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Tech3-Chef Poncharal: «Wir haben keinen Leader»

Von Günther Wiesinger
Teamchef Hervé Poncharal mit Cal Crutchlow

Teamchef Hervé Poncharal mit Cal Crutchlow

Tech3-Yamaha-Teamchef Hervé Poncharal erwartet spannende Fights zwischen Pol Espargaró und Bradley Smith. Der Abgang von Cal Crutchlow liess sich nicht verhindern.

Der Franzose Hervé Poncharal ist Besitzer des Tech3-MotoGP-Teams mit Pol Espargaró und Bradley Smith, dazu betreibt er einen Moto2-Rennstall mit Eigenbaumaschinen der Marke Mistral 610 – für die Piloten Marcel Schrötter und Alex Mariñelarena.

Ex-Rennfahrer Poncharal gründete das Tech3-Team 1990 mit Guy Goulon und Bernard Martignac. Es begann in der 250er-WM mit Honda und Suzuki, 1999 wurde der erste Vertrag mit Yamaha geschlossen.

Im Jahr 2000 gewann Olivier Jacque die 250er-WM bei Tech3-Yamaha um Haaresbreite vor seinem Teamkollegen Shinya Nakano.
Seit 2002 ist Tech3 mit Yamaha in der Königsklasse vertreten.
Die Zusammenarbeit mit Yamaha wurde immer enger. Inzwischen bildet Tech3 das Junior-Team und baut Talente für das Werksteam auf.

Drei Jahre lang fuhr Colin Edwards bei Tech3, weil er im Factory-Team 2008 Platz für Jorge Lorenzo machen musste. Sein Teamkollege war damals James Toseland, der 2010 seinen Sitz für Ben Spies räumen musste – nach dem Titelgewinn bei den Superbikes.

Zuletzt fuhr Cal Crutchlow drei Jahre bei Tech3-Yamaha.
SPEEDWEEK.com hat Hervé Poncharal zum Interview gebeten.

Hervé, du warst zuerst ziemlich enttäuscht, als Yamaha Cal Crutchlow zu Ducati gehen liess, weil er in deinem Team jederzeit für die erste Startreihe und einen Podestplatz gut war. Aber beim Valencia-Test war Bradley Smith Zweiter, Espargaró als Neuling gleich Achter. Kannst du mit diesen beiden Piloten ähnliche Resultate erzielen wie 2013 mit Cal?

Ich muss zwei Dinge vorausschicken. Als Mensch musst du Gefühle haben, und ich bin kein Roboter. Deshalb ist mir Cal in den drei Jahren ans Herz gewachsen. Nicht nur seine Resultate wurden besser, auch unser Verhältnis.
Ich habe im Vorjahr mit Cal viel Freude gehabt. Unsere Zusammenarbeit mit ihm war sehr gut, auch das Leben mit Cal und Lucy war von viel Freude geprägt.
Wenn alles klaglos läuft, ist es immer traurig, wenn ein Verhältnis zu Ende geht.
Deshalb habe ich alle Möglichkeiten abgeklärt, die eine weitere Zusammenarbeit mit Cal für 2014 machbar erscheinen liessen. Gleichzeitig hatte ich immer Verständnis für seine Pläne. Er wollte zu diesem Zeitpunkt seiner Laufbahn – mit 27 Jahren – unbedingt in ein Werksteam.
Irgendwann hat mich Cal letztes Jahr gefragt: ‹Was würdest du an meiner Stelle tun, Hervé?›
Ich habe entgegnet: ‹Wenn ich die Möglichkeit hätte, die du hast, würde ich weggehen. Geh’ in ein echtes Werksteam.› Cal hat drei Jahre bei uns verbracht. Vielleicht hat er 2013 das Maximum von der Performance erreicht, die man in einem Kundenteam erreichen kann, mit dem Motorrad das wir haben und mit dem Potenzial, das er als Fahrer mitbringt.
Wenn du dich immer anstrengst, anstrengst und wieder anstrengst, aber an den Resultaten ändert sich nichts, leidet irgendwann deine Motivation auf der Piste. Du wirst dann schwächer.
Cal hat eine neue Herausforderung gebraucht, dessen war ich mir bewusst. Er war besessen davon, 2014 ins Yamaha-Werksteam zu kommen. Aber das war aussichtlos, weil Jorge und Valentino dort für 2014 gesetzt waren.
Dann tat sich diese andere Möglichkeit auf, er sieht das als grosse Herausforderung.
Sicher: Ducati ist im Moment nicht so schnell wie Honda und Yamaha. Aber er sieht dort eine Herausforderung. Ich habe diese Entscheidung unterstützt, weil ich sie verstanden habe.

