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Coronavirus in Italien: Neuer Alltag in der Sperrzone

Kolumne von Nora Lantschner
Italien erlebt eine schwere Zeit – das gilt auch für die Motocross-Szene

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Das gesamte italienische Staatsgebiet wurde aufgrund des Coronavirus zur «roten Zone» erklärt. Das wirkt sich auf das Leben von 60 Millionen Menschen aus – darunter auch Teams und Fahrer der MXGP-WM.

Am späten Montagabend wurde ganz Italien zum Sperrgebiet erklärt – oder zur «geschützten Zone», um es mit den Worten von Italiens Premier Giuseppe Conte zu sagen. Die Brot- und Obstregale waren am Dienstagmorgen zwar früher leer, von Panik zu sprechen wäre aber bei Weitem übertrieben. Trotzdem: Die drastischen Maßnahmen der Italienischen Regierung scheinen – zumindest in den Köpfen der Menschen – endlich ihre Wirkung zu zeigen.

Bis vor wenigen Tagen wurde auch hier in Italien noch heiß darüber diskutiert, ob die ganze Coronavirus-Geschichte nur zu sehr aufgeblasen werde oder ob die immer einschneidenderen Regierungsdekrete im Kampf gegen die Ausbreitung von Covid-19 gerechtfertigt seien – auch weil die Folgen für Tourismus und Wirtschaft jetzt schon verheerend sind. Angesichts der allarmierenden Zahlen stellt die Notwendigkeit inzwischen aber niemand mehr in Frage: Insgesamt 10.149 Coronavirus-Infektionen wurden in Italien bisher festgestellt, bereits 631 Todesopfer sind zu beklagen. Mehr als 1000 Personen gelten wieder als gesund, 8514 sind aktuell noch positiv, das sind 619 mehr als noch am Montag (Stand 10. März, 18 Uhr).

Wenn sogar in der höchsten italienischen Fußballliga, der Serie A, der Ball nicht mehr rollt, ist die Situation für Niemanden im Stiefelstaat mehr normal. Denn das Italienische Olympische Komitee (CONI) stoppte gestern auch den Sport im gesamten Land.

Der Alltag von 60 Millionen Menschen geht nicht mehr den gewohnten Bahnen nach: Kein Fitnessstudio, kein Kino, keine Pizza mit Freunden und schon gar keine Besuche bei Oma mehr. Schulen, Universitäten und Kindergärten bleiben in ganz Italien bis mindestens 3. April geschlossen. Versammlungen sind untersagt, Gottesdienste, Hochzeiten und Begräbnisse ausgesetzt. Bars und Restaurants müssen um 18 Uhr zusperren, wobei in den Lokalen rigoros auf den Mindestabstand von einem Meter geachtet wird, auch an den – immer wenigeren – Tischen. In einigen Gaststätten wurden hierfür am Boden eigens die Abstände mit Klebeband markiert.

Die Bewegungsfreiheit wurde drastisch eingeschränkt. Gingen in den vergangenen Tagen noch fast alle geregelt zur Arbeit, wird jetzt in immer mehr Unternehmen – wo möglich – auf Heimarbeit umgestellt. Die Geschäfte sind menschenleer, viele haben die Schließung angekündigt. Die Lage ist ernst und wird auch so wahrgenommen.

Seine Heimatgemeinde darf nur noch verlassen, wer einen triftigen Grund aufweisen kann:

  1. Wer in einer anderen Gemeinde zur Arbeit muss.
  2. Im Notfall, um zum Beispiel Lebensmittel einzukaufen, falls es in der Gemeinde kein Geschäft gibt.
  3. Wenn es aus gesundheitlichen Gründen unvermeidbar ist.

In der Praxis sieht es so aus: Wer sich in Bewegung setzt, muss eine ausgefüllte und unterschriebene Eigenerklärung mit sich führen, die man sich online besorgen kann. Die Ordnungshüter überprüfen die Angaben bei den – bisher noch überschaubaren – Kontrollen. Bei Falscherklärungen drohen Geldbußen von bis zu 206 Euro oder sogar bis zu drei Monate Haft.

