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Harald Ertl: Idee vom tollen Gruppe-5-Lotus Europa

Kolumne von Uwe Mahla
​In den 70er Jahren war das Motorsportreglement nicht so engmaschig wie heute. Da konnte sich ein pfiffiger Racer noch als Querdenker einbringen – mit höchst ungewöhnlichem Fahrzeug.

Der gebürtige Österreicher Harald Ertl gehörte zu den Großen des deutschen Motorsports. Sein Weg bis in die Formel 1 wäre schon Beweis genug für diese Behauptung, aber noch augenscheinlicher wird sie durch seinen Gewinn der Deutschen Rennsport-Meisterschaft 1978. Fragt sich, warum er sich auf der Höhe seiner Karriere auf das Abenteuer mit dem Lotus Europa einließ.

Der 1982 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Harald Ertl war auf seine Art ein Genie. Das begann mit seinem Talent als Rennfahrer, das er allmählich vom schnellen Bruchpiloten bis hin zum kühl kalkulierenden Rechner kultivierte.

Das setzte sich fort über sein gutes technisches Verständnis, seinen Ideenreichtum und seine klare Analyse.

Unschlagbar war Ertl (Jahrgang 1948) auch in der Art, sich und seine Aktivitäten zu vermarkten. Schnell machte er seinen auffällig himmelwärts gezwirbelten Bart zu seinem Markenzeichen. Er fand Sponsoren für jedes Projekt, weil er überzeugen konnte.

Ertl war der perfekte PR-Mann in eigenen Angelegenheiten, ein wagemutiger Finanzjongleur und einer, der andere im positiven Sinne einfangen konnte.

So viel zur Vorgeschichte seines Gedankenspiels für das ultimative Gruppe-5-Rennauto gemäß der so genannten Silhouette-Formel der späten 70er Jahre.

Während meiner Jahre beim Motorsport-Magazin «rallye racing» gehörte auch Harald zum engeren Kreis der Redaktion. Und so kam es, dass unser Chefredakteur eines Mittags vom Essen kam, mich in sein Büro rief und ganz aufgeregt von einem Gespräch mit dem prominenten Kollegen berichtete: «Der Harald hat eine tolle Idee – er will eine Geschichte über einen Lotus Europa im Gruppe-5-Format für uns schreiben. Und Sie betreuen das Projekt!»

Ich wusste, was das bedeutete. Obwohl Journalist, war er im Grunde schreibfaul, hauptsächlich, weil er meist wichtigere Angelegenheiten wie Geld auftreiben im Kopf hatte.

Zwischen den Saisons herrschte Saure-Gurken-Zeit und ein Ertl-Artikel würde unserem Magazin gut zu Gesicht stehen. Also ließ ich mir in den nächsten Tagen, teils (aber selten) von Angesicht zu Angesicht, meist per Autotelefon seine Idee Detail für Detail entwickeln, um das alles dann in ein Manuskript zu packen.

Ertl fing so an: «Das Basisauto müsste alle Konstruktionsmerkmale eines zweisitzigen Gruppe-6-Rennwagens aufweisen – im Wesentlichen das Konzept des längs vor der Hinterachse platzierten Motors.»

Allerdings müsste dieses Fahrzeug ein homologiertes oder zumindest homologationsfähiges Auto-Modell sein. Der BMW M1, der Fiat X1/9 und später – konsequenterweise der Lancia Delta – lagen auf derselben Gedankenwelle. Und eben der Lotus Europa.

Dieses Paket ließe sich mit einem besonderen Motor zu einem Kraftpaket ohnegleichen kombinieren. Ertl: «Man nehme den Zakspeed-Vierzylinder-Vierventiler-Turbo-Motor, mit dem könnte man in der Zweiliterklasse und auch darüber mächtig mitmischen.»

Ein Ford-Motor? In einem Lotus? Ertls Herleitung: «In einem Gruppe-5-Renner muss nur der ursprünglich für das Grundmodell homologierte Motorblock verwendet werden – und das ist im Fall des Lotus Europa exakt der aus dem Escort und Capri.»

Die Gestaltung und Herstellung der Karosserie- und Aerodynamikteile stellte in Ertls Vorstellung gar kein Problem dar. Und schon hatte Ertls Traum so weit Konturen angenommen, dass unser Zeichner-Team eine eindrucksvolle Skizze anfertigen konnte.

Aber der gute Harald ging dann auch noch den nächsten Schritt mit der ihm eigenen Zielstrebigkeit an: Zu den vergleichsweise günstigen Gestellungskosten von rund 220.000 Mark stellte er den Gruppe-5-Lotus in Eigenregie auf die breiten Rennwalzen.

Anders als bei seinen nur gedachten Ideen setzte er allerdings ein TOJ-Sportwagen-Monocoque ein, was ebenfalls seiner Vorstellung entsprach, möglichst Vorhandenes zu verwenden.

Beim 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring tauchte der Lotus zum ersten Mal vor Publikum auf. Ohne vorherige Tests machte er eine recht gute Figur, ehe er mit Motoschaden ausfiel.

Leider ist das Unikat, das viele als das schönste Auto des Rennens bezeichnet hatten, anschließend – von einigen sporadischen Renneinsätzen – allmählich in der Versenkung verschwunden.

Heute befindet es sich in bester Rennauto-Gesellschaft im Besitz eines engagierten Sammlers.

Eines aber hat Ertl mit seinem Projekt allemal erreicht – und das war ihm Triebfeder genug: «Es hat mich einfach gereizt zu zeigen, dass ich mehr kann als nur schnell Autofahren.»


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