Ken Roczen (P2/Honda): Raue Bedingungen in Anaheim
Sein Sieg im Vorlauf war für Ken Roczen nach seinen vielen Verletzungen ein sensationelles Comeback. Ricky Carmichael, der in diesem Jahr bei der Liveübertragung von NBCSN als Co-Moderator agiert, kommentierte die Story so: «Ein solches Comeback nach derart verheerenden Verletzungen habe ich noch nicht erlebt.»
Viele Beobachter stellen sich immer wieder die Frage: Ist Roczen nun wirklich wieder der alte? Die Antwort, die das deutsche Jahrhundert-Talent am Samstag im verregneten Angel Stadium von Anaheim (Kaliforniern) war eindeutig: Nein, jedoch im positiven Sinne! Denn Roczen ist noch besser geworden. In der Zeit seiner verletzungsbedingten Rennabstinenz ist er als Fahrer und Mensch gereift. Ein Rennen, wie jenes vom letzten Samstag, kannte man bisher vielleicht von Ryan Dungey, der von der ersten Sekunde an das große Bild im Kopf hatte, der immer klug gefahren ist und lieber Punkte mitnahm, als sie durch unnötige Risiken zu verschenken. Das hat Dungey den Spitznamen 'The Diesel' eingebracht, stets beständig und klar fokussiert um die Meisterschaften kämpfend, nicht um Einzelergebnisse.
Das hat Roczen beim Saisoneröffnungsrennen in Anaheim auch getan. Er hat nach einem mäßigen Start seine Überholmanöver clever vorbereitet und umgesetzt und trotz der schwierigen Streckenbedingungen die Lage jederzeit unter seiner Kontrolle gehabt.
«Das Wichtigste ist, dass ich gesund geblieben bin und ein solides Podium einfahren konnte», erklärte der Mattstedter nach dem Rennen. «Die Bedingungen waren schwierig. Sie können dir in die Karten spielen, aber sie können dir auch das ganze Rennen vermasseln. Bis zur Rennmitte sind wir noch die großen Doppelsprünge im Infield gesprungen, aber dann wurde es wirklich glatt. Besonders die Spurrillen wurden immer tiefer. Es ging am Ende nur noch darum, konstant ohne Fehler durchzukommen.»
Die Überrundeten spielten bei der Rennentscheidung in Anaheim definitiv eine Rolle. Dean Wilson verlor nach 3/4 der Renndistanz seine Führungsposition an Justin Barcia, weil er beim Überrunden zu viel Zeit verlor und Barcia in dieser Phase wichtige Meter gutmachte und sich in Schlagposition brachte.
«Auch ich wurde ein paar mal von Überrundeten richtig aufgehalten, was mir Einiges an Zeit gekostet hat», erinnert sich Roczen.
«Mit dem Sieg im Vorlauf und Rang 2 im Finale kann ich zufrieden sein. Wir haben eine gute Ausgangsposition für die Meisterschaft.» Die Supercross-WM wird in 17 Läufen ausgetragen.
In der Pressekonferenz nach dem Rennen wurde Roczen auch gefragt, ob er als Europäer besser mit schlammigen Strecken zurechtkommt als die Amerikaner. «Natürlich bin ich früher in Europa mehr im Schlamm gefahren als hier in Amerika. Aber inzwischen fehlt mir auch dafür das Training und die Routine. Früher war ich auch bei Schlammrennen ganz gut und mochte auch solch schwierigen Bedingungen. Heute gibt es wahrscheinlich kaum noch einen Unterschied zwischen mir als ehemaligen WM-Fahrer und der Konkurrenz hier in den USA. Aber ich kann durchaus sagen, dass mir solche Bedingungen recht gut lagen und liegen. Aber das trifft für Justin [Barcia] und auf einige andere Fahrer genauso zu.»