Tech3-Team: Mit 10 Tonnen und 32 Kisten nach Katar
Es ist der Moment, wenn die Motorsportwelt den Atem anhält. Die Startampel springt auf Grün, Tausende von PS explodieren förmlich, die MotoGP-Piloten schießen sich von ihren Startplätzen – hinein in eine Dreiviertelstunde voller Action und Dramatik.
Die besten Motorradpiloten der Welt und ihre spektakuläre Aufführung, 18 Mal im Jahr. Die ganze Welt schaut zu.
Wir aber schauen hinter die Kulissen. Wir gehen Backstage. Wir begleiten das Tech3-Team auf seiner Reise durch die Saison 2014. Dabei ermöglichen wir Ihnen, den SPEEDWEEK.com-Lesern, Einblicke, die ein MotoGP-Fan sonst nie erhält. Und wir stellen Ihnen jene Menschen vor, bei denen alle Fäden zusammen laufen.
Teil 1 unserer Serie beschäftigt sich mit den enormen logistischen und organisatorischen Anstrengungen die nötig sind, bevor sich an der Rennstrecke überhaupt ein Rad dreht. Bevor die Motorradartisten ihre Bühne betreten können.
MotoGP – das ist ein Wanderzirkus, der seine Zelte alljährlich auf vier Kontinenten aufschlägt. 2014 beginnt diese Welttournee mit drei sogenannten «flyaway races». Übersee-Rennen also. Erst Doha, dann Austin, dann Argentinien. Drei Stationen in fünf Wochen.
Das bedeutet für das Tech3-Team: Kofferpacken. Das gesamte Equipment, von den Motorrädern über sämtliche Ersatzteile und die Boxeneinrichtung bis hin zu den Lederoveralls der Piloten, wird in speziell angefertigte Metallboxen gepackt, sogenannte «flight cases».
Das Moto2-Team von Tech3 kommt mit sieben Flight cases aus, macht 2500 Kilogramm Fracht. Das MotoGP-Team von Tech3 benötigt bereits 25 Flight cases, und die wiegen mehr als 8000 Kilogramm.
Bei einem MotoGP-Werksteam liegt die Frachtmenge noch höher, Movistar Yamaha packt seinen Übersee-Krempel in 40 bis 50 Flight cases. Nur beim Saisonauftakt in Doha fallen die Gepäckmengen der MotoGP-Teams etwas kleiner aus. Schlichtweg weil die Motorräder direkt aus Japan oder Sepang anreisen.
Ein Vergleich der Extreme: Ein MotoGP-Team reist mit 40 bis 50 Flugkisten, ein Zweimann-Moto3-Team kommt mit drei aus.
Zurück zur Tech3-Mannschaft. Sind die Frachtkisten fertig gepackt, werden sie per Lkw vom Tech3-Teamsitz in Südfrankreich zum Flughafen gebracht. Dort wartet ein Frachtflugzeug, das diese Kisten in Empfang nimmt. Los geht der Flug ins jeweilige Land.
Dort heißt es wieder umladen, diesmal von Flugzeug in Lkw – und ab geht’s zur Rennstrecke. Dort werden die Transportkisten gelagert, bis die Tech3-Mannschaft eintrifft.
Nun folgt: Auspacken, Aufbauen, drei Tage Racing, und Sonntag Nachmittag alles wieder einpacken. Für die Mechaniker bedeutet ein MotoGP-Wochenende im Grunde nichts anderes als zwei Mal Koffer ein- und wieder auspacken. Dazwischen wird ein bisschen Rennen gefahren. Okay, das mag ein wenig überspitzt formuliert sein. Aber nur ein wenig.
Nach dem Rennen dann alles wieder retour: Wieder Lkw, wieder Flugzeug, weiter geht’s ins nächste Land, zum nächsten Rennen.
Die Reifen und die Tausende Liter Sprit werden per Schiff zu den Übersee-Rennen transportiert, sie gehen bereits zwei bis drei Monate vorher auf Reisen.
