Terrell Thien (Peugeot): «Wir werden tiefstapeln»
Mit einem neuen Teamnamen (Peugeot MC Saxoprint), einer neuen GmbH namens SPRacing Peugeot und zwei neuen Gesellschaftern unternimmt das einstige Racing Team Germany in der Moto3-WM 2016 einen Neuanfang. Die Vergangenheit war nicht immer konfliktfrei verlaufen. Der ausgemusterte Teammanager Dirk Heidolf hat viel verbrannte Erde hinterlassen.
Der neue Teammanager Terrell Thien soll den Rennstall Peugeot MC Saxoprint in eine gesicherte Zukunft führen.
Der französische Zweiradhersteller «Peugeot Motocycles» wurde zu 51 Prozent vom indischen Mahindra Konzern übernommen.
Mahindra liess für 2012, 2013 und 2014 bei Suter Racing Technology in Turbenthal/CH komplette Moto3-Motorräder bauen. Auch das Hauptquartier von Mahindra Racing wurde in die Schweiz verlegt.
Aber die Italien-Fraktion von Mahindra Racing überredete Rennchef Mufaddal Choonia, in Besozzo bei Varese ein neues Kompetenzzentrum zu errichten, die hohen Schweizer Löhne und die Nicht-EU-Mitgliedschaft der Schweiz wurden als Gründe geltend gemacht.
Im November 2014 wurde die Anlage in Besozzo eröffnet, als Statthalter wurde der ehemalige Husqvarna-Techniker Davide Borghesi engagiert. Es kam 2015 zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Suter-Konstrukteur Alex Giussani und Borghesi und dadurch zu einem technischen Stillstand.
Mahindra Racing sperrte Ende 2014 das eigene Moto3-Werksteam zu. Das Mapfre-Team von Aspar Martinez bildete 2015 erstmals das Werks- und Entwicklungsteam. Aber die Truppe mit Jorge Martin, Francesco Bagnaia und Juanfran Guevara enttäuschte, es gab im ganzen Jahr nur einen Podestplatz (durch Bagnaia mit Platz 3 in Le Mans). Bagnaia besiegelte mit dem 14. WM-Rang als bester Mahindra-Pilot das Desaster.
Wayne Gardner bezeichnete die MGP3O im CIP-Team seines Sohnes Remy sogar als «Scheisshaufen».
Teambesitzer Jorge Martinez und sein Sportdirektor Gino Borsoi verhandelten deshalb im September offen mit KTM und Honda, trotz eines Drei-Jahres-Vertrags mit Mahindra bis Ende 2017.
Sie forderten unmissverständlich, Mahindra möge die Entwicklung wieder zur Gänze in die kompetenten Hände von Giussani legen.
Die Einrichtung in Besozzo wird von den Teams als Reinfall bezeichnet, es sei bis heute kein richtiger Prüfstandbetrieb möglich, ist zu hören.
Mahindra Racing plante 2015 nach dem KTM/Husqvarna-Muster mit der Zweitmarke die Gründung eines Peugeot-Moto3-Teams. Rossis VR46-Team sagte ab, auch Fausto Gresini, mit RW Racing kam ebenfalls keine Einigung zustande, also wurde im Oktober ein Deal mit dem damaligen Racing Team Germany eingefädelt.
Jetzt sind alle Beteiligten gespannt, wie stark die Mahindra MGP3O im Winter weiterentwickelt wurde, denn dieses Motorrad wird baugleich auch als Peugeot-Renner eingesetzt.
SPEEDWEEK.com sprach mit Peugeot-Teammanager Terrell Thien über das Material für 2016 und die Erwartungshaltung des neuen Teams.
Terrell, bei Mahindra kam es 2015 ganz klar zu einem technischen Rückschritt, die Erwartungen wurden bei weitem nicht erfüllt. Martinez und Borsoi verlangten, dass Alex Giussani wieder die Entwicklungs-Kompetenz erhält. Ein richtiger Schritt?
Alex Giussani ist meiner Meinung nach ein absoluter Top-Techniker. Er hat mit Davide Borghesi zusammen den Motor und das Getriebe entwickelt. Laut dem, was ich bisher erfahren habe, ist der Motor jetzt in Verbindung mit dem Getriebe sehr vielversprechend. Die Chassis-Änderungen weiss ich bisher überhaupt noch nicht einzuschätzen. Das Mapfre-Team war ja im Januar in Cartagena mit Testfahrer Danny Webb beim Testen.
