Carmelo Ezpeleta: «Situation mit Ducati ist passiert»
Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta
Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta wurde vor dem Saisonauftakt in Katar von allen Seiten kritisiert, weil das Ducati-Werksteam plötzlich alle technischen Vorzüge der Open Class nützen durfte – und dazu noch ihre eigene Software für die ECU von Magneti Marelli.
SPEEDWEEK.com hat den mächtigen MotoGP-Zampano zum Exklusiv-Interview getroffen und ihm ein paar kritische Fragen gestellt.
Carmelo, eigentlich waren die technischen Zugeständnisse der Open Class nur für die armen Privatteams mit den Superbike-Rennmotoren vorgesehen. Jetzt profitieren auch Ducati und Forward-Yamaha mit ihren Prototypen davon. War das so geplant? Oder gab es ein Schlupfloch im Reglement?
Ende 2012 haben wir dieses Reglement für 2014 vereinbart, damals ging es noch um die Claiming Rule Teams (CRT), es hiess noch nicht Open Class. Wir sagten: Lass uns den Teams und Fahrern, die sich für die Einheits-ECU entscheiden, ein paar Vorteile einräumen.
Damals war natürlich von Ducati keine Rede.
Erst Ende 2013 hat uns Ducati angefragt, ob sie 2014 in der Open Class fahren könnten, wenn sie die Einheits-Elektronik einbauen.
Wir haben das Reglement durchstöbert und gesagt: Es steht nirgends, dass wir euch daran hindern können.
Eigentlich war vorgesehen, dass die Factory-Teams 2014 die Einheits-Hardware von Magneti Marelli verwenden, aber ihre eigene Software. Die Open-Teams müssen auch die Software von Marelli nehmen.
Wir haben damals festgelegt: Wer nicht die Einheits-Software verwendet, wird bestraft. Nur fünf Motoren statt zwölf, 20 statt 24 Liter, Motorenentwicklung eingefroren, keine weichen Hinterreifen, striktere Testverbote. Das sind Penaltys, ganz klar.
Auf diese Weise wollten wir immer mehr Teams zur Einheits-ECU locken.
Dann hat Ducati als Werk angefragt. Das kam unerwartet?
Wir sagten zu Ducati: Warum nicht. Sie haben dann angeboten, bei der Entwicklung der Einheits-Software mitzuhelfen. Wir haben das begrüsst.
Wir haben aber Ducati immer klargemacht: Die Grand Prix Commission hat das Recht, euch in der Open Class abzulehnen.
Gleichzeitig mussten wir auch Honda und Yamaha ähnliche Rechte einräumen, also habe ich mit den Japanern gesprochen. Ich habe sie informiert, dass Ducati eventuell am 28. Februar 2014 eine Nennung für die Open Class abgeben wird.
Ich habe Honda und Yamaha gesagt: Macht bitte Vorschläge zu diesem Thema, dann werden wir in der GP-Kommission entscheiden, ob wir die Ducati-Werksfahrer in der Open Class fahren lassen oder nicht.
Ducati hat dann bei der Entwicklung der Software kooperiert. Honda und Yamaha haben uns keine Vorschläge zu den Ducati-Open-Plänen geschickt.
Aprilia sagte: Wir sind auch daran interessiert, den Ducati-Weg einzuschlagen. Aber sie haben nichts unternommen – bis es zu spät war.
Bis 28. Februar konnte sich Ducati für die Open Class anmelden, das haben sie dann gemacht.
Inzwischen hatten wir die zweite Generation unserer Marelli-Software zum Sepang-2-Test gebracht, sie ist sehr gut. Dank der Hilfe von Ducati. Wir dachten: Diese Fortschritte werden der gesamten Open Class nützen.
Aber im zweiten Sepang-Test sagten die anderen Teams, diese Software sei für sie zu kompliziert.
Es gab auch Elektroniker bei Forward, die sagten, sie verzichten auf diese Software, weil sie zu fehlerhaft ist und zu knapp vor dem Saisonstart geliefert wurde.
Es wurde uns auf jeden Fall mitgeteilt, dass diese Software Ducati in der Open Class zu stark bevorzugen würde, weil sie damit jahrelang Erfahrung haben, die anderen Teams keine.
