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Stefan & Helmut Bradl: Wer ist der wahre Bradl?

Von Günther Wiesinger
Katar-GP 2014: Rechts Helmut Bradl mit Teamchef Lucio Cecchinello

Katar-GP 2014: Rechts Helmut Bradl mit Teamchef Lucio Cecchinello

Wir haben Stefan und Helmut Bradl eine Reihe von nicht alltäglichen Fragen gestellt. Der tierische Ernst stand nicht im Vordergrund.

Zeitweise kamen Papa und Sohn Bradl bei unseren extravaganten Fragen ganz schön ins Grübeln. Und die beiden blieben sich stellenweise nichts schuldig, als wir den fünffachen GP-Sieger Helmut und den siebenfachen GP-Sieger Stefan im Doppel-Interview mit unkonventionellen Themen aus der Reserve lockten.

Ähnliche Fragen haben sich vor einem Jahr auch Valentino und Graziano Rossi stellen lassen.

Beruf?

Stefan: Motorradrennfahrer.
Helmut: Automechaniker.

Wer ist der wahre Bradl?

Stefan: Ich. Denn ich bin Weltmeister geworden...
Helmut: Das ist mir egal. Ich bin halt der, der ich bin. Und er auch.
Stefan: Na, wir sind beide die richtigen Bradls. Und nicht irgendwelche Zugereisten. Gott sei Dank.

Wer war im Alter von 24 Jahren der Hübschere?
 

Stefan: Ich, weil zu der Zeit hat er einen Schauzbart gehabt. Und das geht einmal überhaupt net.
Helmut: Das war zu der Zeit modern. Das war damals angesagt. Alles zu seiner Zeit. Dazu müssten wir eigentlich meine Frau fragen. Die wird sagen, dass ich der Hübschere war.

Wer ist der nettere Typ?

Helmut: Klar der Stefan. Das Schleimen kann er viel besser.
Stefan: Eigentlich ich. Aber er kann auch nett sein.

Wer ist der Pfiffigere?

Helmut: Der Jüngere. Da haben wir alten Deppen keine Chance. Stefan: Na, das kann man so nicht sagen. Wir brauchen uns gegenseitig. Ich brauche ihn zum Beispiel, wenn ich bei meiner Motocross-Maschine einen Ölwechsel machen muss und so weiter. Obwohl ich das auch schon ganz gut kann.
Aber beim iPhone muss ich ihm schon manchmal ein paar Updates erklären. Aber wir profitieren gegenseitig voneinander.
Helmut: Wir Älteren haben halt mehr Erfahrung. Wenn es anders wäre, wäre es sowieso schlecht.

Wer ist der Diplomatischere?

Stefan: Ich. Das ist nicht grad die grosse Stärke von meinem Papa. Ich hab’s ein bisschen gelernt. Wenn er narrad ist...
Helmut: Ist bei mir viel besser geworden... Aber ich sag trotzdem meistens immer noch, was ich mir denke. Dadurch macht man sich nicht unbedingt überall Freunde. Der Hoeness hat das auch immer gesagt. Der wird jetzt eingesperrt. Ich hoffe, dass mir das nicht passiert.

Welche Qualität hat der andere?

Helmut: Auf den Sport bezogen? Ja, er hat mehr Talent als ich. Stefan: Das Talent, das habe ich alles von der Mama...
Helmut: Ja, die Mutter ist sehr viel Risiko eingegangen, als sie jünger war. Da hat er vielleicht etwas mitgekriegt. Aber ich meine, ich bin auch Risiko eingegangen.
Stefan hat ein gutes Feingefühl. Aber technisch könnte er sich dafür noch verbessern.
Stefan: Ach geh... Welche Qualitäten hat der Papa? Er ist sehr genau. Immer präzise und akkurat, bei allem. Sehr, sehr sauber, alles muss in perfektem Zustand und picobello sauber sein.
Wenn ich ein Werkzeug von ihm benütze, muss das sofort wieder sauber geputzt werden. Am besten wäre, gleich wieder ein Neues zu kaufen, sobald es einmal benützt worden ist.
Helmut: Das ist eine Philosophie, die mir schon in der Lehre eingetrichtert worden ist. Fertig ist man erst, wenn aufgeräumt ist.

Eine Schwäche des andern?

Helmut: Wir haben keine Schwächen.

Du nicht, aber der Stefan vielleicht?

