Eurosport: Ralf Waldmann macht jetzt TV-Karriere
Mit Ralf Waldmann hat Eurosport für die MotoGP-WM 2016 nicht nur einen Publikumsliebling engagiert, sondern den wohl besten deutschen Solo-Rennfahrer neben Toni Mang der letzten vier Jahrzehnte. Und dazu jenen Fahrer, der in der Motorrad-GP-Geschichte die meisten GP-Siege errungen hat, ohne je Weltmeister geworden zu sein – nämlich 20.
«Waldi» hat im Jahr 2000 seine letzte komplette WM-Saison bestritten, er wurde damals noch WM-Siebter und gewann die WM-Läufe in Jerez und Donington. Aber keiner ist so oft rückfällig geworden wie der bald 50-jährige Gas-Wasser-Installateur («der rasende Klempner») aus Ennepetal, der inzwischen seit rund 15 Jahren in Obing im bayerischen Chiemgau wohnt.
Mit Storys über Ralf Waldmann liesse sich ein Buch füllen.
Ich habe ihn vor ziemlich genau 28 Jahren erstmals fahren gesehen, Mitte März 1988 beim Europameisterschaftslauf in Jerez.
«Waldi» reiste mit seinem Papa im bescheidenen Renault-Transporter an, im Laderaum waren eine Seel 80 und eine JJ-Cobas 125 verstaut.
Fahrwerksprobleme im Training wurden durch mehr oder weniger Reifendruck ohne grossen Aufhebens beseitigt; ans Federbein und an die Gabel traute sich keiner ran, ein Mechaniker war sowieso nicht dabei.
Waldi stürzte am Sonntag im 125er-Rennen an aussichtsreicher Stelle und lädierte seinen Knöchel, was ihn aber nicht hinderte, zwei Stunden später den 80-ccm-EM-Lauf souverän zu gewinnen.1989 gewann er einen weiteren 80-ccm-EM-Lauf in Zolder.
Papa Waldmann (auch in Andalusien standesgemäss in grünen Loden gekleidet, wenn ich mich richtig erinnere) weinte vor dem Podest, Ralf kletterte mit einem blau-weiss-roten Leder und perfekt dazu passenden grellgrünen Stiefeln aufs Podest.
«Neulich habe ich daheim aufgeräumt, da ist mir dein Artikel von Jerez 1988 untergekommen», schildert Ralf. «Weisst du noch, was da stand? 'Bettelarmes Team gewinnt Europameisterschaftslauf'. Das waren schöne Zeiten...»
Waldi fuhr damals in der deutschen Meisterschaft (80 ccm und 125 ccm) als Neuling im Nassen oft drei Sekunden pro Runde schneller als die Gegner, er zählte aber in seiner Sturm- und Drangperiode 1988 auch 35 Stürze im Jahr. Danach hatte er das Limit im Griff – meistens.
Im Frühjahr 1988 wurde Waldmann mit seinem Moped im Stassenverkehr in eine Kollision mit einem Auto verwickelt, ein Schien- und Wadenbeinbruch war die Folge.
Leider nahte aber der Nürburgring-GP 1988, wo sich der Hobby-Feuerwehrmann gute Chancen auf WM-Punkte ausrechnete.
Ärgerlich war nur, dass die Verletzung vom Arzt mit einem externen Fixateur behandelt wurde, und mit diesem Eisengestell war natürlich bei einem Medical Check im GP-Paddock kein Blumentopf zu gewinnen.
Doch Waldi behielt das Missgeschick für sich, um sein sponsorloses Familien-Team kümmerte sich im GP-Paddock ohnedies niemand. Für kurze Hosen war es sowieso zu kalt. Er trug also etwas weitere lange Jeans als üblich und erweiterte auch die Lederkombi unter dem Knie ein bisschen, um Platz für den lästigen Fixateur zu schaffen.
