Neue Hersteller für die SSP-WM: Bajaj, TVM, Mahindra?
Vor dieser Saison wurde das Reglement der Superbike-WM und ihrer Rahmenklassen angepasst: Die Märkte für Homologationen wurden von USA/EU/Japan auf USA/EU/Asien geändert. Damit könnten nicht nur chinesische, sondern auch indische Hersteller an den SBK-Weltmeisterschaften teilnehmen, selbst wenn sie nur für ihre Heimatmärkte produzieren. In den asiatischen Ländern könnten sportliche Erfolge in der 300er-Klasse der Supersport-WM kommerziell von einiger Bedeutung sein.
In Asien leben fast 60% der Weltbevölkerung, in absoluter Zahl sind das 4,65 Milliarden Menschen. In den klassischen Motorradmärkten Nordamerika und Europa zusammen lebt eine Bevölkerung von 1,1 Mia. Menschen. Der asiatische Markt ist, gemessen an der Zahl der Bevölkerung, mehr als viermal größer.
Alleine in Indien leben 1,38 Mia. Menschen, praktisch gleich viele wie in China. In Indien werden jährlich um die 20 Mio. motorisierte Zweiräder hergestellt. Die indische Motorradproduktion ist die zweitgrößte der Welt, Spitzenreiter ist China mit einer Jahresproduktion von 23 Mio. Stück.
Zum Vergleich: Die vier japanischen Hersteller bauen zusammen in Japan (also ohne die Tochterfirmen in anderen, überwiegend asiatischen Ländern) etwa 500.000 Motorräder jährlich. Etwa gleich viele (oder wenige) wie die wieder erstarkten europäischen Hersteller zusammen. Die Motorradproduktion der USA dürfte knapp 200.000 Stück jährlich betragen.
Größter Motorradhersteller Indiens ist die Marke Hero mit einer Jahresproduktion von über 6 Mio. Stück. Spitzenmodell ist die Hero Extreme 200S, mit luftgekühltem Einzylindermotor, der 18 PS leistet. Auf dem Heimmarkt ein kommerzieller Erfolg, als Basis für eine Rennmaschine aber ungeeignet.
TVS und Bajaj bauen beide um 5 Mio. Motorräder jährlich. TVS ist seit 2021 auch Besitzer von Norton, Spitzenmodell im TVS-Modellprogramm ist die Apache RR 310. Eingebaut ist ein moderner Motor mit Einspritzung, Rutschkupplung, zwei obenliegenden Nockenwellen und Schlepphebeln, der 34 PS leistet. TVS baut mit diesem von BMW mitentwickelten Motor die Einsteigermodelle von BMW, die G310R und die G310GS. Die TVS Apache RR310 hat einen Gitterrohrrahmen und KYB-Federelemente. TVS verlangt für dieses supersportlich designte Motorrad 259.990 Rupien, was 3150 Euro entspricht.
Bajaj Auto ist mit Joint Ventures sowohl mit KTM als auch Triumph verbündet. Bajaj baut für KTM die Duke-Modelle mit 125, 200 und 390, dazu die 390 Adventure und die RC 390. Für den Heimmarkt baut Bajaj jedoch kein Motorrad mit mehr als 250 ccm, und dieses basiert auch nicht auf der KTM, sondern ist angetrieben von einem luftgekühlten Einzylindermotor.
Als nächste Marke ist Mahindra zu erwähnen, auch in Europa bekannt durch Einsätze in der 125er- und Moto3-WM zwischen 2011 und 2017. Namhafte Erfolge feierte der indische Rennstall nur 2016, als der spezialisierte Schweizer Betrieb Suter Racing für Mahindra und dessen Tochterfirma Peugeot die Moto3-Rennmaschinen baute.
Mahindra besitzt neben den Peugeot-Namensrechten für Motorräder und Roller auch die Namensrechte an Jawa und BSA. Im Modellprogramm findet sich das Spitzenmodell Mojo 300, ein eigenwillig designtes Touringmotorrad mit flüssigkeitsgekühltem Einzylindermotor. Mahindra hat seine Zweirad-Produktion stark reduziert.
In Europa ist Royal Enfield der bekannteste Hersteller Indiens. Vor der Corona-Krise gelang Royal Enfield 2018 mit fast 800.000 verkauften Maschinen ein Rekordjahr. Der Hersteller von neoklassischen Maschinen mag den Geschmack der Europäer und Nordamerikaner treffen, ist in Indien, gemessen an den Stückzahlen, im Vergleich zu Hero, TVS und Bajaj aber von untergeordneter Bedeutung.
Ob es sich für indische Hersteller lohnt, ein kostspieliges Rennteam in die Supersport-300-WM zu entsenden, ist schwer zu beantworten. Zumal es derzeit mit Indonesien nur einen Event in Asien gibt, wo die 300er aber gar nicht dabei sind. Derzeit wird die WM von Yamaha und Kawasaki dominiert, KTM ist immerhin mit einem Team dabei.
Am schnellsten könnte wohl Bajaj mit einem konkurrenzfähigen Team antreten und die KTM RC390R einsetzen – wenn man bei Bajaj und KTM zum Schluss käme, dass so ein Engagement marketingtechnisch Sinn machen würde.