(Beide schmunzeln).
Helmut: Kenne ich jetzt auch keine. Schwächen? Über meine Schwächen sollen die anderen urteilen. Stefans Schwäche ist, dass er aufmüpfig ist...
Stefan: Bah, so ein Schmarrn! Das ist alles vererbt.
Helmut: ... und dass er manchmal den Weg nicht so konzentriert geht, wie es sein sollte.
Stefan: Erzähl keinen Schmarrn.
Helmut: Er lässt sich gern von den Frauen ablenken. Und von seinen Spezis.
Stefan: Das halt ich alles für Gerüchte. Er hat ja jetzt was sagen müssen über meine Schwächen. Von da her... Lassen wir es mal so stehen. Seine Schwächen? Über das Rauchen mag ich gar nicht reden, weil das ist eine Katastrophe.
Helmut: Das ist ja keine Schwäche...
Stefan: Seine Schwächen? Er muss ein bisschen mehr auf seinen Körper und auf seine eigene Gesundheit schauen. Aber in diesem Punkt hat sich im letzten Jahr einiges verbessert. Und er muss nicht immer mit dem Kopf durch die Wand. Ich finde, dass er ein Sturkopf ist.

Stefan, was hast du von deinem Papa gelernt?

Stefan: Mehr oder weniger alles, was ich kann.
Helmut: Dass er inzwischen auch schon jeden Tag sein Auto raussaugt und selber penibel wird ohne Ende...
Stefan: Ja, ich bin sehr reinlich geworden. Zum Teil.
Helmut: Aber im Badezimmer legt er das Badetuch nicht sauber zusammen... Er schmeisst es hin wie einen Wollknäuel.

Helmut, was hast du von Stefan gelernt?

Stefan: Das Relaxen... (Er lacht).
Helmut: Die Ruhe... Aber das ist wahrscheinlich altersbedingt. Als ich jung war, war ich wahrscheinlich auch mehr so wie er jetzt. Wenn du älter wirst, denkst du mehr voraus. Du machst dir Gedanken: Was könnte noch kommen? Wenn du jung bist, lebst du unbekümmert. Du denkst: Es wird schon, es geht schon. In diesem Punkt schaue ich mir vom Stefan momentan relativ viel ab.

Wer ist stärker auf dem Motorrad?

Helmut: Auf der Strasse ich, weil ich vernünftiger fahre, seit es mich vor drei Jahren runtergeholt hat und ich tagelang im Koma lag. Stefan: Auf der Rennstrecke kann man es nicht vergleichen, weil 25 Jahre dazwischen liegen. Aber ich glaube schon, dass ich viel gutes Feingefühl habe beim Fahren. Mit stärkeren Motorrädern kann ich wahrscheinlich schneller fahren. Mit der 250er kanns ja nicht so schwierig gewesen sein...
Helmut: Erinnere dich an deine 125er-Zeit. Da bist du auch rumgeeiert wie ein Osterhas’.

Da hat ihn sogar manchmal der österreichische Teamkollege Michi Ranseder besiegt?

Helmut: Ja, dass mich ein Österreicher besiegt, ist mir nie passiert...

Wer ist stärker in Rechtskurven?

Stefan: Ich. Weil ich da mit dem Ellbogen schleife, das hat er noch nie gemacht...
Helmut: Ich mag Linkskurven lieber. Das hat mit dem Herz zu tun. Weil ich mehr Herz habe als er.
Stefan: Du weisst gar nicht, wo das Herz ist...
Ja, ich habe in den langsamen Linkskurven ein bis zwei Grad zu wenig Schräglage, haben wir letztes Jahr rausgefunden. Ist aber inzwischen ziemlich ausgemerzt.

Wer ist stärker in schnellen Kurven?

Stefan: Ich glaube, da sind wir beide schnell.
Helmut: Da ist er in seiner Zeit stark; ich war es zu meiner Zeit.

Wer ist schneller in Haarnadeln?

Stefan: Habe ich noch nie mögen. Langsame Kurven, das kann jeder. Schnell fahren in schnellen Kurven, das kann nicht jeder. Helmut: In langsamen Kurven brauchst du keinen Mut. Da kannst du höchstens umfallen. Bei schnellen kannst du richtig abfliegen...

Wer ist stärker beim harten Bremsen?

Helmut: Schwer zu sagen, das ist Motorrad-bedingt. Ich war zu meiner Zeit nicht schlecht auf der Bremse.
Stefan: Ich glaube, ich bin auch ganz gut.
Helmut: Aber es gibt Fahrer, die sind noch einen Tick besser.

