Das Rätsel um Jeremy Seewer (Yamaha) in Loket
Auffällig in Loket war, dass Jeremy Seewer am Freitag mit Kinesio-Tapes im Fahrerlager auftauchte. Er wirkte etwas angeschlagen, schmetterte dann aber am Samstag einen sauberen Sieg im Qualifikationsrennen heraus. Im Siegerinterview deutete er an: «Nach dieser schwierigen Woche hätte ich niemals gedacht, dass ich hier auf Sieg fahren kann.»
Was meinte der Schweizer damit? Sein verkorkster Indonesien-Trip, bei dem er sich prompt einen Infekt zugezogen hatte, war inzwischen 3 Wochen her. Als am Sonntagvormittag die Promo-Termine am Monster-Truck anstanden, war der Schweizer der Erste, der sich wieder in die Katakomben der Team Hospitality verzog. Die obligatorischen Selfies mit den Fans machte er zwar bereitwillig, aber es war ihm deutlich anzumerken, dass er eigentlich nur seine Ruhe haben will, um sich auf die bevorstehenden Rennen vorzubereiten.
Der Rest ist bekannt: Seewer holte in Loket nach seinem Sieg in Ernée seinen zweiten Grand-Prix-Sieg der Saison und gewann mit einem 1-2-Ergebnis den Großen Preis der Tschechischen Republik. Im ersten Lauf setzte er sich mit einer kämpferisch starken Leistung gegen WM-Leader Tim Gajser (Honda) und GASGAS-Werksfahrer Jorge Prado durch, der den Holeshot gezogen hatte. Er nahm die Sprungkombination vor der Haupttribüne voll als Dreifachsprung und machte dort die entscheidenden Meter gut. So flog er zunächst an Gajser und später auch an Prado vorbei in Führung und gewann den ersten Lauf souverän mit 7 Sekunden Vorsprung vor Gajser.
«Im zweiten Lauf ist mir leider gleich zu Beginn ein Fehler unterlaufen», erklärte Seewer. «Maxime [Renaux] konnte mich überholen und danach war er sehr schnell. Ich habe ein paar Mal zum Überholen angesetzt, aber ich habe es nicht geschafft, vorbeizugehen. Trotzdem habe ich nach einer harten Woche den Grand-Prix gewonnen, obwohl ich nicht gut vorbereitet hierher gekommen bin.»
Erst nach dem Rennen sickerte die Wahrheit durch, was Seewer meinte, als er von einer «schwierigen und harten Woche» sprach: Vier Tage vor dem Rennen in Loket hatte er einen heftigen Trainingscrash in Lommel, bei dem er sich ein Schleudertrauma zugezogen hatte. Er kam also ziemlich angeschlagen nach Tschechien und legte dann diese brillante Leistung hin!
Mit seinem Sieg in Loket rückte Seewer wieder auf den zweiten Platz in der Tabelle vor. Zu WM-Leader Tim Gajser hat er nach 13 absolvierten Rennen einen Rückstand von 125 Punkten. Bei noch 6 bevorstehenden Grands-Prix können maximal 300 WM-Punkte vergeben werden - sofern der Oman-Grand-Prix überhaupt stattfindet. Die Diskussionen um die Überseerennen gehen im Fahrerlager ungebremst weiter. Ohne den Oman-GP wären es dann nur noch maximal 250 zu vergebende Punkte in dieser Saison.
Um den Titel wird Seewer also unter normalen Umständen nicht mehr kämpfen können, aber darüber macht er sich eigentlich auch keine großen Gedanken: «Die Punkte werden nach dem letzten Rennen zusammengerechnet. In diesem Jahr sind für mich viele Dinge schiefgelaufen, aber trotzdem konnte ich um Siege fahren. Ich werde versuchen, bei den nächsten Rennen weiter zu pushen.»
Bereits am kommenden Wochenende geht es in Lommel in WM-Runde 14. Für Seewer und die meisten Werksfahrer ist Lommel auch die Haus- und Trainingsstrecke. Der Sieg in Loket dürfte dem Schweizer dabei helfen, die Erinnerungen an den Trainingscrash vor einer Woche zu verdrängen.
Ergebnis MXGP Loket (Tschechische Republik):
1. Jeremy Seewer (CH), Yamaha, 1-2
2. Maxime Renaux (F), Yamaha, 3-1
3. Tim Gajser (SLO), Honda, 2-3
4. Glenn Coldenhoff (NL), Yamaha, 4-4
MXGP WM-Stand nach WM-Runde 13:
1. Tim Gajser (SLO), Honda, 577
2. Jeremy Seewer (CH), Yamaha, 452, (-125)
3. Jorge Prado (E), GASGAS, 442, (-135)
4. Maxime Renaux (F), Yamaha, 410, (-167)