«Io resto a casa» (zu Deutsch: Ich bleibe zu Hause) ist ganz klar der Slogan, der nicht nur auf den sozialen Netzwerken dominiert. Online sind inzwischen Spendenaktionen für die überlasteten Krankenhäuser angelaufen, so unterstützt auch MotoGP-Ass Francesco Bagnaia und sein «Pecco Fan Club» mit einer Aktion die Intensivstation des «Ospedale Molinette» in seiner Heimat Turin.

Motorsport: Auswirkungen und Reaktionen

Sportgrößen aus ganz Italien, darunter Valentino Rossi, Andrea Dovizioso, Tony Cairoli und Kiara Fontanesi, beteiligten sich an der Sensibilisierungskampagne des CONI unter dem Motto #DistantiMaUniti (zu Deutsch: voneinander getrennt aber zusammen): «Die Entfernungen dürfen uns nicht trennen. Auch wenn du jung bist, ist der Moment gekommen, um sie zu respektieren. Strecke eine Hand aus und es wird fast so sein, als würden wir uns berühren.»

Während die MotoGP-WM laut dem aktuellsten Kalender am 19. April in Las Terms/Argentinien beginnt, haben Cairoli und Co. schon zwei MXGP-Events hinter sich gebracht. Vor dem Übersee-GP in Neuquen/Patagonien (21. und 22. März) stehen aber vor allem die in Italien beheimateten Teams vor einer Herausforderung.

«Es ist ein totales Durcheinander, wir verstehen gar nichts mehr», seufzte der Eigentümer eines italienischen MXGP-Teams. «Die Jungs und die Mechaniker sind in Belgien geblieben und trainieren dort. Die Frachtkisten habe ich auch dorthin bringen lassen, weil wir nicht wussten, ob wir nach Hause kommen und dann wieder ausreisen konnten… Es gibt Bedenken einiger Werks-Teams, die den GP nicht bestreiten möchten, aber eine endgültige Entscheidung wird in den nächsten Stunden fallen», ergänzte er im Hinblick auf die bevorstehende Reise nach Argentinien.

Andere italienische Rennställe sind nach dem Grand Prix von Valkenswaard hingegen in die Heimat zurückgekehrt, um dort die Fracht bereitzumachen. Auch bei ihnen ist die Verunsicherung groß. «Alles ist sehr kompliziert, auch weil wir von Seiten des Promoters noch keine sicheren Informationen haben», war dort zu hören.

Auch für die Fahrer ist die Situation in Italien ungewiss: Gemäß den Richtlinien der Regierung wurden sämtliche Sportstätten geschlossen. Der italienischen Motorradverband FMI stellte nun klar, dass nur Rennfahrer, die an Serien auf nationalem und internationalem Niveau antreten, an Trainings-Sessions teilnehmen dürfen – allerdings nur unter Beisein von medizinischem Personal und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wie das in der Praxis funktionieren soll, ist noch nicht klar. Veranstaltungen sind bis zum 3. April ohnehin alle gestrichen, darunter die Motocross-Italienmeisterschaft am 15. März. Der MXGP in Trentino wurde bereits vom 5. April auf den 19. Juli verschoben.

Manche Crosser hoffen darauf, in den nächsten Tagen auf privaten Strecken hinter verschlossenen Toren trainieren zu können, andere halten sich vorerst auf dem Rennrad oder beim Joggen fit. Denn keiner möchte angesichts der aktuellen Coronavirus-Notlage in einem der ohnehin schon bis an die Grenzen ausgelasteten Krankenhäuser eingeliefert werden – und das Risiko einer Verletzung fährt im Motorsport immer mit.

Vorerst gilt also: Solange sich die Situation nicht entspannt, wird in Italien nicht Gas gegeben. Italienische Teams und Fahrer bereiten sich aber auf den Argentinien-GP vor, wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Bleibt zu hoffen, dass die radikalen Maßnahmen in der «roten Zone» dauerhaft in Form eines Rückgangs der Neuinfizierungen sichtbar werden.

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