Leseprobe Bikeberufene: Was Midori Moriwaki antreibt
Die Autorin von «Bikeberufene» ist die Schwester von Anne Mühlemeier, die als Fahrwerkstechnikerin im Auftrag von alpha Racing unterwegs war und unter anderem Markus Reiterberger zu seinen Einsätzen bei der Asiatischen Superbike-Meisterschaft ARRC begleitet hat. Im Sommer 2023 verlor sie bei einem Motorradunfall ihr Leben. Suse Mühlemeier machte sich auf, hinter die Kulissen der Motorsport-Welt zu blicken. Mit dem Fokus auf Frauen.
Exklusiv bei SPEEDWEEK.com werden vor dem offiziellen Verkaufsstart des Buches erste Kapitel veröffentlicht.
Midori Moriwaki – die Legacy eines Traumes
Mein erster Freund war Rennfahrer. Er war so schnell wie Daijiro Kato. Als wir 20 waren, hat er mir im Café einfach so einen Antrag gemacht. Er sagte damals: Midori, ich möchte dich nicht einfach nur als Frau, ich möchte dich als Partnerin für mein Projekt. Ich werde Weltmeister und dann gehe ich sofort in den Ruhestand. Ich will dann eine Akademie aufbauen, die jungen Leuten hilft, eine solche Karriere zu machen. Du kümmerst dich um das Management und ich um das Training der Fahrer.
Einen Monat nachdem er mir den Antrag gemacht hatte, fuhr er ein Rennen in Tsukuba im All Japan Championship. Er führte. In der zweiten Runde stürzte er in Kurve drei und es gab einen großen Unfall. Er lag sechs Monate im Koma. Dann ist er gestorben. Ich hatte ihm versprochen, Weltmeisterkarrieren für Kinder zu schaffen und den Menschen zu helfen. Das mache ich bis jetzt und ich bin immer noch nicht fertig damit.
Unsere Familie ist seit drei Generationen im Rennsport tätig. Ich bin die Enkelin von Hideo ‚Pops‘ Yoshimura und Tochter der Rennfahrers Mamoru Moriwaki. Mit 21 Jahren bin ich ins Unternehmen meiner Eltern eingestiegen. Ich habe lange das Renndepartement der Firma geleitet und später mein eigenes Unternehmen gegründet – Midori International Engineering MIE Racing.
Heute bin ich zwar Managerin, aber ich verstehe meine Ingenieure und Mechaniker von Grund auf und bis heute führe ich alle Verhandlungen mit den Herstellern selbst. Man muss in solchen Fällen mit Zahlen und Fakten überzeugen, denn sonst steigt kein Top Management in ein MotoGP-Projekt ein. Leidenschaft allein verkauft sich nicht, man muss den Geschäftsvorteil dem Partner gegenüber klarmachen und so eine langfristige Zusammenarbeit aufbauen.
Die herausforderndste Zeit meines Lebens war sicher die, nachdem mein Vater zu mir kam und sagte: Midori, ich habe noch ein Ziel. Ich möchte die großen Hersteller der MotoGP als Ingenieur schlagen. Ich kann das Motorrad bauen, aber du musst das Management machen. Das ist mein Traum. Bitte mach es möglich. Das hat mir mein Vater gesagt. Fünf Jahre lang habe ich rund um die Uhr gearbeitet. Ich wusste nicht, wie wir das finanzieren würden, wo wir anfangen sollten, wie ich das alles managen sollte. Ich wusste nur, was das Ziel ist. 2010 hat unser MD600 Bike mit Toni Elias und dem Team Gresini Racing dann den Moto2 Weltmeistertitel geholt und das Versprechen war eingelöst. Mit meiner eigenen Firma habe ich anschließend HRC nach 17 Jahren zum ersten Mal wieder in die Superbike-WM geholt.
Wenn man meine Freunde fragt, was sie von dem halten, was ich tue, sagen sie alle, ich sei verrückt. Gleichzeitig sagen sie mir immer, dass ich eine unendliche Energie hätte, fast wie ein Atomkraftwerk. In schlechten Momenten würden sie immer an mich denken und das baut sie dann wieder auf. Das freut mich natürlich. Was andere über mich sagen, ist mir aber komplett egal. Ich sage immer: Du kannst nicht erwarten, dass andere Menschen deiner Meinung sind.
2008 habe ich den Moriwaki Junior Cup ins Leben gerufen, der in Europa, Amerika und Asien ausgetragen wird. Dafür haben wir extra ein neues Bike entwickelt, die Moriwaki Dream 250 Honda, mit der wir die Kids auf eine GP-Karriere vorbereiten. Es ist ein robustes Bike, das die Risiken bei Stürzen reduziert. Meine Vision ist, junge Leute zu fördern und gleichzeitig das Umfeld sicherer zu machen. 27 Jahre nachdem ich meinen Verlobten verloren habe, wird mir jetzt klar, was es bedeutet, Menschen zu unterstützen. Es geht nicht vorrangig darum, Weltmeister-Fahrer hervorzubringen, sondern um viel mehr. Die Legacy der Academy ist die Entwicklung des ganzen Umfelds. Die Branche für die Zukunft weiterzuentwickeln, da bin ich noch immer dran.»
Wer mehr über die Frauen im Motorsport erfahren möchte, kann sich auf der Website von Suse Mühlemeier umsehen oder gleich die Bestellung für das Buch abgeben.