Der Charme von Mütterchen Russland
Moskaus Wahrzeichen, die Basilius-Kathedrale
Unser Ankunftsterminal im Flughafen Domodedovo etwas ausserhalb von Moskau ist recht neu. Doch ohne respektlos klingen zu wollen: Die Baupläne stammen augenscheinlich von einem deutschen Flughafen aus den 1960er-Jahren.
Die Zöllner sind völlig entspannt, kontrollieren mit einem geschwinden Blick, ob das Visum im Pass gültig ist. Das Gepäck abgeholt, hinaus in die Kälte. Wobei, so kalt ist es nicht – nur minus 2 Grad Celsius. Ich hatte Schlimmeres erwartet.
Kaum machen die Taxifahrer einen Touristen aus, stürzen sie wie ein Mückenschwarm auf ihn. Mir klingen noch die Worte von Eisspdedway-Star Günther Bauer in den Ohren, der mich explizit vor diesen Leuten warnte. Ausserdem werden wir bereits von einem Shuttle erwartet. Das hindert die Taxifahrer nicht am weiterfeilschen ...
Der Verkehr ist grausig. Vielleicht nicht so schlimm wie in Indien, aber schlimm genug. Alle 143 Millionen Russen scheinen sich für unseren Teil der Autobahn entschieden zu haben. Wir haben Glück und brauchen für die geschätzt 40 Kilometer ins Hotel nur 90 Minuten. Kollegen sind zweieinhalb Stunden unterwegs. Blinken und Vorfahrt beachten (geschweige denn gewähren) gehören nicht zu den russischen Tugenden. Wobei Verkehrsregeln ja auch oft überbewertet werden.
Russlands WM-Promoter Alexander Yakhnich will uns offensichtlich beeindrucken – was ihm nachhaltig gelingt. Für einmal residieren wir im luxuriösen Lotte Hotel im Zentrum Moskaus, nur 20 Minuten Fussmarsch vom Kreml entfernt. 5 Sterne, weniger Kitsch als das Burj al Arab in Dubai, dafür mehr Stil. Ich werde bei meinem Chef deponieren, dass ich mir den künftigen Standard der Hotels bei Superbike-WM-Läufen genau so vorstelle.
Marmor soll kalt sein, habe ich mal gehört. Nicht jener in meinem Badezimmer, der ist flauschig warm. Ebenso die Klobrille – für Geniesser. Licht und Telefon sind per Touchscreen zu bedienen. Bislang habe ich auch ohne diese Dinge gelebt, ab jetzt werden sie mir fehlen.
Die Minibar ist prächtig ausgestattet, in diesem Zimmer könnte man eine Woche abgeschnitten von der Aussenwelt überleben. Ganz billig wäre das nicht, kostet doch das Mineralwasser in der Designerflasche läppische 890 Rubel – 21 Euro! So gut kann kein Wasser sein. Kein Wunder, trinken die Russen vorzugsweise Vodka.
Womit wir bei den wirklich erkundenswerten Dingen sind. Russischer Vodka schmeckt anders als der Fusel, den wir von Gorbi und Smirnoff in Deutschland vorgesetzt bekommen. Er hat viel mehr Aroma, dafür weniger Alkohol und ist nicht so scharf. Und er wird idealerweise fast tiefgefroren serviert. Cola, O-Saft oder Bull fürs Getränketuning sind überflüssig.
Was in Moskau sofort ins Auge fällt: Es sind nur westeuropäische Autos, dazu Amischlitten, Japaner und Koreaner unterwegs. Ein Lada ist die Ausnahme. Wer etwas auf sich hält – und es sich leisten kann – fährt eine deutsche Nobelkarosse. Das gehört in Russland zum guten Stil.
Wobei der Stil definitiv anders ist als bei uns. Augenfällig wird das bei der Damenwelt. Was bei uns als nuttig gilt, ist in Moskau todschick. Doch warum sollte sich unser Auge nicht auch an solchen Schöpfungen erfreuen? Es gibt schlimmeres als Stilettos und hautenge Oberteile im Schlangenleder-Design.
Wer in Moskau weggehen will braucht Geld – viel Geld. Der Gast wird entsprechend exklusiv behandelt, muss lediglich beim Eintritt in jede Bar den Metalldetektor und die kritischen Blicke der Securitys über sich ergehen lassen. Dafür ist der Kunde hier noch wirklich König – deutsche Restaurants und Bars mit schlecht gelaunten Bedienungen und schnippischen Barkeepern gibt es im Osten nicht. Im Westen, in Amerika, nebenbei bemerkt auch nicht. In Asien schon gar nicht. Und auch in Arabien nicht. Wir Mitteleuropäer stehen mit unserem schlechten Service ziemlich alleine da.
Wem der Vodka auf Dauer zu kalt wird, der bekommt auch gerne ein Bier. Kozel erschien uns wegen der Namensgebung wenig appetitlich. Das «Bavaria» erweckte Interesse, bis wir «Made in Holland» darauf lasen. So etwas schreckt unter Bierkennern ab. Blieb noch das Budweiser. Geistig bereits auf amerikanisches Wasser mit Biergeschmack eingestellt, kam die grosse Überraschung: Ein Original-Budweiser aus Tschechien – das kann man sich schmecken lassen!
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