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Flutlicht-GP in Katar: Wie die Nacht zum Tag wurde

Von Günther Wiesinger
Es war ein gigantisches Unterfangen, die MotoGP-Piste in Doha hell zu erleuchten. Aber der Aufwand lohnte sich. Die Hintergründe einer Pionierleistung in der Sportwelt.

In nur 175 Tagen haben die Ingenieure der amerikanischen Firma «Musco Lighting» auf dem 5,380 km langen «Losail International Circuit» die Nacht zum Tag gemacht und das grösste Beleuchtungsprojekt in der Sportgeschichte verwirklicht. Die Piste war vor 2004 von 1000 Arbeitern innerhalb eines Jahres für 58 Millionen US-Dollar in den Sand gesetzt worden. Dieses Wochenende (am Donnerstag wird erstmals trainiert) findet schon der neunte Nacht-GP in Katar statt; über die technischen Hintergründe dieser Pionierleistung wurde bisher kaum ein Wort verloren.

Aber es war eine immense Leistung nötig, um dieses Vorhaben zu verwirklichen. 1300 Arbeitsstunden wurden investiert, um die Bedürfnisse der Fahrer, Streckenposten, TV-Leute, Werbepartner und Zuschauer zufriedenzustellen. Die beleuchtete Fläche entspricht 70 FIFA-Fussballplätzen, 35 Cricket- oder 1300 Basketballspielfeldern. Es waren 3600 Lichtquellen (mit 250, 1500 und 2000 Watt- Leichtmetalllampen) auf 1000 Lichtmasten nötig, um den Nachtschwärmern in der Wüste bei 340 km/h einen Ritt durch die Finsternis zu ersparen.

Beeindruckende Zahlen

Die Musco-Techniker haben in sechs Monaten 10 Millionen Euro verbaut und stellen ihr Licht nicht unter den Scheffel. Das Elektriksystem wird von 44 Diesel-Generatoren mit je 13 Megawatt Leistung angetrieben, die rund um die Strecke installiert wurden. Die 3600 Lichtquellen erzeugen 450 Mio Lumen Lichtstrom (1200 bis 1600 Lux); damit könnte man 3000 Privathäuser ausleuchten oder einen Boulevard von Doha bis Moskau.

Für die Beleuchtung des Circuits wurden rund 3 Mio Kilogramm Beton verbaut und 500 km Kabel verlegt. Der Aushub für die Masten (sie ragen zwischen 3 und 36 Meter aus dem Sand) und das Bohren durch insgesamt rund 12600 Meter soliden Fels für die Lichtmasten entspricht der 42-fachen Höhe des Eiffelturms.
Für den ersten Test nur drei Kurven beleuchtet

Musco hatte in Amerika bereits einige Oval- Strecken wie den Iowa Motor Speedway beleuchtet. Für den ersten Test in Losail wurden am 13. November 2007 die GP-Fahrer Loris Capirossi, Marco Melandri, Anthony West, James Toseland und Alex De Angelis aufgeboten. Damals waren nur die ersten drei Kurven beleuchtet. Sie wurden anfangs maximal ausgeleuchtet, dann wurde die Lichtstärke zuerst auf 40 und später auf 30 Prozent reduziert. «Es war vom ersten Moment an erstaunlich», erinnert sich Capirossi. «Es sieht noch heute aus wie am helllichten Tag. Man kann sogar mit schwarzem Visier fahren. Bei 30 Prozent der maximalen Lichtstärke war es damals perfekt, bei 40 Prozent sahen wir leichte Schatten.»

Beim IRTA-Test im Februar 2008 waren sämtliche Stars erstaunt über die Lichtkraft der Anlage. Am 5. Februar war die Rennstrecke erstmals voll erleuchtet worden. «Wir haben unsere Ingenieure eingeflogen und zehn Tage lang getüftelt, welcher Lichtpegel ideal sein könnte. Wir waren erleichtert und zufrieden, als die Generalprobe problemlos verlaufen ist», erklärte Musco-Vizepräsident Jeff Rogers. «Mit der Dorna, dem Streckenbetreiber und den Fahrern haben wir sehr gute Partner gefunden. Die Zusammenarbeit hätte nicht besser klappen können. Wir haben keinen einzigen negativen Kommentar gehört. Bis dahin hatten wir nur Oval- Strecken beleuchtet. Die 16 Kurven in Losail waren eine neue Herausforderung für uns. So mussten zum Beispiel die Stände der Streckenposten gut sichtbar sein. Deshalb war ich vor dem ersten Abend nervös und gespannt auf die Meinungen. Dieses Projekt war ein Meilenstein für uns; ein gigantischer Deal.»

Effizienz und Verschwendung

Die Musco-Techniker griffen auf 30 Jahre Erfahrung in Sachen permanente und zeitweilige Beleuchtung von Sportanlagen zurück. Es wurden Patente wie Mirtran und Green verwendet, mit deren Hilfe die Energieeffizienz gegenüber herkömmlichen Systeme um 50 Prozent verbessert werden konnte. Die Lichtkraft machte Musco keine Sorgen. «Aber der Mittlere Osten ist nicht der einfachste Fleck der Welt für solche Bauvorhaben. Wir mussten mit kleinen Firmen zusammenarbeiten. Es war manchmal schwierig, genug Zement und Rohstoffe aufzutreiben», erzählt Rogers.

Das Thema Energiesparen steht aber im Mittleren Osten nicht im Vordergrund. Üblicherweise ist der Losail Circuit zwölf Stunden nach Beendigung des Rennens am nächsten Vormittag immer noch voll beleuchtet. Dass jeder Generator 1000 Liter Diesel pro Stunde verbraucht, sei auch nicht verschwiegen. Es wird noch lange dauern, bis in Doha die Lichter ausgehen.

Seit drei Jahren wird auf der Motocross-Strecke auf dem Areal neben der Haupttribüne auch ein Motocross-GP ausgetragen – natürlich unter Flutlicht.

Chronik Flutlichtbau auf dem Losail International Circuit

 

2. September 2007
Musco-Präsident Joe Crookham, QMMF-Präsident Nasser Khalifa al Attiyah und Dorna-Geschäftsführer Carmelo Ezpeleta verkündigen den Vertrag zur Beleuchtung des Losail International Circuit in Doha.

25. September 2007
James Ellison testet für Musco erstmals auf dem Iowa Motor Speedway in Amerika. Er soll den Musco-Ingenieuren Feedback aus der Fahrerperspektive liefern.

12. November 2007
Musco verlädt 123 Ozean-Container auf ein Frachtschiff Richtung Katar. Weitere 44 Luftfrachtkisten mit Lichtsystemen werden per Flugzeug nach Doha transportiert.

13. November 2007
Capirossi, Melandri, West, Toseland und De Angelis testen in Losail erstmals bei Nacht mit Serienmaschinen. Es werden nur die ersten drei Kurven ausgeleuchtet.

6. Dezember 2007
Das letzte Equipment verlässt das Musco-Hauptquartier in Oskaloosa/Iowa inmitten eines gewaltigen Schneesturms.

28. Januar 2008
In Losail wird der letzte Lichtmast in die Felsen gerammt.

9. März 2008
Der Losail International Circuit ist Schauplatz des ersten Motorrad-Nacht-GP der Geschichte.

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