Nicht nur Bautista fragt sich: Honda eine Missgeburt?
Honda befindet sich in einer endlos scheinenden Serie von Erfolglosigkeit. Nach der Saison 2002 und dem Titelgewinn mit Colin Edwards stieg die Honda Racing Corporation, zuständig für alle Werksauftritte des größten Motorradherstellers, aus der Superbike-WM aus. Von da an kümmerte sich Honda Motor Europe um den Start in der seriennahen Meisterschaft und beauftragte das niederländische Ten-Kate-Team. 2007 eroberten sie mit James Toseland den letzten WM-Titel in dieser Kategorie, nach der Saison 2018 trennte sich Honda von Ten Kate.
2019 war ein Übergangsjahr, in dem Moriwaki das Honda-Werksteam stellte. Zwar wuselten jede Menge Japaner in der Box herum, sie sammelten aber lediglich Daten. Verbesserungen an der damaligen Fireblade gab es kaum welche, wie der heutige Honda-Teammanager Leon Camier als Fahrer am eigenen Leib zu spüren bekam.
Für 2020 brachte Honda die neue Fireblade, erstmals eine CBR1000 mit drei R. Das Team wurde Alberto Puig unterstellt, dem Mann hinter Hondas MotoGP-Team. Und mit Alvaro Bautista sowie Leon Haslam wurden zwei sehr routinierte und erfolgreiche Piloten engagiert, die aber bereits 36 und 38 Jahre alt sind.
Die ernüchternde Ausbeute nach der kompletten Saison 2020 sowie den ersten drei Events 2021: Rang 3 von Bautista in Aragon vergangenen August ist der einzige Podestplatz.
Im Vorjahr brauste der Spanier immerhin achtmal in die Top-6, doch die Steigerung für diese Saison blieb aus. Platz 6 von Bautista im ersten Hauptrennen in Misano markiert Hondas Saisonbestleistung. In der Gesamtwertung liegen Bautista (43 Punkte) und Haslam (18) nur auf den Rängen 11 und 14, WM-Leader Jonathan Rea (Kawasaki) hat bereits 149 Punkte!
Den letzten Sieg holte Nicky Hayden am 15. Mai 2016 im Regen von Sepang, seit dem 6. Juli 2014 (Rea in Portimao) gewann Honda nicht mehr im Trockenen.
Und Honda eroberte in der Superbike-WM erst sechsmal den Titel, die allesamt lange her sind: Mit Fred Merkel (1988, 1989), John Kocinski (1997), Colin Edwards (2000, 2002) und James Toseland (2007).
Die ersten drei Saisonevents 2021 in Aragon, Estoril und Misano mühten sich Bautista und Haslam redlich, doch ihre Klagen von mangelndem Grip am Hinterrad, schlechtem Einlenkverhalten und nicht perfekt arbeitender Elektronik wollen nicht abreißen. Auch die Geometrie der Triple-R schein nicht die beste zu sein, Honda hat im Gegensatz zur Konkurrenz einen offensichtlich anderen Weg eingeschlagen.
In der MotoGP-WM hat Honda seit dem ersten Titelgewinn mit Freddie Spencer 1983 in den letzten fast 40 Jahren unvergleichliche Erfolge gefeiert, doch auch dort läuft seit dem Triumph von Marc Marquez 2019 und seiner anschließenden Verletzung nichts mehr.
«HRC arbeitet wirklich sehr hart für dieses Projekt», unterstrich Bautista im persönlichen Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Sie arbeiten genauso hart wie für MotoGP, wir haben 100-prozentige Unterstützung. Jeder bei Honda hat erwartet – auch ich –, dass es diese Saison besser läuft. Aber uns ist kein wirklicher Schritt nach vorne gelungen. Ich weiß nicht, auf welchem Level der Entwicklung wir sind. Ich weiß nur, dass wir das Motorrad in vielen Bereichen verbessern müssen. Wir müssen nicht in einem speziellen Punkt besser werden, sondern insgesamt. Wir arbeiten an der Abstimmung und der Elektronik.»
Der Spanier betont, dass er sämtliche Probleme schon in der Vorbereitungsphase im Winter von 2019 auf 2020 hatte, als das Motorrad frisch auf den Markt kam und die Schmach des jahrelangen Hinterherfahrens wettmachen sollte. Natürlich fragt sich Bautista eineinhalb Jahre später, ob die CBR1000RR-R der Weisheit letzter Schluss ist. Oder ob es in Wirklichkeit eine neue Fireblade braucht, weil man aus der aktuellen im eng gestrickten Superbike-Reglement keine siegfähige Rennmaschine machen kann.
«Ich bin nicht derjenige, der das zu entscheiden hat», bemerkte Bautista, der 2019 auf Ducati 16 Laufsiege gefeiert hat. «Wenn wir in dieser Meisterschaft zum Beispiel die Steifigkeit des Rahmens ändern dürften, wie das in MotoGP der Fall ist, dann würden wir unsere Ziele schneller erreichen. Aber das ist nicht erlaubt. Für uns ist alles schwieriger, weil wir nicht viel am Motorrad ändern dürfen. Ich erkläre den Ingenieuren meine Probleme, sie müssen entscheiden, welche davon sie lösen können. Oder ob wir ein neues Motorrad brauchen, weil das mit der aktuellen Geometrie und Steifigkeit unmöglich ist. Ich sage nicht, dass wir ein neues Bike brauchen, sondern was es braucht, um besser zu werden. Ob wir dafür ein anderes Motorrad brauchen, müssen sie entscheiden.»
Am 21./22. Juni testet das Honda-Werksteam in Navarra/Nordspanien, um sich auf den nächsten Event in Donington Park Anfang Juli vorzubereiten.