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Protest von Kawasaki: In dem Moment ging viel kaputt

Kolumne von Ivo Schützbach
Rea gratulierte Razgatlioglu zum Sieg – dann wurde Protest eingelegt

Rea gratulierte Razgatlioglu zum Sieg – dann wurde Protest eingelegt

Das Verhältnis zwischen Toprak Razgatlioglu und Jonathan Rea war jahrelang von tiefem Respekt und Freundschaft geprägt. Das hat sich am SBK-Wochenende in Frankreich geändert.

Weil der führende Toprak Razgatlioglu (Pata Yamaha) in der letzten Runde des Superpole-Rennens in Magny-Cours einige Zentimeter über die verbotene grüne Fläche neben der Strecke fuhr, wurde ihm nachträglich der Sieg aberkannt und dem Zweiten Jonathan Rea (Kawasaki) zugesprochen.

Soweit eine Situation, wie wir sie leider schon öfter erlebt haben, wenn die Rennleitung hinterher das Ergebnis korrigierte.

Prekär: Das FIM Stewards WorldSBK Panel, bestehend aus Antonio Lima, Jose Agustin Nunoz Leon und Gerry Bryce, hatte den Vorfall auf dem Circuit de Nevers vorerst nicht geahndet. Ob das Trio das Vergehen von Razgatlioglu übersah oder bewusst wegschaute, vermag ich nicht zu sagen.

Als Kawasaki Protest gegen Razgatlioglu einlegte, konnten die Offiziellen des Motorrad-Weltverbands den Vorfall nicht mehr ignorieren. Sie prüften jegliche Videobeweise, auch die Onboard-Aufnahmen von Rea, auf denen der entscheidende Moment zweifelsfrei festgehalten ist. Dass Toprak durch das marginale Überfahren der Grünfläche keinen Vorteil hatte, ändert nichts. Das Reglement ist dahingehend formuliert, dass Toprak durch seinen Ausflug einen Nachteil hätte haben müssen, um ungeschoren davonzukommen. Neutrale Situationen gelten als Vorteilnahme. Dass Rea Razgatlioglu in der folgenden Kurve überholte, wurde nicht als Argument für einen Nachteil gewertet.

Um es deutlich zu sagen: Kawasaki hatte jedes Recht für diesen Protest und das Stewards Panel gab diesem statt. Ob diese Regel sinnvoll oder sportlich fair ist, und ob die Ahndung des Vergehens verhältnismäßig war, ist nicht Bestandteil dieses Kommentars.

Mir geht es um die menschlichen Beziehungen, die in diesem Moment zerbrachen. Um den Respekt, der verlorenging. Und wie einige Jonathan Rea seither sehen.

Das Verhältnis zwischen Toprak Razgatlioglu und Jonathan Rea war jahrelang von tiefem Respekt und Freundschaft geprägt. Nach dem Event in Navarra erzählte Toprak: «Für mich ist Johnny etwas ganz Besonderes. 2016 und 2017 hat er mir bei jedem Rennen geholfen, weil wir für denselben Hersteller fuhren. Auch 2018 half er mir an jedem Rennwochenende. Für mich ist er ein ganz besonderer Typ und ich respektiere ihn immer.»

Ob das nach Magny-Cours noch so sein wird, darf bezweifelt werden. Denn es war der sechsfache Weltmeister, der im Parc fermé seinen Crew-Chief Pere Riba darauf aufmerksam machte, dass Razgatlioglu neben der Strecke war. Er solle das auch Teammanager Guim Roda sagen, ist in einem Video eines Dorna-Kameramanns gut zu hören.

Roda reichte wenig später fristgerecht den Protest ein. Am Sonntagabend tischte uns der Spanier folgende Geschichte auf: «Nach der letzten Runde des Rennens sagte mir unser Techniker Raul, der das Rennen in der Box am Monitor verfolgte, dass er glaube, Toprak habe in der letzten Runde die Streckenmarkierung überfahren. Ich ließ es von ihm überprüfen, um sicher zu sein.»

Ob sich das zeitgleich mit den Ereignissen im Parc fermé tatsächlich so abgespielt hat, oder ob Roda nur seinen Champion aus der Schusslinie nehmen wollte, wissen nur er und Raul.

Jonathan Rea ist der erfolgreichste Superbike-Fahrer aller Zeiten. Der Nordire liebt Zweikämpfe und weiß hervorragende Leistungen der Gegner zu schätzen und würdigen. Ich unterstelle Johnny jetzt einfach, den ich seit 14 Jahren persönlich gut kenne, dass er im Affekt gehandelt hat. Er sah das Vergehen von Toprak und teilte das seinem Crew-Chief mit. Ich tue mir schwer mit der Vorstellung, dass er sich in diesem Moment aller daraus resultierenden Konsequenzen bewusst war. Gleichzeitig hätte er sich in den folgenden Stunden dafür stark machen können, dass Kawasaki den Protest zurückzieht. Denn es dauerte über vier Stunden, bis das Stewards Panel eine Entscheidung fällte. Entweder tat Johnny das nicht oder Kawasaki ignorierte seinen Wunsch – ich weiß es nicht.

Reglement hin oder her: Viele Beobachter fragen sich, ob Rea das nötig hat. Ob er diese drei Punkte mehr (und zudem drei weniger für Razgatlioglu) unbedingt haben muss, um zum siebten Mal in Folge Weltmeister zu werden. Sicher, das Yamaha-Ass ist ein starker Gegner. Aber das waren Tom Sykes, Chaz Davies, Alvaro Bautista und Scott Redding vor ihm auch – sie machten Rea das Leben zeitweise ebenfalls sehr schwer. Und er schlug sie alle, obwohl Kawasaki vom technischen Reglement mehr als einmal eingebremst wurde.

Stellen wir uns vor, Rea gewinnt die Weltmeisterschaft mit fünf Punkten oder weniger Vorsprung auf Razgatlioglu: Dann werden viele mit dem Finger auf ihn zeigen und auf das Sprintrennen in Magny-Cours verweisen.

Alles wäre anders gekommen, hätten die FIM-Stewards ihre Arbeit von Anfang an korrekt und nach dem Regelbuch erledigt. Das Resultat wäre dasselbe wie jetzt, aber weder Rea noch Kawasaki wären in die Lage gekommen, auf den Fehler Razgatlioglus hinzuweisen. Und Yamaha-Teamchef Paul Denning hätte nicht sagen müssen, er hätte so etwas niemals gemacht – hinterher ist leicht reden. Nur Toprak nehme ich ab, dass er ein solches Verhalten von Rea nicht angeprangert hätte. Dafür hat der 24-Jährige zu viel Ehrgefühl und Respekt vor Rea. Ob das zukünftig auch so sein wird?

Kawasaki kann ich verstehen: Es geht um den WM-Titel und damit verbunden viel Geld.

Der japanische Hersteller sollte sich aber fragen, weshalb er in der Superbike-WM dabei ist. Kawasaki will die hervorragende Technik seines Produkts demonstrieren und mit sportlichen Erfolgen das gute Image pflegen. Daraus sollen bessere Absätze resultieren. Mit dem Protest in Magny-Cours wurde neben der Verringerung des WM-Rückstands von 13 auf sieben Punkte gegenüber Razgatlioglu und Yamaha noch etwas erreicht: Ein gewaltiger Shitstorm und Imageverlust. Ist es das wert?

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