Was hätte Stefan zu Papas Zeiten in der 250er-WM erreicht?

Helmut: Wenn er an meiner Stelle den Scheiss in Mugello nicht gebaut hätte, wäre er 1991 wahrscheinlich gegen Cadalora 250-ccm-Weltmeister geworden. Ich habe einen Crash gebaut, Cadalora hat gewonnen. Das war die Vorentscheidung.

Was würde Helmut heute in der MotoGP-WM erreichen?

Helmut: Nix. Weil an diesem Motorrad viel zu viele Schalter dran sind. Ich will Motorradfahren und nicht Computerspielen.
Stefan: Bah, das ist eine schwierige Frage. Ja, er müsste zuerst einmal alle Schalter kennenlernen.

Wer wäre der bessere Autorennfahrer?

Stefan: Ich. Er fährt nur einen vier Tonnen schweren Landcruiser. Ich fahre sportlichere Autos.
Helmut: Ich habe damals auch einen Honda NSX gehabt. Aber mit dem haben wir nie fahren können, weil plötzlich so ein kleiner Zipfel auf die Welt gekommen ist... Dann haben wir nicht genug Platz gehabt.

Wenn ihr eine Zeitreise zurück ins 15. Lebensjahr machen könntet: Würdet ihr mit der heutigen Erfahrung lieber Autorennen anfangen – oder trotzdem wieder mit Motorrad?

Helmut: Ich täte Fussballspielen, weil du damit viel mehr verdienen kannst... Nein, im Ernst: Ich täte auch wieder Motorradlfahren. Go-Kart fahren habe ich probiert. Aber zwischen Motorradsport und Autosport liegen Welten.
Motorrad ist gefährlicher, aber auch viel dynamischer. Es ist viel mehr Bewegung im Fahrzeug, auch beim Fahrer selber. Im Auto hockst du drin, wie in einem Sarg angekettet. Dazu hast du ein HANS-System, damit du nimmer links und rechts schauen kannst. Das musst du mögen. Da würde ich Platzangst kriegen.
Stefan: Ich würde auch wieder Motorradrennen fahren. Mit dem Autorennsport haben wir recht wenig am Hut gehabt.

Was war euer schönstes Erlebnis?

Stefan: Bei ihm ist es klar. Das war die Geburt seines Sohnes. Helmut: (Er lacht laut auf). Ja, das habe ich damals gemeint... Das hat sich aber ganz anders rausgestellt.
Stefan: Bei mir? Ja, sicher, das war der Gewinn des WM-Titels. Ja, der Erfolg.
Helmut: Meine Siege sind lange her. Das waren sicher phänomenale Highlights. Aber als Stefan in Brünn 2008 seinen ersten 125-ccm-GP gewonnen hat, habe ich mich mehr gefreut als bei meinen eigenen Siegen. Oder als er dann 2010 in Portugal erstmals in der Moto2-WM gewonnen hat. Es ist aber auch zeitlich näher da.

Was war euer peinlichstes Erlebnis?

Helmut: Da hat es so viele gegeben...

Helmut, du warst doch mal in einer Jugendstrafanstalt?

Helmut: Ja, aber Schwarzfahren war damals noch keine Straftat... Es hat einfach der Nachbarin nicht gepasst.
Ich habe die peinlichen Erlebnisse verdrängt, weggeschoben. War es peinlich, als ich 1991 in Mugello in Führung liegend runtergeflogen bin? Dumm war es, ja. Peinlich ist es erst geworden, weil jeder gesagt hat: Hat das sein müssen? Das hat mich einige Jahre beschäftigt. Aber irgendwann muss man das abhaken.
Stefan: Was war peinlich? Mir fällt nichts ein.

Was war das Schönste, was euch jemals jemand gesagt hat?

Helmut: Meine Frau hat gesasgt, dass sie mich liebt. (Er schmunzelt).
Stefan: Wahrscheinlich hat ihm auch mal jemand gesagt, dass er gut Motorradl fahren kann.
Und zu mir? Mein Teamchef Lucio Cecchinello hat einmal gesagt, dass ich ein sehr umgänglicher, gut erzogener junger Mann bin und dass es sehr angenehm ist, mit mir Zeit zu verbringen.

Was war das Merkwürdigste, was euch jemals jemand gesagt hat?

Stefan: Das sind Fragen... Dass ich noch nicht so weit bin für die kommende Aufgabe, zum Beispiel Aufstieg in die Moto2 für die Saison 2010. Das hat einmal jemand zu mir gesagt.

