Kulturschock für Asiaten: Gründe für ihr SBK-Versagen
Kohta Nozane wechselt in die Moto2-WM
1988 wurde die Superbike-WM etabliert, 1999 kam die Supersport- und 2017 die Supersport-300-WM dazu. Seither sahen wir zahlreiche asiatische Rennfahrer, viele davon aus Japan, jedoch kaum herausragende.
Der mit Abstand erfolgreichste ist der Japaner Noriyuki Haga, der zwischen 1994 und 2013 insgesamt 314 Superbike-Rennen fuhr und 116 Mal aufs Podium brauste – 43 Mal als Sieger. «Nitro Nori» wurde dreimal Vizeweltmeister und viermal WM-Dritter.
Der einzige andere Asiate, der eine WM-Medaille erobern konnte, ist der Japaner Katsuaki Fujiwara. 2002 beendete er die Supersport-WM als Zweiter, 2005 als Dritter. 21 Podestplätze und sechs Siege konnte «Katsu» in dieser Klasse holen, in seinen 59 Superbike-Rennen schaffte er es immerhin zweimal als Dritter aufs Podium.
2021 kam Kohta Nozane in die Superbike-WM. Der Fahrer aus Chiba wurde 2020 Japanischer Meister und arbeitete für Yamaha als MotoGP-Testfahrer. Sein Talent ist unbestritten, doch der internationale Durchbruch gelang ihm trotz Werksmaterial nicht. In seinen bislang 64 Rennen erreichte er nur zwei einstellige Ergebnisse: Im Vorjahr als Neunter im Sprintrennen in Aragon und als Siebter im zweiten Hauptrennen in Indonesien. Diese Saison hat Nozane erst 14 Punkte gesammelt und liegt in der Fahrer-WM auf der enttäuschenden 20. Position.
Nozane wurde deshalb bei der Fahrerwahl für das Giansanti Racing Team Yamaha für die Superbike-WM 2023 nicht berücksichtigt, dort kommen der letztjährige Moto2-Weltmeister Remy Gardner und Supersport-Champion und -WM-Leader Dominique Aegerter zum Einsatz.
Der 27-jährige Nozane, der seit Jahren von Yamaha protegiert wird, darf dafür im Team Yamaha VR46 Master Camp die Moto2-WM fahren.
Doch warum tun sich Asiaten in der eurozentrischen SBK-Meisterschaft mit ihren drei Klassen so schwer?
Honda-Teamchefin Midori Moriwaki, selbst Japanerin und seit Jahrzehnten im MotoGP- und SBK-Paddock tätig, ist mit den Schwierigkeiten vertraut.
«Asiaten müssen sich zuerst einmal an die europäische Kultur anpassen, was eine Herausforderung ist», erklärte Midori beim Treffen mit SPEEDWEEK.com. «Auf WM-Level trainieren alle Profirennfahrer gut, der Kopf macht den Unterschied aus. Jeder von ihnen weiß, was er zu tun hat. Es wird aber unterschätzt, wie viel mentale Stärke nötig ist, um die kulturellen Unterschiede zu bewältigen. Ein Fahrer trainiert gleich wie in Japan, fragt sich aber, weshalb er nicht die gleichen Erfolge erreicht. Es sind ganz viele Kleinigkeiten, die mentale Kraft kosten. Ich gebe dir ein Beispiel: Du gehst in ein lokales Restaurant und möchtest etwas bestellen, wegen der Sprachbarriere kannst du aber nicht genau erklären, was du gerne hättest. In solchen Momenten fühlst du dich verloren und verlierst 0,1 Prozent deiner mentalen Stärke. Viele solche Momente zusammengenommen werfen dich zurück. Du fühlst, dass dir etwas fehlt, kannst das aber nicht benennen. Fahrer aus Lateinamerika haben ähnlich Probleme, sie sprechen aber zumindest spanisch oder portugiesisch. Die Sprachbarriere macht einen Großteil aus, sie zermürbt dich mental.»
«Andererseits haben Haga und Fujiwara großartige Leistungen gezeigt», weiß die Japanerin. «Sie sind so gestrickt, dass sie ihren Kopf an- und ausschalten können. Sie konnten genau unterscheiden zwischen Privatleben und Rennmodus. Sie konnten die japanische Denkweise fast vollständig ausblenden.»