Superbike-Regeln 2015: Wer gewinnt, wer verliert?
Bevor die Superbike-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr wieder einmal eine Reform ihres technischen Reglements erlebt, gibt es ein nicht ganz unwesentliches Detail zu klären: Wer wird Weltmeister 2014?
In den letzten Wochen entwickelte sich der Titelkampf zu einem Duell Kawasaki gegen Aprilia. Das überrascht nicht, schließlich gelten die Ninja ZX-10R und die RSV4 Factory als die ausgereiftesten und fortschrittlichsten Bikes im Feld, noch dazu erfahren beide Motorräder eine massive Weiterentwicklung seitens des jeweiligen Werks.
Dennoch schaffen es auch andere Hersteller mit stetiger Regelmäßigkeit, den Kawasaki und Aprilia das Leben schwer zu machen. Selbst die Ducati, welcher nachgesagt wird sie sei schlichtweg ein zu komplexes Motorrad, finden wir immer wieder auf Podestplätzen. Honda und Suzuki fuhren 2014 sogar Siege ein – obwohl ihre Motorräder über den geringsten Support vom Werk verfügen. Noch dazu sind die Honda und die Suzuki die ältesten Motorräder im Feld.
Honda-Pilot Jonathan Rea führte zeitweise sogar die WM-Wertung an. Dies hatte er freilich vor allem seinem Pata-Team zu verdanken, das den tendenziell eher auf eine Massenproduktion ausgelegten CBR1000RR-Motor massiv weiterentwickelte. So tauschten die Cosworth-Techniker die Standard-Elektronik gegen eine speziell entwickelte Renn-Elektronik, zudem kommt Rea in den Genuss des Ride-by-wire-Systems. Nur so konnte der Nordire der technisch besser gerüsteten (und finanziell besser gestellten) Konkurrenz gelegentlich die lange Nase zeigen und zu vier Rennsiegen fahren.
Dass Rea so auftrumpfen konnte, dass also ein technisch zunächst unterlegenes und relativ günstiges Motorrad konkurrenzfähig wurde – das ist einer Reglement-Philosophie geschuldet, die da heißt: Leistungs-Gleichschaltung. Nur damit war es möglich, ein (vermeintlich) unterlegenes Motorrad auf den Stand der Kawasaki und Aprilia zu bringen.
In Anbetracht der vielen verschiedenen Piloten und Motorräder, die zuletzt Rennsiege und Podestplätze einfuhren, müssen nun auch die heftigsten Superbike-Kritiker anerkennen, dass das eher offen gestaltete Reglement der letzten Jahre so falsch nicht sein konnte. Denn diese Regeln verhalfen allen möglichen Motorrad-Konzepten zur Konkurrenzfähigkeit.
Das Dumme ist nur: All diese Entwicklungs-Kits welche nötig sind, um einen Motor auf über 200 PS zu bringen und es dem Piloten zu ermöglichen, diese 200 PS auch kontrollieren zu können – sie müssen erst einmal entwickelt werden. Dazu braucht es clevere Ingenieure, viel Zeitaufwand und natürlich Geld.
Die Evo-bikes erfüllten ihren Zweck
Keine Frage: Die Superbike-WM war in den letzten Jahren eine extrem ausgeglichene, spannende Meisterschaft – doch leider auch für viele Teams unerschwinglich. Das Superbike-Feld dünnte zuletzt doch arg aus.
Zu allem Überfluss entwickelten sich auch die Zuschauerzahlen rückläufig. Weniger Piloten, weniger Zuschauer: Die Superbike-WM ist heute nicht mehr vergleichbar mit ihrer Hochphase vor einigen Jahren.
Als die Dorna sich entschloss, neben der MotoGP auch die Superbike-WM zu vermarkten, waren einige schonungslose Kommentare aus Spanien zu vernehmen. Die Superbike-WM werde schon bald nichts anderes mehr sein als eine bessere Superstock-Klasse.
Prompt brachte die Dorna die sogenannten Evo-Bikes in die Superbike-Weltmeisterschaft: Motorräder mit kostengünstigen Serien-Motoren, welche in ein reines Renn-Chassis gepflanzt waren. Dazu erließ die Dorna für die SBK-Teams Preis-Obergrenzen puncto Fahrwerk und Bremsen.