Das war jemand aus dem engeren Familienkreis, der Vizeweltmeister war, stimmt’s?

Stefan: Ja.
Helmut: Es war ja damals wirklich zu früh... Man muss immer die Kirche im Dorf lassen. Der Einzige, der das alles richtig zu Ende geführt hat, war Márquez. Der ist in allen drei Klassen Weltmeister geworden. Der hat nicht überall angefangen und hat es dann unverrichtet liegen gelassen.
Mich hat einmal jemand gefragt, warum ich 1991 nicht Weltmeister geworden bin. Das fand ich merkwürdig.

Wenn ihre eine Zeitmaschine hättet und die Zeit zurückdrehen könntet: Was würdet ihr ändern?

Stefan: Ich würde das Moto2-Rennen 2011 in Australien, als ich De Angelis in der letzten Runde attackiert habe, anders gestalten. Ich hätte eine Kurve später angreifen sollen. Das war ein sicher geglaubter Sieg. Aber ich habe ihn verloren, wegen einer zu ungestümen Aktion.
Vielleicht gab es mehrere solche Aktionen.
Helmut: Bei mir passt es. Ich möchte keinen Tag jünger sein. Es ist alles okay. Wichtig ist, dass man gesund ist, wenn man älter wird. Mit Geld allein wird man auch nicht glücklich. Wichtig ist, dass das Umfeld und die Familie stimmt. Wenn da jeder gesund ist, das hat Priorität.

Was hättet ihr gerne mal gehört, was euch aber bisher niemand gesagt hat?

Helmut: Dass er der Beste ist... Keine Ahnung.
Stefan: Darauf weiss ich keine Antwort.

Was hasst ihr am meisten?

Stefan: Wenn jemand geizig ist, bis unter die Haut. Und Neid. Helmut: Neid ist schlimmer als Geiz.

Was liebt ihr am meisten? Was mögt ihr am meisten?

Stefan: Die Mama. Meine Eltern.
Helmut: Das ist formabhängig. Ich mag den Stefan am meisten, weil er mein Bua ist, noch dazu mein einziger. Es gibt aber auch Tage, da könnte ich ihn an die Wand hinklatschen, dass er runterläuft wie ein Joghurt... (Er lacht).
Das Leben ist nicht jeden Tag wunderschön. Ich liebe inzwischen auch schöne Landschaften, Berge zum Beispiel. Ich kann mich jetzt mehr an der Natur erfreuen als früher.

Wenn es keine Rennmotorräder gäbe, was würdet ihr tun?

Helmut: Selbstmord. (Er lacht).
Stefan: Ich würde welche erfinden. Ich würde irgendeinen technischen Beruf ergreifen, wo ich mit Fahrzeugen zu tun hätte. Wahrscheinlich Lkw-Fahrer oder Automechaniker.
Helmut: Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Ich bin mit der Technik gross geworden und bis heute von ihr nicht losgekommen. Ich könnte mir nie vorstellen, in einem Büro zu sitzen. Das wäre nicht meine Welt.

Wer ist der Pünktlichere von euch beiden?

Stefan: Ich glaube, keiner von uns beiden ist unpünktlich. Wir sind beinahe zu pünktlich.

Was würdet ihr am andern gerne ändern?

Stefan: Dass er vielleicht ab und zu etwas cooler wäre, mehr easy-life-mässig. Gelassener. Und ein bisschen einsichtiger.
Helmut: Mir wäre recht, wenn er zielstrebiger wäre.
Stefan: Bin ich das nicht?
Helmut: Doch, du verfolgst dein Ziel schon...
Stefan: Aber nur so Larifari-mässig? (Er lacht).
Helmut: Das habe ich nicht gesagt. Aber manchmal fehlt die letzte Konsequenz.
Stefan: Jetzt weiss ich, warum ich in der MotoGP erst einmal auf dem Podest war. weil ich immer so Larifari-mässig durch die Gegend wandere...

Ihr habt fünf Sekunden Zeit, um eure fünf Wünsche zu äussern?

Stefan: Gesundheit, Glück und Zufriedenheit.
Helmut: (Nimmt einen Schluck Kaffee, um Zeit zu gewinnen). Klar, Gesundheit steht an erster Stelle. Was will ich noch? Sind die fünf Sekunden rum?

Hat euch das Interview Spass gemacht?

Helmut: Es war sehr kompliziert...
Stefan: Mit dir macht jedes Interview Spass.
Helmut: Siehst du, jetzt ist er wieder auf der Schleimspur!

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