Schock: Weltmeister-Team Kallio Yamaha vor dem Aus
2018 wurde das Kallio-Team mit Sandro Cortese Weltmeister
Mehrere Jahre war das finnische Kallio-Team in der Superstock-600-EM unterwegs, 2015 entschloss es sich erstmals zu einem Wildcard-Start in der Supersport-WM. Niki Tuuli trat in Donington Park an und wurde beachtlicher Neunter, der Este Hannes Soomer in Magny-Cours 21.
2016 absolvierte Kallio mit Tuuli und Soomer drei Wildcard-Einsätze, der Finne wurde jeweils Zweiter!
Kallio Yamaha hatte bewiesen, dass sie gut genug für die Superport-Weltmeisterschaft sind und stieg für 2017 fix in die heute mittlere Hubraumkategorie ein. Der Südafrikaner Sheridan Morais wurde WM-Vierter und sorgte auf dem Lausitzring für den ersten Sieg. Tuuli ging in der Hälfte der zwölf Rennen leer aus, wurde aber dennoch Gesamt-7.
Bereits im zweiten WM-Jahr erlebte das Kallio-Team mit Sandro Cortese seine Sternstunde. Erst zu Weihnachten einigten sich die Finnen mit dem Schwaben und eroberten in zwölf Rennen 2018 acht Podestplätze, darunter zwei Siege. Beim Saisonfinale in Katar setzte sich Cortese in einem atemraubenden Rennen gegen Jules Cluzel durch und eroberte damit seinen zweiten WM-Titel nach dem in der Moto3-Klasse 2012.
Für 2019 stockte das Team zwar von zwei auf drei Fahrer auf, diese hatten aber nicht die Klasse von Cortese, der in die Superbike-WM wechselte. Isaac Vinales beendete die Weltmeisterschaft als Siebter, Thomas Gradinger als Neunter und Hannes Soomer als 14.
2020 lief es nicht besser, Vinales und Soomer wurden Achter und Neunter. Immerhin: Kallio Yamaha gelangen 2019 und 2020 jeweils mehrere Podestplätze.
2021 fuhr erneut Soomer (dreimal Top-5) für das Team, außerdem der Finne Vertti Takala, sie belegten die Gesamtränge 12 und 15.
Dieses Jahr sieht es noch düsterer aus: Stammfahrer Alessandro Zetti fuhr nur zum Saisonbeginn in Aragon und Assen und ist seither verletzt. Teamkollege Patrick Hobelsberger, der einzige Deutsche in der Supersport-WM, war nach einem Trainingssturz Anfang Mai auf dem Slovakia Ring und einem weiteren heftigen Abflug in Donington Park ebenfalls monatelang verletzt und hat erst 21 Punkte auf dem Konto, was den enttäuschenden 22. Gesamtrang bedeutet.
Über die Jahre bekam das Kallio-Team von Yamaha nie die Unterstützung wie andere, obwohl sie als Topteam gehandelt wurden. Teamchef Vesa Kallio hatte immer schwer zu kämpfen, das Budget zusammen zu bekommen. Inzwischen hat sich die Situation so weit zugespitzt, dass nur noch ein potenter Partner für 2023 die stets tadellos auftretende, engagierte und kompetente Truppe retten kann.
«Über die Jahre war es nie einfach», betonte Vesa Kallio im Vier-Augen-Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Während der Covid-Maßnahmen, nach den Maßnahmen und jetzt mit dem Krieg Russland gegen Ukraine wurde es mit den Firmen sehr schwierig. Während Covid wollte niemand etwas machen, das macht es mit dem Budget für kleine Privatteams besonders schwer. Das ist aber nur eine Sache. Hinzu kommt, dass sich die Regeln ständig ändern, keiner weiß, in welche Richtung es mit der Yamaha gehen wird. Aktuell sind die Maschinen auf einem sehr ähnlichen Level.»
Seit diesem Jahr gibt es in der Supersport-WM eine Balance-Regel, welche Motorräder von 600 ccm mit vier Zylindern bis zu Twins mit 955 ccm auf ein Niveau bringt. Das gibt den Herstellern mehr Freiheiten beim Einsatz ihrer Modelle.
Die Motoren im Team Kallio werden von Hannu vorbereitet, dem Vater von Vesa und Mika. «Er ist nicht mehr der Jüngste», hielt Vesa fest. «Und wir müssen irgendwo ein stattliches Budget finden, sonst können wir in der Supersport-WM nicht weitermachen. Flüge sind sehr teuer geworden, im Moment ist einiges zu kompliziert. Wir begannen das Team mit Mechanikern aus Finnland, ich habe immer geschaut, dass die Kerngruppe die gleiche bleibt. Wir haben genügend Informationen und Fähigkeiten, um auf WM-Level zu fahren.»
Um in der Supersport-WM siegfähig agieren zu können, sind pro Saison und Fahrer 350.000 bis 400.000 Euro nötig.
Familie Kallio hat in Valkeakoski, 40 Kilometer südöstlich von Tampere, eine Werkstatt, in welcher Rennmaschinen für Kunden aufgebaut werden. «Wir machen auch Fahrercoaching und Track-Days», ergänzte Vesa. «Wir werden immer etwas im Rennsport machen, in Finnland haben wir einige Fahrer.»