Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Beste Formel 1 aller Zeiten? Zahlen sprechen dagegen

Von Mathias Brunner
Kurz nach dem Start zum Grossen Preis der USA 2022 auf dem Circuit of the America bei Austin (Texas)

Kurz nach dem Start zum Grossen Preis der USA 2022 auf dem Circuit of the America bei Austin (Texas)

​Die Formel 1 boomt, besonders in den USA. Die neue Flügelauto-Generation sollte mehr Überholmanöver denn je und packenden Sport liefern. Ein Blick in die Statistik enthüllt jedoch Erstaunliches.

Ende 2022 trat Ross Brawn als Formel-1-Sportchef zurück. Zu seinem Vermächtnis gehört die neue Flügelauto-Generation, die wir seit einem Jahr haben und zu welcher der Engländer sagte: «Es sollen Rennautos entstehen, die nicht nur attraktiv aussehen, sondern die es vor allem den Piloten erlauben, sich im Windschatten der Gegner halten und besser angreifen zu können.»

Natürlich waren die Formel-1-Fans gespannt darauf, ob die neuen Rennwagen aus dieser Perspektive gehalten haben, was sich Brawn und seine Mitarbeiter davon versprochen hatte. Auch Pirelli-Sportchef Mario Isola wollte das etwas genauer wissen. Er legte nach der GP-Saison 2022 Zahlen auf den Tisch.

Der Mailänder redete nicht lange um den heissen Brei herum: «Wir haben errechnet – 30 Prozent mehr Überholmanöver als 2021. Wir haben dabei nur die echten Angriffe gezählt. Wenn ein Pilot etwa einen Rang gewonnen hat, weil der Gegner an die Box ging, um neue Reifen abzuholen, dann zählte das für uns nicht. 2021 hatten wir mit der alten Rennwagen-Generation 599 Überholmanöver, 2022 haben wir 785 gezählt.»

Anders gesagt – ein Schnitt von 27,2 Überholmanövern pro WM-Lauf in der Saison 2021 und ein Schnitt von fast 35,7 Manövern in der Saison 2022.

Mario Isola weiter: «Was wir nicht eingerechnet haben, das ist, wenn in einem Zweikampf zwischen Fahrern die Position in einer Runde mehrfach geändert hat, etwa bei Grands Prix wie in Dschidda. Aber ich glaube, wir haben dennoch ein gutes Bild bekommen. Diese dreissig Prozent sind echt, und sie zeigen nicht nur, dass die Aerodynamik funktioniert, sondern auch, dass die Reifen funktionieren.»

«Denn wenn ein Pilot einem Rivalen besser folgen kann, also in dessen Windschatten weniger Abtrieb verliert, dann bauen auch seine Reifen weniger ab, weil sein Auto nicht mehr so rutscht wie 2021, und daher überhitzen die Walzen des Verfolgers weniger. Zudem haben wir 2022 Reifenmischungen eingeführt, die weniger anfällig auf Überhitzung sind, da kommen also zwei Faktoren zusammen – die Aerodynamik der Autos und die Charakteristik des Reifens.»

«Noch im vergangenen Jahr haben die Fahrer moniert, dass ihre Reifen zu anfällig sind, wenn sie einem Gegner folgen, also haben wir versucht, dem entgegen zu wirken. Das haben wir geschafft.»

«Es gibt einen dritten Grund für dieses Plus von dreissig Prozent: Der Kampf im Mittelfeld ist noch intensiver geworden, daher gibt es dort mehr Überholmanöver. Ich glaube, wir sind mit dieser Formel 1 auf einem guten Weg.»

Seit den 1980er Jahren werden Überhol-Statistiken errechnet, damals lag der Schnitt bei rund 40 Manövern pro Rennen, 1990 waren es rund 31, fünf Jahre später nur noch 18. Eine regelrechte Formel Gähn war die Saison 2005 mit etwas mehr als zehn Überholmanövern pro WM-Lauf.

Aber gemessen an den Autos früherer Jahre ist ein moderner GP-Rennwagen eine regelrechte Mogelpackung. Denn damals gab es keinen verstellbaren Heckflügel (DRS, drag reduction system), und über viele Jahre wurden in der Königsklasse nicht aus strategischen Gründen Reifen gewechselt, sondern nur dann, wenn der Gummi in Fetzen ging.

Fazit: Ja, es ist für die Piloten wieder leichter geworden, einem Gegner zu folgen, die Formel 1 ist mit den neuen Flügelautos auf dem richtigen Weg. Die meisten Fans finden die heutigen Rennwagen auch attraktiver als die Generation bis Ende 2021, wie Umfragen zeigen.

Aber: Ohne die Überholkrücke DRS und ohne Reifenwechsel sähe die Bilanz nicht so schmeichelhaft aus.

Die Formel-1-Saison 2023

Wintertests
23. bis 25. Februar: Bahrain International Circuit

WM-Kalender
05.03. Bahrain-GP, Bahrain International Circuit, Sakhir
19.03. Saudi-Arabien-GP, Jeddah Corniche Circuit, Dschidda
02.04. Australien-GP, Albert Park Circuit, Melbourne
30.04. Aserbaidschan-GP, Baku City Circuit, Baku *
07.05. Miami-GP, Miami International Autodrome, Miami
21.05. Emilia Romagna-GP, Autodromo Enzo e Dino Ferrari, Imola
28.05. Monaco-GP, Circuit de Monaco, Monte Carlo
04.06. Spanien-GP, Circuit de Barcelona-Catalunya, Montmeló
18.06. Kanada-GP, Circuit Gilles Villeneuve, Montreal
02.07. Österreich-GP, Red Bull Ring, Spielberg *
09.07. Grossbritannien-GP, Silverstone Circuit, Silverstone
23.07. Ungarn-GP, Hungaroring, Budapest
30.07. Belgien-GP, Circuit de Spa-Francorchamps, Spa *
27.08. Niederlande-GP, Circuit Zandvoort, Zandvoort
03.09. Italien-GP, Autodromo Nazionale di Monza, Monza
17.09. Singapur-GP, Marina Bay Street Circuit, Singapur
24.09. Japan-GP, Suzuka International Racing Course, Suzuka
08.10. Katar-GP, Losail International Circuit, Doha *
22.10. Austin-GP, Circuit of the Americas, Austin *
29.10. Mexiko-GP, Autódromo Hermann Rodríguez, Mexiko-Stadt
05.11. Brasilien-GP, Autódromo José Carlos Pace, Interlagos *
18.11. Las Vegas-GP, Las Vegas Street Circuit, Las Vegas
26.11. Abu Dhabi-GP, Yas Marina Circuit, Yas Island

* Sprint-Format

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