccm-WM-Lauf auf dem Salzburgring im Alter von 37 Jahren erstmals der Möglichkeit eines Rücktritts ins Auge sehen musste. Yamaha hatte ihn Ende 1975 aus dem Werksteam entlassen, er vagabundierte 1976 und 1977 mit einem eigenen Team durch die WM, fuhr abwechselnd im selben Jahr eine private Yamaha 750, eine Suzuki und eine Yamaha 350.