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Moto3-Skandal: Honda schwindelte beim Drehzahllimit

Von Günther Wiesinger
KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer ist enttäuscht und schockiert. KTM kann nachweisen, dass Honda 2015 in der Moto3-WM das Drehzahllimit im fünften und sechsten Gang überlistet hat.

Pit Beirer, Motorsport Director von KTM, ist schwer enttäuscht. Denn bei einigen KTM-Moto3-WM-Teams arbeiten jetzt Mechaniker und Techniker, die letztes Jahr noch für Honda-Teams tätig waren.

Und diese Techniker haben bei KTM jetzt Computer-Daten abgeliefert, die nicht nur den Verdacht nähren, sondern handfeste Beweise dafür liefern, dass die Honda NSF-250RW-Werkspiloten 2015 das neue Drehzahllimit von 13.500/min umgangen haben und regelmässig mit 13.600/min über die Geraden geprescht sind.

Pit Beirer hat diese Beweise letzten Mittwoch an Corrado Cecchinelli übergeben, den umstrittenen Director of Technology der Dorna. Aber bisher gibt es kein Statement und keine Erklärung der Beteiligten, auch nicht von Dell'Orto, jener italienischen Firma, der Cecchinelli 2011 den Deal für die Moto3-Einheits-ECU zugeschanzt hat – ohne Ausschreibung, wie damals bemängelt wurde.

Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com macht Pit Beirer seinem Ärger Luft.

Pit, KTM kann beweisen, dass Honda in der Moto3-WM-Saison 2015 mit 13.600/min gefahren ist?

Ja, das ist Tatsache. Wir haben jetzt einige Moto3-Fahrer, die von Honda zu KTM gewechselt sind. Und als sie zum ersten Mal auf unser Motorrad gestiegen sind, haben sie sich beschwert, dass unser Drehzahlbegrenzer so kompromisslos arbeitet, dass die Drehzahl beim Erreichen von 13.500/min sehr abrupt gestoppt wird. Das sei bei den Honda-Motoren wesentlich angenehmer, hören wir, dort fahren die Motoren oben raus sanfter an den «rev limiter» ran.
Du hast als Techniker zwei Möglichkeiten: Du kannst ein bisschen früher anfangen, die Zündung wegzunehmen, damit der Motor noch weich bis zum Ende des Drehzahllimits hin läuft, aber du verschenkst dann ein paar Prozent der möglichen Leistung. Deshalb versuchen wir so stramm wie möglich ans Ende zu fahren. Und der Fahrer muss sich dran gewöhnen, dass er halt rechtzeitig schaltet und die volle Leistung ausnützt.
Aber die Honda-Fahrer beklagten sich immer, ihre Motoren seien beim Einsetzen des «rev limiters» schöner zu fahren gewesen.
Also haben wir uns von einem ehemaligen Honda-Mechaniker Computer-Daten zum Drehzahlverlauf von Honda zeigen lassen.
Da haben wir gesehen, dass die Honda-Fahrer genau so lange wie wir volle Kanne fahren bis 13.500/min und dann bei 13.600/min ganz langsam reduzieren.
Das Motorrad kann also im fünften und sechsten Gang auf den Geraden wunderschön mit 13.600/min vor sich hin schnurren.

Und was passiert jetzt? Was sagen Dell'Orto, Dorna, IRTA und FIM dazu? Und eure Beweise sind wasserdicht?

Ich bin ziemlich erbost und habe das auch Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta am Telefon spüren lassen. Dann habe ich relativ schnell Corrado Cecchinelli angerufen.
Auf jeden Fall sind wir stinkesauer.
Wir sind während des ganzes Jahres davon ausgegangen, dass es eine Einheits-ECU gibt und Dell'Orto bei der Kontrolle dieser elektronischen Motorsteuerungen genau überprüft, wie hoch die Fahrzeuge der verschiedenen Teilnehmer drehen.
Und Dell'Orto hätte die Ergebnisse dieser Kontrollen entsprechend an die Dorna, IRTA und FIM melden müssen.
Dass die Funktionäre von Dorna, IRTA und FIM keine Elektronikdaten studieren, ist mir auch klar.
Aber wenn eine Einheits-ECU existiert und das Drehzahllimit auf 13.500/min festgelegt wird, dann gibt es keinen Spielraum. Dann kann die maximale Drehzahl nicht einfach ignoriert werden.
Wir warten seit letzten Mittwoch auf eine Antwort. Ich bin stinkig, weil ich seit fast einer Woche nichts gehört habe.

Wie gross ist der Vorteil, wenn man auf den Geraden mit 100/min mehr fährt als die Konkurrenz?

Naja, das bringt nicht unbedingt mehr Leistung, weil du mit der vollen Leistung bis ans Ende fährst. Aber jeder erinnert sich an die Windschattenduelle auf den langen Geraden in der Moto3-WM 2015, wo wir uns manchmal gewundert haben, ob wir oft falsch übersetzt haben, weil die Honda-Fahrer oft aus dem Windschatten leicht an den KTM vorbeibezogen sind.
Wenn ein Moto3-Motorrad oft schon auf der Hälfte der Geraden im Drehzahlbegrenzer ist, dann ist es schon nützlich, wenn du 100/min mehr drehst. Das bringt natürlich keine 5 PS, aber so eng wie die Moto3-WM ist und wenn man bedenkt, dass wir den Fahrer-WM-Titel nur mit 254 zu 260 Punkten verloren haben, dann können kleine Unterschiede entscheidend sein. In einer Klasse mit Einheits-ECU sind solche Unterschiede nicht akzeptabel.

