Analyse Lettland-GP: Das Jahr 2014 war allgegenwärtig
Antonio Cairoli: Eine erneute Machtdemonstration in Kegums
Eine Woche nachdem MX1-Weltmeister Tony Cairoli die Marke von 60 GP-Siegen in einer Dekade erreicht hatte, schaffte diesmal Jeffrey Herlings seinen 28. GP-Triumph in nur dreieinhalb Jahren und im Alter von gerademal 18 Jahren. Die elfte Runde der Motocross-WM (das zweite von drei Rennen in Nordosteuropa in Serie) in Lettland wurde zum siebten Cairoli/Herlings-KTM-Doppelsieg in den Klassen MX1 und MX2 in dieser Saison.
Cairoli stand zum siebten Mal zuoberst nach seinen Plätzen 2 und 1 – Teamkollege Ken de Dycker stand mit dem Ergebnis 1/2 zum zweiten Mal in Folge auf der zweitobersten Podeststufe. Herlings war erneut unschlagbar und verlängerte seine Serie der Ungeschlagenheit auf alle bisherigen elf Meetings auf vier Kontinenten.
Herlings hat nun mit seiner Bilanz in der ewigen GP-Siegerliste Dave Strijbos eingeholt und hat nun den Rekord von zwölf Siegen in Serie von seinem Teammanager Stefan Everts (schaffte das Dutzend 2006) im Visier. Der Teenager kann den Rekord am kommenden Wochenende in Finnland einstellen und kommt seiner Titelverteidigung immer näher, theoretisch könnte es schon in drei Rennen so weit sein, derzeit liegt der KTM-Star 139 Punkte vor seinem Teamkollegen Jordi Tixier, der vielversprechende Franzose stand erneut auf dem Podest.
Nun muss Stefan Everts reagieren…
«Stefan sagte zu mir, lass ich nach der Pressekonferenz sprechen. Möglicherweise will er mir Geld bieten, damit ich nächstes Wochenende nicht gewinne», scherzte Herlings. «Ich würde sehr gerne diesen Rekord schaffen. Ich mag es, mir immer wieder neue Ziele zu setzen. Früher bestand eine GP-Saison aus zwölf Runden, danach ging es auf 14, 15 hoch und jetzt stehen wir bei 17. Es ist eine sehr lange Saison. Jeden einzelnen GP zu gewinnen wäre fantastisch, hoffentlich kassiere ich keinen Nuller, aber das weiss man eben nie.»
Wenn Herlings in alle 17 GP ungeschlagen bleiben sollte, könnte es ein Rekord für die Ewigkeit sein. Lediglich Everts gigantische 101 GP-Siege insgesamt bergen noch eine realistische Herausforderung für die kommenden zehn Jahre. Die Siegesserie hat viel mit KTM zu tun, in Kegums waren vier der ersten fünf und sieben in den Top-Ten auf 250 SX-F unterwegs.
Eine sehr trickreiche Streckenbeschaffenheit
In Kegums wurde viel davon geredet, was in Zukunft sein wird. Die flache und grosszügige Anlage wird in 14 Monaten das 68. Nationen-Motocross beherbergen. Während Lettland – ein Land mit einer Bevölkerung von nur knapp über zwei Millionen, das 1991 von der Sowjetunion unabhängig wurde – nicht gerade nahe liegt als Austragungsland für das MX-Flaggschiff, ist der Circuit mehr als geeignet, die Logistik nächsten Sommer bewältigen zu können. Die Streckenbeschaffenheit selber ist ein kleines Mysterium, ein paar der weltbesten Fahrer schüttelten am Samstag mit finsterem Blick den Kopf. Das gute Wetter führte zu einem harten Boden an vielen Stellen, aber durch die feine Erde waren es fast sandige Bedingungen. Die Mechaniker der Teams hielten bei der Konkurrenz Ausschau, welche Reifen verwendet werden. Auch die Dämpfungsabstimmung bereitete Kopfschmerzen, es musste gleichzeitig die Traktion und eine brauchbare Einstellung für das nervöse und wellige Gelände sichergestellt werden.