Pech nur, dass Waldi im Rennen stürzte und dann in der Clinica Mobile untersucht wurde. Dort trauten die italienischen Dottores ihren Augen nicht, als unter dem Leder der recht voluminöse Fixateur zum Vorschein kam.
Waldi wurde für ein paar Wochen für alle Rennen gesperrt.
Waldi, das Sprachengenie
Waldi machte dann in der Weltmeisterschaft rasch Karriere. Er wurde in der 125er-WM Honda-Werksfahrer und wurde von Marlboro finanziert; er gewann sechs Rennen in der 125er-WM und schnitt 1993 als WM-Dritter ab, ehe er für 1994 im deutschen HB-Honda-250-Werksteam von Dieter Stappert den Platz von Helmut Bradl übernahm. Er feierte 14 GP-Siege in der 250-ccm-Klasse und zeigte 1998 auch mit der Dreizylinder-500-ccm-Modenas im Team Roberts in der Königsklasse starke Vorstellungen. Bestes Ergebnis: Platz 7 in Sachsen.
Legendär sind auch die köstlichen Fremdsprachen-Eskapaden von Waldi, der nach dem 125-ccm-GP Sieg 1992 in Eastern Creek/Australien bei der Pressekonferenz im besten Kauderwelsch erklärte: «I had a Highslider and my heart go down in my trousers.»
Waldmann verspielte die 250er-WM 1996 und 1997 knapp gegen den überragenden Max Biaggi auf der starken Werks-Aprilia.
Der 20-fache GP-Sieger beendete seine WM-Profi-Karriere nach der Saison 2000. «Aber 2002 hatte ich noch drei 250-ccm-Wildcard-Einsätze mit der 250er-Aprilia im UGT-Team von Ralf Schindler. 2005 habe ich noch eine Saison IDM-Superbike absolviert. 2009 bin ich dann bei Kiefer in Donington noch als Ersatzfahrer in der 250er-WM eingesprungen. Das war mein letzter WM-Lauf.»
Insgesamt bestritt Waldmann 169 Grand Prix, er gewann 20, sammelte total 1668 Punkte, erkämpfte zehn Pole-Positions und fuhr 16 schnellste Rennrunden.
Den ersten GP-Sieg (125 ccm) feierte Waldi 1991 vor 120.000 Zuschauern in Hockenheim. Helmut Bradl gewann damals den 250er-GP, Ralph Bohnhorst das Seitenwagen-WM-Rennen.
Selbst in der Saison 2015 bestritt Waldi noch Motorradrennen. «Ich bin im Naked-Cup in Schleiz und Hockenheim gefahren. Da habe ich von Moser eine Ducati aufgebaut gekriegt. Da bin ich Dritter geworden. Na gut, es sind nur drei mitgefahren, muss ich ehrlich dazu sagen... Aber ich hatte nichts trainiert und bin dann in Hockenheim Zweiter geworden hinter dem 26-jährigen Sohn von Detlef Karthin; der hat alle Läufe gewonnen. Aber den letzten Lauf habe ich gewonnen mit dem Ding.»
«Ich bin echt noch schnell, ich muss mich da wirklich wundern», stellt Waldmann überrascht fest. «Dabei werde ich dieses Jahr 50.» Der genaue Termin: 14. Juli, der Donnerstag vor dem ersten Sachsenring-GP-Training.
Waldi führte auch nach der GP-Karriere ein bewegtes Leben. Für 2002 sollte er sogar MotoGP-Werksfahrer bei MZ werden als Teamgefährte von José Luis Cardoso, aber mehr als eine Attrappe eines GP-Bikes brachte MZ-Chef Petr-Karel Korous nicht zustande.
«Das Geld, was ich damals bekommen habe, habe ich 2009 für ein paar Anteile bei MZ investiert», schilderte Waldi, der jedoch bald wieder Ausstieg, nach einem Zerwürfnis mit MZ-Chef Martin Wimmer.