Die Evo-Bikes sind bis heute deutlich günstiger als die reinen Superbikes. Und bei weitem nicht so schnell. Aber die Evo-Bikes erfüllten ihren Zweck: Sie bewahrten die Superbike-Weltmeisterschaft vor der Ausdünnung, die Teilnehmerzahlen stiegen wieder an.
Die Evo-Bikes bereiteten den Boden für die Zukunft. 2015 sollte die Superbike-WM weitgehend gemäß diesen Evo-Regeln laufen. Doch ein genauer Blick auf das 2015er-Reglement zeigt: Die Motorräder orientieren sich im nächsten Jahr stärker am alten Superbike-Reglement als an den demnächst ausrangierten Evo-Bikes.
Ride-by-wire: Für weitere zwei Jahre erlaubt, selbst wenn das Serienbike (noch) nicht darüber verfügt. Bald schon jedoch werden so ziemlich alle Straßenmotorräder der beteiligten Hersteller über diese Technik verfügen. Zwei weitere Jahre Ride-by-wire also, ein vielleicht guter Kompromiss. Merken Sie sich dieses Wort: Kompromiss.
Elektronik: Die bleibt freigestellt – solange Kunden-Teams dieselbe ECU plus Software und zusätzliche Sensoren für maximal 8000 Euro beziehen können.
Federelemente: Da gelten dieselben freien Regeln wie 2014. Reinrassige Renn-Komponenten sind weiterhin erlaubt, solange sie eine bestimmte Kostenobergrenze nicht überschreiten.
Serien-Motoren? Sogar dieser zentrale Punkt des ursprünglich von der Dorna favorisierten Reglements wurde gekippt. Der Zylinderkopf darf auch 2015 massiv überarbeitet werden, die Nockenwellen dürfen getauscht werden, auch andere Pleuel dürfen (aus Sicherheitsgründen und zugunsten einer längeren Laufzeit) eingebaut werden. Nur das Gewicht der Kurbelwelle darf nicht mehr stark reduziert werden.
Es stellt sich die Frage: Wieso ist die Dorna derart deutlich von ihrem ursprünglichen Plan eines Reglements, das sich weitgehend an den Serien-Motorrädern orientiert, abgerückt? Die einfache Antwort lautet: Der Realismus hat gesiegt.
Unter den Evo-Regeln wären nur zwei oder drei Hersteller siegfähig gewesen, die anderen hätte im Grunde zuhause bleiben können. Wenn man bedenkt, für welch lange Zyklen mittlerweile Serien-Maschinen gebaut werden, dass also Modellwechsel nur alle paar Jahre stattfinden – dann wird klar, dass ein Hersteller mit einem unterlegenen Serien-Bike über einen langen Zeitraum hinweg nicht konkurrenzfähig gewesen wäre.
Ohne Chance, daran etwas ändern zu können.
Dazu kommt, dass die Hersteller die Superbike-Serie dafür nutzen wollen, ihre technische Weiterentwicklung voran zu treiben. Diese Möglichkeit bleibt ihnen mit den nun abgefassten 2015er-Regeln erhalten, zumindest innerhalb eines überschaubaren Kostenrahmens.
Bei den Debatten über das zukünftige Superbike-Reglement musste jeder Hersteller Zugeständnisse machen, wenngleich natürlich jeder bemüht war, seinen Vorsprung auf bestimmten Gebieten bewahren zu können. Kompromisse waren also gefragt.
Und die Dorna? Die wusste, dass die Superbike-Weltmeisterschaft auf das Engagement von Herstellern angewiesen ist. Also durfte man diese nicht zu sehr vergraulen. Zumal die Dorna das Ziel hat, die Superbike-WM wieder zu alter Größe und Bedeutung zu führen. Ohnehin ein schwieriges Ziel in einer Zeit, in der zahlungskräftige Sponsoren rar sind.
Um die Superbike-WM wieder nach vorne zu bringen, braucht die Dorna die bekannten Namen großer Hersteller, nur diese lassen sich gut vermarkten.
Wir werden abwarten müssen, bis die ersten Superbike-WM-Läufe 2015 hinter uns liegen, erst dann wissen wir, ob sich die neuen Regeln bewährt haben.
Bislang jedenfalls sage ich bezüglich der 2015er-Regeln: ein guter Kompromiss, Daumen hoch!