Formel 1: FIA spricht Urteil

Arcus Air: Todesangst in der Cessna

Kolumne von Rainer Braun
​Schon vor Jahren bewegte sich die schnellen Herren der Vollgasbranche bevorzugt mit dem Flugzeug, mit der Rennfahrer-Airline «Arcus Air» gab es so manche wilde Geschichte.

Gerüttelt, geschüttelt, geschockt – so beschrieben gestandene Vollgas-Profis wie Hans Heyer, Rolf Stommelen oder Harald Grohs einst so manch abenteuerliche Luftreise des auf Rennfahrer-Flugdienste spezialisierten Kölner Unternehmens «Arcus Air-Taxi».

Deren Chef Hajo Masing quittierte all die Ängste seiner schnellen Passagiere stets nur mit einem freundlichen Lächeln und der Feststellung: «Ist doch nix passiert, bisher haben noch alle immer ihr Ziel pünktlich erreicht.»

Aber zumindest die eine oder andere Zitterpartie gab es schon.

Zwar war Masing stets stolz darauf, dass es in fast 30 Jahren nicht einen einzigen Unfall gab, aber trotzdem haben Rennfahrer, Journalisten und Motorsportchefs bei ihren Luftreisen mit Arcus Air so manch abenteuerliche Geschichte erlebt.

Wie zum Beispiel jener Horror-Flug am letzten August-Sonntag 1974 vom Österreichring via Stuttgart nach Köln, der für Piloten und Passagiere als wohl eine der schlimmsten Zitterpartien galt.

Nach einer Ford Presse-Veranstaltung hob die zweimotorige Cessna 401 vom Flugplatz Zeltweg ab. An Bord waren Ford-Sportchef Michael Kranefuss, Werksfahrer und DRM-Titelkandidat Dieter Glemser, Journalist Yörn Pugmeister und weitere Ford-Leute.

Über der Alpen-Region Salzburg geriet die Maschine durch falsche Wetterangaben der Leitstelle ins Zentrum einer schweren Gewitterfront. Orkanartige Böen und fürchterliche Turbulenzen schüttelten die verängstigten Passagiere durch, große Hagelkörner schlugen gegen die Cessna. «Ich war mir sicher, dass mein Leben jetzt zu Ende geht», so beschrieb Dieter Glemser später seinen Gemütszustand.

Als die Maschine wieder mal fast im freien Fall schräg nach unten trudelte, hatte Glemser aber immerhin noch den Nerv, seinen neben ihm halb ohnmächtig in den Gurten hängenden Chef Kranefuss mit folgender Erkenntnis zu konfrontieren: «Mensch Mike, wenn wir jetzt runterfallen, dann gewinnt ja der Obermoser im BMW die Rennsportmeisterschaft.»

Die Sorge erwies sich als unbegründet. Bleich aber unversehrt landete die Reisegesellschaft in Stuttgart, wo Glemser und Pugmeister sowieso aussteigen wollten. Kranefuss und die Ford-Truppe mussten allerdings in Mietautos umsteigen, um ihr Endziel Köln zu erreichen.

Denn nach eingehender Begutachtung des Fluggeräts stellte sich schnell heraus, dass die Cessna schwere Hagel-Treffer abbekommen hatte und nicht mehr flugtüchtig war. Der Schaden wurde auf mehr als 150.000 D-Mark taxiert. «Ohne erfahrene Piloten», so Masing damals, «hätte das ganz böse enden können.»

Ganz so dramatisch ging es zwar bei anderen Schlechtwetterflügen nicht zu, aber so mancher Racer erinnerte sich noch an schwere Turbulenzen und Wildwest-Landungen. Bei Zeitnot konnte der «Touchdown» auch schon mal auf die Landebahn eines Flugplatzrennens verlegt werden – notfalls wurde der laufende Rennbetrieb kurz unterbrochen.

Der Vorteil des Arcus Air-Arrangements: Keine Parkplatznöte beim Abflug, individuelle Flugzeiten, Landung entweder direkt auf einer Wiese neben der Rennstrecke oder einem Flugfeld in der Nähe.

Und so gings dann auch wieder zurück, keine lästigen Wartezeiten, keine Anfahrt auf verstopften Zufahrtsstraßen, keine verpassten Linien-Maschinen.

Manchmal war das ganze Paket sogar nur unerheblich teurer als ein normaler Linienflug – wenn es den überhaupt gab. Einige zahlten für den bequemen Flugservice übrigens nichts, dafür stellten sie, wie Joest oder GS-Sport, im Gegenzug ihre Rennautos für Arcus Air-Werbung zur Verfügung.

So wurde das Flugunternehmen Arcus Air in den 70er- und 80er-Jahren für so manchen Rennfahrer und eiligen Journalisten zum Retter in höchster Termin-Not.

Oft mussten die Herren Stommelen, Mass, Heyer, Grohs & Co. zwischen Silverstone und Diepholz hin und her pendeln. Oder zwischen Le Mans und Mainz-Finthen. Es war die Zeit, in der Mehrfachstarts an einem Wochenende zur Normalität gehörten. Ganz abgesehen davon, dass auch mal schnell ein neuer Motor oder ein Getriebe eingeflogen werden musste.

Arcus Air war die Rennfahrer-Airline schlechthin. auch Im Motorsport engagierte Unternehmen wie Ford, BMW, Porsche, Bilstein oder Goodyear nutzten den Individual-Service genau so gerne wie die Rennteams Zakspeed, Faltz, AMG, Loos, Kremer oder ATS.

Als Rekord-Vielflieger gilt Hans Heyer. «Ich bin bestimmt 50 oder 60 Mal mit Masings Himmelfahrtskommando geflogen», so der dreifache Rennsportmeister, «ohne diese Luftbrücken wären viele unserer Doppelstarts überhaupt nicht machbar gewesen.»

Besonders gerne erinnert sich der Mann mit dem Tirolerhut an die Flüge mit dem Gute Laune-Duo Stuck und Domingos Piedade. «Wenn wir in dieser Besetzung an Bord waren, ging’s immer besonders hoch her. Da haben sogar die Piloten manchmal Angst gekriegt.»

Heute heißt das Unternehmen «Arcus Air Logistic GmbH» mit Sitz in Troisdorf bei Bonn und ist ein reines Luftfracht- und Bedarfsflug-Gesellschaft unter komplett neuer Leitung. In den Geschäftsräumen erinnern lediglich ein paar gerahmte Fotos noch an die ruhmreichen Jahre der einstigen Rennfahrer-Airline.

Hans-Joachim «Hajo» Masing ist im März 2021 gestorben, im Alter von 79 Jahren.


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