Wimmer wollte in seiner Euphorie KTM überflügeln, brachte in drei Jahren aber kein Motorrad auf den Markt. Waldi hingegen wollte MZ als bodenständige Firma mit altbewährten Qualitäten auf eine solide Basis stellen – zuerst einmal mit robusten Enduro-Bikes und nicht mit Elektro-Rollern und sinnlosen WM-Einsätzen in der Moto2 und Moto3.
Waldmann: Viel Lob von Eurosport
Zwischendurch verdiente Ralf Waldmann in den letzten 15 Jahren sein Geld auch recht bescheiden als Rennmechaniker. Zuerst 2011 und 2012 bei Alpha Racing BMW im FIM-Superstock-1000-Cup mit Markus «Reiti» Reiterberger, dann zum Beispiel 2013 mit Mario Rubatto und Max Neukirchner mit Ducati in der Superbike-WM, 2014 für den hoffnungslosen Venezolaner Gabriel Ramos in der Moto3-WM auf Kalex-KTM bei Kiefer Racing.
Auch 2016 schraubt Waldi wieder – im Northern Europa Cup auf einer Honda NSF 250R für Matthias Meggle im Intact-Team. Aus diesem Grund befand sich Waldi diese Woche bei Testfahrten in Valencia.
Noch während sener WM-Karriere heiratete Ralf Waldmann die Autorennfahrerin Astrid Grünfelder und zog dann in den Chiemgau. Sohn Leo hat keine motorsportlichen Ambitionen mehr. Nach ein paar Honda-Minibike-Rennen war Schluss. «Wenn man keine Lust hat, macht es keinen Sinn», stellte Papa Ralf fest, der in den letzten Jahren mit seiner Firma «Waldi Racing» in Obing auch getunte Mopedteile für Kreidler, Hercules und Sachs verkauft.
«Dass mich Eurosport jetzt als TV-Experten engagiert hat, das hat mich schon überrascht. Denn da habe ich im Leben nicht mehr damit gerechnet. Deshalb habe ich Jürgen Lingg und dem Intact-Team zugesagt, 2016 dem kleinen Matthias Meggle zu helfen», schilderte Waldi. «Intact-Chef Stefan Keckeisen hat mir aber sofort empfohlen, bei Eurosport zuzusagen, wenn ich ein Angebot kriege. Jetzt ist halt das ganze Jahr jedes Wochenende verplant. Es gibt eine Terminüberschneidung; am Texas-GP-Wochenende fährt Meggle den Honda-Cup in Silverstone im Rahmen der Britischen Superbike-Meisterschaft. Deshalb werde ich in Austin fehlen. Matthias Meggle fährt im NEC auch beim Sachsenring-GP. Aber dort möchte ich unbedingt für Eurosport arbeiten. Das bekommen wir geregelt...»
Ralf Waldmann musste sich aber zuerst bei einem Eurosport-Casting bewähren, an dem unter anderen auch Sabrina Schaumburg teilnahm, die Tochter von Motorrad-Tuner Herbert Schaumburg.
«Da habe ich den ganzen Tag Probe-Interviews gemacht und dazu das letzte MotoGP-Rennen von 2015 noch einmal mit Orasche kommentiert», erzählt Waldi. «Ich bin dann immer besser in Fluss gekommen. Von Eurosport wurden auch Wünsche geäussert, auf welche Themen ich eingehen soll. Das ist dann immer besser geworden...»
«Ich werde zusammen mit Jan Stecker die Stimme in der Boxengasse sein, in allen drei Klassen», kündigt der neue TV-Experte an. «Für mich ist ja diese Aufgabe nicht ganz neu. Ich habe es ja schon ein paar Mal mit Eddie Mielke gemacht, auch beim MDR war ich auch schon einige Male dabei.»
Bei Eurosport hält man bereits vor dem Saisonstart grosse Stücke auf Waldmann. «Waldi hat beim Casting wirklich überzeugt, in allen Konstellationen. Das Feuer brennt bei ihm noch, wir mögen Urgesteine wie ihn», loben ihn die Eurosport-Verantwortlichen.