An der Strecke schieden sich die Geister. Clément Desalle mühte sich am Samstag ordentlich ab – so sehr, dass er am Sonntag über seinen achten Podestplatz in diesem Jahr eher erleichtert als zufrieden war. 2008-Weltmeister David Philippaerts erklärte, dass er die Strecke hasst, wie auch Kevin Strijbos. Viele Fahrer, speziell in der MX2, schauten sich den Boden von nahe an, Christophe Charlier, Alex Lupino, Glen Coldenhoff und Dean Ferris stürzten alle.
Was wird das Team USA 2014 vorfinden? Es wird nicht Sand wie in Lommel sein, aber wenn die Piste wieder gleich präpariert wird, gibt es einen interessanten Mix. Und da ist das Wetter noch nicht berücksichtigt.
Was macht Dean Wilson in Finnland?
Die Gerüchteküche brodelte in Lettland auch weiter. Das meiste Gerede drehte sich um die Zukunft der Kawasaki-Piloten Jeremy van Horebeek und Tommy Searle. De Dycker, der Polesetter bestätigte beiläufig seinen neuen Zweijahres-Vertrag bei KTM bei der Pressekonferenz nach dem Rennen. Ein Jahr konnte erwartet werden, aber zwei ist etwas ungewöhnlich. Werksmaschinen von Yamaha, Kawasaki und vielleicht Suzuki – wenn sich Clément Desalle nach vier Jahren auf der RM-Z450 zu einem Wechsel entscheidet – und Husqvarna sind für 2014 immer noch zu haben. Es wird interessant zu sehen, ob jemand aus der US-Szene nächstes Jahr am 1. März am Start steht. Dean Wilsons Anwesenheit dieses Wochenende in Finnland liess einige Augenbrauen hochgehen.
Während Herlings in der MX2-Klasse an der Spitze flüchtete, José Butron ein erneutes Podest holte und Spanien nach einer Dürreperiode im MX wieder hoffen lässt, was gab es sonst noch Auffälliges? Romain Febvre war wieder schnell, nachdem er sich von seinem Schien- und Wadenbeinbruch erholt hatte. Petar Petrov erzielte mit dem aussergewöhnlichen vierten Rang seine Karrierebestleistung. Die spektakulären Stürze von Charlier und Mel Pocock machten sichtbar, dass die Fahrer sowohl gegeneinander als auch gegen die Strecke zu kämpfen hatten.
Cairoli teilte mit, dass er drei Wochen nach seiner Knie-Bänderüberdehnung schon bald wieder normal trainieren könne. Im ersten Lauf hielt er sich cool auf Rang 2 hinter de Dycker mit dem Wissen, es im zweiten Durchgang noch richten zu können. Desalle kurvte alleine um die Strecke, während hinter ihm der Kawasaki-Grosskampf tobte.
Paulin: Titelkampf schon vorbei?
Gautier Paulin verlor erneut Punkte auf Cairoli, seine Meisterschaftsabsichten scheinen abzuflauen. Er liegt schon 82 Punkte zurück (also drei ganze Läufe bei zwölf ausstehenden), schaffte es zum zweiten Mal in Serie nicht auf das Podest. Seine aussergewöhnlichen Fähigkeiten auf der Werksmaschine zeigten sich aber trotzdem einmal mehr: Paulin wurde beim ersten Start unabsichtlich von Cairoli auf den Boden befördert, danach bahnte sich der Franzose den Weg durch das ganze Feld bis auf Rang 5 nach vorne.
Im zweiten Lauf musste sich Paulin mit Tommy Searle aus der CLS-Pro-Circuit-Mannschaft herumschlagen. Der Brite hat die Fitness und das totale Fehlen von Respekt vor den etablierten Stars, aber seine Starts stellten sich wieder als Schwäche heraus. Eine grandiose Aufholjagd bis auf Rang 4 und an das Hinterrad von Desalle wurde aber durch einen Überrundeten ruiniert, dieser hielt den Kawasaki-Rookie auf und verursachte einen Motorenabwürger.
Bei Honda gab es erneut enttäuschte Gesichter. Evgeny Bobryshev erzielte im ersten Lauf mit Rang 8 sein zweitbestes Resultat 2013, aber im zweiten Rennen durchschlug ein Stein seinen Kühler – Aufgabe. Max Nagl litt unter dem Wetter, Bauchschmerzen und konnte das Tempo nicht mitgehen.