Chris Walker: «Ich muss mich immer noch kneifen»
Seit 2012 ist Kawasaki der erfolgreichste Hersteller der Superbike-WM, davor gab es aber eine lange Durststrecke. Die zeitweise sogar belächelten Kawasaki-Piloten erreichten allenfalls Achtungserfolge. Als Chris Walker 2006 zum Meeting nach Assen reiste, hatte seit sechs Jahren keine Kawasaki mehr gewonnen.
Der heute 48-Jährige hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine durchwachsene Saison und war nur in Misano in die Top-5 gefahren. Als WM-Neunter hatte er nicht einmal ein Drittel der Punkte von WM-Leader Troy Bayliss. Beim Meeting in Assen schlug im ersten Rennen seine Stunde, die von Dramatik kaum zu überbieten war. Es war ein Regenrennen.
Nach der Besichtigungsrunde kam Walker mit einem stotternden Motorrad zurück an die Box. «Meine Mechaniker zerlegten das Bike und spritzten Kontaktspray über alle elektrischen Bauteile», erinnert sich der Brite wie gestern. «Ich wusste, dass ich im Regen ein gutes Ergebnis erreichen konnte. Das Bike war zu dieser Zeit nicht gerade eine Rakete, aber im Regen spielte das keine Rolle. Da kommt es nur den Grip und das Gefühl an. Mein Teamchef packte mich am Bein ein sagte 'piano, piano – das Rennen ist lang, lass es kommen'.»
Das Drama spitze sich in der ersten Runde zu. «Ich brauste die Startgerade hinunter, dann traf mich Karl Muggeridge von hinten. Ich musste durch den Kies fahren und reihte mich als Letzter wieder ein. Mein Teamchef hatte Recht, das Rennen wird lang», grinste Walker. «Ich glaubte nicht daran, auf einer halbwegs guten Position ins Ziel zu kommen. Ich glaubte allenfalls noch an ein paar Punkte.»
Weit vor Walker kämpften Top-Piloten wie Troy Bayliss, Troy Corser und Yukio Kagayamaha um den Sieg. Am Ende war es aber Walker, der vor Andrew Pitt als Erster die Ziellinie überquerte. «Bei Rennhalbzeit wurde der Regen stärker – das hat mich gerettet. Bayliss stürzte, dann auch Kagayama und Corser – alle stürzten», wunderte sich Walker. «Weil ich im Mittelfeld festhing, konnte ich nicht den Speed der Spitze fahren. Ich war so aber in Sicherheit. Als ich Pitt einholte, konnte ich ihm sehr leicht folgen. Ich hatte definitiv mehr Grip als er.»
Walker bildet sich auf seinen Sieg nichts ein. «Ich muss mich heute noch kneifen, wenn ich daran denke, dass Fahrer wie Bayliss praktisch an jedem Wochenende Rennen gewonnen haben. Ich hatte nie seine Klasse, nicht das Material wie viele andere Piloten und habe auch nicht viele Rennen gewonnen. Aber an diesem Tag konnte ich nichts falsch machen und es war phänomenal. Die Sieg war einmalig, klasse, wunderschön.»
Es war der einzige Sieg von Chris Walker in der Superbike-WM und gleichzeitig auch sein letzter Podiumsplatz. Seit seinem Rücktritt ist er Kawasaki-Händler.