Die Teams erzählen, bei Borghesi in Besozzo stehe nicht einmal ein funktionstüchtiger Prüfstand. Wie will er dann was entwickeln?
Ich war vor zwei Wochen am Freitag dort. Ich habe einen Prüfstand gesehen. So viel ich gesehen habe, waren da auch Computer angeschlossen und Motoren drauf. Aber ich habe die Motoren nicht laufen gesehen.
Die Entwicklungsmöglichkeiten in der Moto3-WM sind stark eingeschränkt, es existiert für die 250-ccm-Einzylinder-Motoren zum Beispiel ein Drehzahllimit von 13.500/min. Ist das aufzuholen? Und wo liegen die grössten Schwächen bei Mahindra/Peugeot?
Das grösste Problem war das Getriebe in Verbindung mit der Motorleistung. Das war auch sichtbar. Wenn Jorge Martin mit viel Risiko einen hohen Kurvenspeed fahren konnte, war er mit dabei. Aber das ging halt nicht über die ganze Renndistanz.
Jetzt gibt es einen verbesserten Motor, der scheint zu funktionieren.
Dass man 2016 drei statt zwei Getriebevarianten verwenden darf, hat die Situation ein bisschen einfacher gemacht. Mahindra ist jetzt in der Lage, für sämtliche Rennstrecken eine passende Getriebevariante zu liefern.
Das Racing Team Germany fuhr letztes Jahr die Werks-Honda NSF 250RW. McPhee stand damit zweimal auf der Pole-Position, Masbou gewann ein Rennen, McPhee war in Indy Zweiter. Muss man 2016 kleinere Brötchen backen?
Wir werden auf jeden Fall ein bisschen tiefstapeln. Wir haben einiges im Griff. Was wir noch nicht im Griff haben können, ist das gesamte Material. Wir kennen es noch nicht. Wir werden wenig Testzeit haben bis zum ersten Rennen in Katar, das werden insgesamt nur acht Tage sein. Wir haben nur die zwei privaten Testtage am 24./25. Februar in Jerez und dann die offiziellen IRTA-Tests.
Wir können nur hoffen, dass die Basis des Materials gut ist, dann ist einiges möglich. Aber ich kann absolut keine Prognosen abgeben. Es ist alles zu neu.
Und ab dem Katar-GP ist die Entwicklung eingefroren. Die Motoren werden schon vorher homologiert.
Das ist richtig. Deshalb werden jetzt Nachtschichten geschoben; die Techniker gucken, dass es hinhaut.
Unser Abholdatum für das Material wird der 8. Februar sein. Da treffen sich dann unsere Cheftechniker mit den Leuten von Mahindra in Italien und bauen die Motorräder zusammen. Dann haben wir nicht mehr allzu viel Zeit bis zu den ersten Tests.
Wie werden die Crew-Chiefs bei euch verteilt sein?
Toni Gruschka wird für Alexis Masbou zuständig sein, Mark Keen für John McPhee.
Du redest vom Tiefstapeln, was die Ergebnisse betrifft. Aber Top-Ten-Plätze sind mit dieser Fahrerpaarung sicher vorgesehen?
Gut, in die Top-Ten wollen alle 32 Fahrer. Wenn wir anfangs um Punkte mitfahren können, sind wir schon zufrieden.
Aber dann will man sich im Lauf der Saison systematisch steigern?
Ja, aber das kann nur passieren, wenn das Material das hergibt. Wir haben zwei erfahrene Fahrer. Wir haben ein erfahrenes Team. Die Einarbeitungszeit wird bei den neuen Motorrädern nicht allzu lange dauern. Wenn wir einigermassen gutes Material haben, werden wir das auch umsetzen können.
Wie hoch sind die Erwartungen von Peugeot: Die Verantwortlichen dort wissen, dass die Mahindra kein Sieger-Motorrad ist?
Peugeot ist sehr euphorisch, was das Ganze angeht, sie erwarten sich einiges von diesem Projekt. Die sind sehr verwöhnt, was ihre Dakar-Geschichte angeht und alle anderen Motorsport-Events, wo sie so mitfahren. Der Moto3-Einsatz ist aber mit einer anderen Brille zu begutachten.
Aber die Motorrad-Abteilung von Peugeot hat doch mit den Automobilen und Dakar nichts zu tun.
Nein, gar nicht. Peugeot Motocycles ist eine ganz eigenständige Firma. Aber die obersten Peugeot-Bosse gucken natürlich auch auf die Veranstaltungen der Autofirma.