Dann haben wir uns mit Ducati unterhalten und gesagt: Ihr könnt diese Software 2014 nur verwenden, wenn ihr zustimmt, nicht in der Open Class anzutreten.
Denn inzwischen haben Honda und Yamaha gegen die Open-Class-Aufnahme von Ducati protestiert?
Ja. Dorna und FIM haben dann für die GP-Kommission einen neuen Kompromissvorschlag ausgearbeitet, der inzwischen mit ein paar kleinen Änderungen angenommen wurde. Ducati bleibt ein Factory-Team, aber da sie 2013 kein MotoGP-Rennen gewonnen haben, bekommen sie Erleichterungen und Zugeständnisse wie die Open-Teams. Nach den ersten Podestplätzen und Siegen gehen einige Vorteile wieder verloren.
War es ein Fehler, das Reglement so zu formulieren, dass Ducati eigentlich in die Open Class schlüpfen hätte können?
Nein, für mich war das kein Fehler. Wir haben erreicht, was wir erreichen wollten.
Ich will jetzt nicht behaupten, dass wir von vornherein so clever waren, um diese Situation heraufzubeschwören. Es ist halt passiert. Und das Endresultat ist sehr gut, denn das Feld ist näher zusammengerückt, Ducati ist konkurrenzfähiger geworden.
Wenn wir das Reglement damals nicht mit diesen Open-Vorteilen versehen hätten, wäre Ducati genau so weit hinten wie letztes Jahr. Mir gefällt die jetzige Situation besser. Und 2016 wird sich die Situation noch viel, viel besser darstellen. Dann werden alle Teams und Werke die Einheits-ECU verwenden.
Du sagst, die Situation sei sehr gut. Die TV-Kommentatoren müssen das dauernd mühsam erklären, die schreibende Zunft ebenfalls, von den Fans hat kaum noch jemand den Überblick. Du sagst zwar: Es geht im Rennsport nur darum, wer Erster, Zweiter oder Dritter wird. Aber wenn man dauernd erklären muss, dass Aleix Espargaró Erster ist, weil er mehr Sprit und weichere Reifen hat, wird es mühselig.
Ja, das ist komplett richtig. Aber wir haben unser Traumziel erreicht und für 2016 die Einheits-ECU vereinbart. Das ist sinnvoll, weil es die Chancengleichheit erhöht. Aber wir haben mit den japanischen Werken einen Kompromiss gefunden, mit dem alle leben können.
Meine Idee war, dass Ducati 2014 die Einheits-ECU verwenden muss, dann hätten sie in der Open Class fahren können. Honda und Yamaha waren dagegen. Da sich die Werke nicht einig waren, haben wir einen Kompromiss ausgehandelt. Jetzt haben wir die Einheits-ECU für alle Teams ein Jahr früher als geplant... Bisher wollten die Japaner nicht einmal für 2017 zustimmen.
Bei den technischen Vorschriften wird sich aber in den nächsten Jahren nicht viel ändern? Dafür willst du neue sportliche und kommerzielle Vorschriften einführen?
Ja, es muss in die Richtung gehen, wie wir sie jetzt bei Forward und beim Motorrad von Aleix Espargaró sehen. Aleix hat eine M1-Yamaha von 2013 oder 2012, ich weiss es nicht genau. Aber wir haben ihm die Möglichkeit gegeben, weichere Hinterreifen zu verwenden und vier Liter mehr Kraftstoff. Plötzlich ist ein Rennmotorrad konkurrenzfähig, das normalerweise längst verschrottet wäre. Und dieses Bike kostet das Team in diesem Jahr rund 1 Million Euro.
Von diesem System profitieren doch alle Beteiligten. Yamaha hat bisher immer Geld ausgegeben, um die Vorjahresmaschinen zu zerstören.
Jetzt bekommt Yamaha 1 Million Euro statt ein Paket Schrott – und erreicht Bestzeiten damit. Gleichzeitig hat Forward geringere Materialkosten als 2013 – und ist ganz vorne dabei. Bingo!