Es spielte natürlich auch das Geld eine bedeutende Rolle. Cal soll ein Basisgehalt von 5 Millionen für zwei Jahre erhalten.
Als Teammanager weiss ich, dass unsere Position innerhalb der Yamaha-Organisation die Rolle des Rookie-Teams ist. Wir sind hier, um die Zukunft für Yamaha vorzubereiten. Wir haben das zum Beispiel ein Jahr lang mit Ben Spies gemacht.
Ich bin sehr happy über die Art der Zusammenarbeit mit Yamaha und den Mitarbeitern der Rennabteilung. Ich stehe in sehr engem Kontakt mit Rennchef Lin Jarvis; wir tauschen uns dauernd aus.
Es macht Sinn für uns, zwei junge Rookies zu haben. Im Vorjahr kam Bradley Smith zu uns, er hat die MotoGP-Klasse entdeckt und gute Arbeit geleistet. Dazu haben wir jetzt Pol Espargaró bekommen. Das ist jener Fahrer, der 2012 als einziger Moto2-Pilot in der Lage war, Marc Márquez regelmässig unter Druck zu setzen. Pol ist ein aufregender Fahrer.
Er ist auch ein aufregener Fahrer für Yamaha, was die Zukunft des Werksteams betrifft. Er hat bereits einen Werksvertrag. Das ist eine spannende Situation.

Und wenn Rossi Ende 2014 aufhört, wird Pol Espargaró im Yamaha-Werksteam landen?
In unserer Welt sind immer wieder Veränderungen nötig. Wenn es bei den Werksteams von Honda, Yamaha und Ducati nie Veränderungen bei den Fahrern gäbe, wäre das langweilig für die Medien und langweilig für die Fans. Also brauchen wir Veränderungen, wir brauchen Action.
Als Valentino von Honda zu Yamaha gewechselt ist, war das eine grosse Nummer. Als er von Yamaha zu Ducati ging, war die Aufregung neuerlich gross. Als er zu Yamaha zurückkam, geschah der nächste Wirbel. Alle waren neugierig.
Solche Schlagzeilen sollten auch andere Fahrer machen.
Ich bin sehr gespannt, was unsere Fahrerpaarung 2014 zustande bringen wird. Ich habe immer schon gerne mit Nachwuchsfahrern zusammen gearbeitet. Ich glaube, Bradley und Pol werden sich 2014 gegenseitig sehr stark anspornen. Sie haben einen ähnlichen Lebenslauf; sie sind zu Beginn ihrer Karriere in Spanien gefahren, sie sind von der 125er in die Moto2 aufgestiegen. Jetzt treffen sie sich in der MotoGP bei Yamaha und Tech3 wieder...
2013 war Bradley ganz klar der Rookie; er hat Cal jederzeit als Teamleader akzeptiert. 2014 haben wir keinen Leader. Wir haben zwei sehr starke Rookies. Sie werden identisches Material haben. Es wird an ihnen liegen, sich im Team durchzusetzen und ihren Teamkollegen zu besiegen.
Das wird auf der Piste sehr aufregend, für die Medien, für die Fans. Das wird eine gute Show.
Es wird auch für mich spannend. Aber die Situation wird manchmal für mich schwierig zu kontrollieren sein. Ich muss mehr Aufmerksamkeit darauf legen als in jedem anderen Jahr, dass ich beiden Fahrern jeweils 50 Prozent meiner Zeit widme. Dass ich brav in der Mitte stehe und niemanden bevorzuge. Ich darf nicht 51 Prozent der Zeit in der einen Box verbringen und 49 in der anderen.

Wird das ähnlich werden wie 2012? Da sind Dovizioso und Crutchlow bei dir gefahren. Sie hatten auch ein sehr ähnliches Niveau.
Ja, aber Dovizioso kam aus dem Repsol-Honda-Werksteam, er kam als WM-Dritter. Cal hatte erst ein Jahr in der MotoGP hinter sich, Dovi schon vier. Als Dovi kam, hatte Cal viel Respekt vor ihm. Er hat sich zwar bemüht, ihn zu besiegen. Aber Cal hatte viel Respekt vor Dovi. Und Dovi war der Leader des Teams.

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