Habt ihr euch oft gewundert, wie Weltmeister Danny Kent mit der Honda trotz des strengen Reglements manchmal allein um 5 Sekunden davon fahren konnte?

Ja, schon. Aber wir haben in diese Richtung nicht gedacht und nicht gesucht.
Wir haben das Gefühl gehabt, wir sind 2015 fair geschlagen worden und konnten mit dieser Tatsache eigentlich bis letzte Woche sehr gut leben.
Aber die Magenverstimmung, die wir jetzt haben, hat ja viel tiefere Ursachen.
Denn als wir uns zum Einstieg in die Moto3-WM entschieden haben, wurden wir auf die Fährte gesetzt, dass es in dieser neuen Klasse ein Drehzahllimit von 15.000/min geben wird. Also haben wir ein Triebwerk für dieses Reglement konzipiert und begonnen, einen Motor zu entwickeln.
Dann wurden wir relativ spät informiert, dass das Reglement Richtung 14.000/min geht. Also haben wir den Motor anpassen müssen. Also dann diese Kategorie mit diesem Technik-Reglement ordentlich lief und alles tipp-topp in Ordnung war, wurde auf Druck von Honda das Drehzahllimit für 2015 auf 13.500/min reduziert. Man machte Kostenersparnis als Grund dafür geltend.
Wir waren von Anfang an ein Gegner von 13.500/min, weil wir glauben, dass relativ schöne Rennmotoren hier künstlich und sinnlos abgeschnürt werden. Ausserdem haben alle Werke gesehen, dass durch diese Aktion keinerlei Kostenersparnis möglich war.
Dass Honda diese 13.500/min durchgesetzt hat und wir dann bei der Drehzahl beschissen werden, das ärgert uns schon gewaltig.

Wo liegt jetzt der Hund begraben? Wurde die Einhaltung der Drehzahllimits von den zuständigen Funktionären überhaupt nie kontrolliert?

Dell'Orto kann man die Schuld nicht absprechen, weil sie die Elektronikdaten dauernd studieren.
Die Techniker der IRTA haben sich schon sehr stark auf die mechanischen, technischen Feinheiten gestürzt. Sie haben aufgepasst, was das Reglement bei den Rahmen, bei den Steuerketten und Ventilen und Umbauten am Motor betrifft. Da konnte nichts passieren, was nicht rechtmässig war.
Ich mache der IRTA keine Vorwürfe. Was willst du in die Black Box der ECU reinschauen, wenn du einem Hersteller wie Dell'Orto den Auftrag gibst, 30 ECU für alle Fahrer mit einem Drehzahllimit 13.500/min herzustellen? Ich weiss gar nicht, was es da eigentlich zu diskutieren oder zu kontrollieren gibt.
Wir haben vor einer Woche Fragen zu diesem Thema gestellt, aber wir haben noch keine Antworten gekriegt.

Wie sieht de Lösung für 2016 aus? Müssen die Daten nach jedem Rennen von Dell'Orto auf den Tisch gelegt werden? Sonst fährt der nächste Hersteller bald wieder mit 14.000/min wie 2014?

Meiner Meinung nach muss es eine ganz normale Protestmöglichkeit geben wie in allen anderen Klassen, um nach drei Rennen oder irgendwann einmal solche Daten und Beweise zu sehen. Es geht nicht, dass wir diese Daten zufällig erst drei Monate nach dem Saisonende in die Finger kriegen.
Wir werden jetzt nicht anfangen zu lamentieren und über die letztjährige Saison zu reden. Die ist abgehakt. Die WM 2015 ist verloren für uns. Aber wir wollen vor dem Katar-GP am 20. März Garantien haben, dass alle Moto3-Motoren 13.500/min drehen und keine Umdrehung mehr.
Es gibt natürlich Momente, wenn ein Fahrer zu früh runterschaltet und dann die Kupplung abrupt loslässt, dass der Motor mechanisch überdreht wird. Darüber beschweren wir uns nicht. Das kann passieren, auch wenn das dem Motor und dem Fahrer nicht gut tut.
Aber wir haben die Honda-Daten sehr sorgfältig studiert, und es passiert dort dauernd im fünften und sechsten Gang beim Geradeausfahren, wo die 100 zusätzlichen Umdrehungen sicher willkommen sind.
Die von Honda zu uns gekommenen Fahrer haben uns vorgeschlagen, das Honda-System zu kopieren. Sie wollen, dass wir unser Mapping verändern, also auch zu bescheissen. Aber das ist ja hirnlos.
Wenn ein Drehzahllimit existiert, muss es eingehalten werden.
Die Befüchtungen, dass in der Moto3-WM jemand Regelübertretungen begeht, die waren bisher ausschliesslich mechanischer Natur. Dass so ein Schwindel bei den Drehzahlen trotz Einheits-Elektronik möglich ist, hat uns extrem schockiert und enttäuscht.

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