Für all diese Abläufe, für den gesamten Transportweg Heimatflughafen-Zielflughafen-Rennstrecke und zurück, zeichnet die Firma SEL verantwortlich. SEL steht für «sports & events logistics». Seit 1995 bringt diese Firma das Equipment der MotoGP-Teams zu den Übersee-Rennen. Die SEL-Leute sind wahre Meister der Logistik und Organisation.
Es versteht sich von selbst, dass nach dem Rennen die Kisten aller Teams zusammen weitertransportiert werden. Dazu kommt noch das Equipment der Dorna. Für das Material aller Teams (MotoGP, Moto2, Moto3) braucht es 600 Flight cases, plus 200 bis 300 Kisten der Dorna. Macht kolossale 320 Tonnen Material.
Drei Frachtflugzeuge sorgen für den Transport: eines für die MotoGP-Teams, eines für die Moto2- und Moto3-Teams und eines für das Dorna-Equipment.
Anders sieht es bei den Europa-Rennen aus. Da reisen die beiden Tech3-Teams mit ihren eigenen Lkw. Sechs Lkw sind es insgesamt.
Zwei Trucks transportieren die MotoGP-Motorräder von Bradley Smith und Pol Espargaró inklusive den Ersatzteilen. Die Moto2-Truppe von Tech3 kommt mit einem Truck für die Bikes von Marcel Schrötter und Alex Mariñelarena aus.
Dazu kommen drei weitere Trucks, welche den Hospitality-Bau und die Küche transportieren. Schließlich wollen Mechaniker, Fahrer, Gäste und Journalisten während eines Rennwochenendes beherbergt und verköstigt werden.
Macht also sechs Trucks allein von Tech3. Alle Teams der Motorrad-Weltmeisterschaft zusammen genommen reisen mit 160 Trucks. 160 Trucks, die sich alle zwei Wochen auf den Weg zu einem Europa-GP machen. Aneinander gereiht ergäbe das eine Lkw-Schlange von drei Kilometer Länge.
Diese 160 Lkw müssen irgendwie und irgendwo an der Rennstrecke untergebracht werden. Da wird es eng. Beim Einparken im Fahrerlager geht es oft um Zentimeter.
Die Planung, wo welcher Truck geparkt werden soll beginnt unglaubliche zwei Monate vor einem Rennen. Das Einparken selbst startet am Sonntag, also exakt eine Woche vor dem Rennen.
Für das Tech3-Team beginnt der Aufbau Dienstag früh. Die Hospitality wird zuerst aufgebaut, Dienstag Nachmittag dürfen dann die Transporter mit den Motorrädern und Ersatzteilen ihre Plätze hinter den Boxen beziehen.
Nun beginnt das Einrichten der Boxen: Trennwände werden aufgestellt, eventuell Bodenmatten ausgelegt, danach das ganze technische Equipment und die Motorräder in die Box gebracht.
Ein MotoGP-Fahrerlager, fertig aufgebaut und bezogen, das sind 40.000 Quadratmeter pulsierenden Lebens mit knapp 2000 Bewohnern. Das kommt einer Ortschaft gleich. Wenngleich nur temporärer Natur, alles erschaffen für nur drei, vier Tage. Übrigens entspricht auch der Stromverbrauch dem einer kleinen Gemeinde.
Ein solches MotoGP-Fahrerlager ist ein Wunderwerk von Organisation und Logistik, alles ist auf engstem Raum komprimiert, alle Abläufe müssen passen, ein Rädchen muss ins andere greifen.
Und alles steht bereits, bevor am Freitag früh um 9 Uhr die Moto3-Piloten als Erste auf die Strecke gehen.
Demnächst auf SPEEDWEEK.com der zweite Teil unserer Serie. Dann schauen wir den Tech3-Mechanikern und -Ingenieuren auf die Finger. Wie arbeiten sie an einem Rennwochenende? Was entscheidet über Sieg und Niederlage?