Achterbahnfahrt: 30 Jahre Sauber in der Formel 1
Auch wenn die Mannschaft 2023 noch als «Alfa Romeo F1 Team Stake» antritt, verbirgt sich dahinter ein ganz anderer, traditionsreicher Name: Sauber aus Hinwil. Heute, am 14. März, ist es 30 Jahre her, dass Gründer Peter Sauber das Abenteuer Formel 1 offiziell mit dem ersten Grand-Prix-Start begann, in Südafrika 1993. Der Chef hat den Einstieg in die Königsklasse immer als «vernünftigen Schritt in die Unvernunft» bezeichnet.
Bilanz nach 545 WM-Läufen: ein Sieg (Robert Kubica 2008 in Montreal, als der Eigentümer des Rennstalls BMW war), eine Pole-Position (ebenfalls Kubica 2008, in Bahrain) sowie als beste WM-Platzierung Rang 2 (2007).
Die Eigentümer wechselten öfters: Anfangs Peter Sauber, dann der Gründer gemeinsam mit Dietrich Mateschitz (1995–2004), danach BMW (ab 2005), dann wieder Sauber (2009, später mit Monisha Kaltenborn) und schließlich die Finanzgruppe Longbow (seit 2016). Seit Januar 2023 gehören 25 Prozent des F1-Teams bereits der Audi AG, die offiziell 2026 in die Formel 1 einsteigen wird und schrittweise Anteile am Team übernimmt.
Peter Sauber (79) hat viel erlebt: Zuerst in über 20 Jahren in Sportwagenrennen mit dem Höhepunkt des Sieges bei den 24 Stunden von Le Mans 1989, bereits als Partner von Mercedes.
Mit den Junioren aus der Mercedes-Nachwuchsförderung (Michael Schumacher, Karl Wendlinger und Heinz-Harald Frentzen) zeichnete sich der Einstieg in die Formel 1 immer mehr ab. Sauber erinnert sich: «In die Formel 1 einzusteigen, das war eine fortlaufende Entwicklung. Grundsätzlich wollten die Verantwortlichen bei Mercedes damals so wie wir in die F1, das war für alle klar, auch wenn nicht darüber offen gesprochen wurde. Als Norbert Haug statt Jochen Neerpasch als Sportleiter kam, ist es sehr rasch gegangen.»
Im Grand Prix von Südafrika 1993 gab es beim Formel-1-Debüt gleich Punkte, als J. J. Lehto in Kyalami Fünfter wurde. Das Neulingsteam wurde am Saisonende Siebter (von 13 Rennställen) mit zwölf Zählern, die es damals ja nur für die ersten Sechs gab (Karl Wendlinger sieben, Lehto fünf).
Die Mannschaft bot auch österreichischen Fans starken Bezug, waren doch neben Wendlinger mit Walter Totschnig, Robert Weitgasser, Franz Pucher und Christian Kargl einige Gastarbeiter dabei. 1997 kam die Physio-Legende Josef «Joe» Leberer hinzu, der noch heute als 63-Jähriger beim Team ist – ein Urgestein im GP-Fahrerlager genauso wie Teammanager Beat Zehnder, der seit 1988 Sauber-Mann ist.
Das Folgejahr 1994 wurde schwierig, nicht nur, weil Karl Wendlinger in Monaco schwer verunglückte und 19 Tage im Koma lag, sondern auch in der Zusammenarbeit mit Mercedes und einem nicht zuverlässigen Sponsor.
Sauber hatte in Hinwil die Fabrik unter dem Aspekt einer längerfristigen Partnerschaft mit Mercedes erneuert. Mit Ilmor war ein Motorenpartner da, der nicht von allen bei Mercedes goutiert wurde. Als klar war, dass Mercedes ab 1995 zu McLaren wechseln würde, musste Sauber Geldgeber und Motor finden.
Durch die Vermittlung des schon mit Red Bull verbundenen Wendlinger und des Wiener Journalisten Helmut Zwickl kam Peter Sauber mit Dietrich Mateschitz ins Gespräch und schnell zu einer Übereinkunft. «Red Bull Sauber» sollte zehn Jahre bestehen.
Als Motorenpartner war Ford frei geworden, da Benetton ab 1995 Renault-Triebwerke bekam. Als Ford ausstieg, konnte Sauber mit Unterstützung des Liechtensteiner Investors Fritz Kaiser Petronas als Sponsor gewinnen, wodurch Ferrari-Motoren möglich wurden.
Sauber sagt noch heute: «Mit Red Bull und Petronas hatten wir zwei der größten Sponsoren der Formel 1.»
Red Bull hatte schon 2001 und 2002 mit Arrows (für den protegierten Junioren Enrique Bernoldi) und 2004 mit Jaguar (für Christian Klien) jeweils ein zweites Team unterstützt. Nach den zehn Red Bull-Jahren verkaufte Peter Sauber sein Team an BMW und erwarb es nach dem abrupten Ausstieg der Bayern wieder zurück (2009) – «das war ein finanzieller Kraftakt».
2016 gingen die Anteile von Sauber und seiner Geschäftsführerin und zuletzt Teamchefin, der Wienerin Monisha Kaltenborn, an Unternehmer Finn Rausing und die Longbow-Gruppe über – für Peter Sauber «ein Glücksfall».
Zu Kaltenborn hat Sauber noch sporadisch Kontakt. Über das Verhältnis zu Mateschitz in den vergangenen Jahren sagt der Schweizer: «Ich gratulierte ihm immer zum Geburtstag. Wenn wir einander begegneten, meistens in Barcelona, war es immer herzlich. Wenn es gut lief für Red Bull, schickte ich ihm ein SMS. Nach Abu Dhabi 2021, als Verstappen die WM gewann, hatten wir ein sehr gutes Telefongespräch, mein letztes mit ihm.»
Den Einstieg von Audi sieht der 79-Jährige als sehr positiv. Wie das Sauber-Team nach dieser Saison, wenn der Alfa Romeo-Marketingauftritt endet, 2024 und 2025 auftreten wird, ist offen, vermutlich vorerst weiter noch mit Ferrari-Motoren.
Der Übergang wird der Hauptjob des von McLaren (vorher Porsche, BMW) gekommenen Topmanagers Andreas Seidl als CEO der Gruppe sein.
Bereits jetzt arbeiten 280 teils auch neu engagierte Mitarbeiter in der eigenen F1-Tochterfirma von Audi Sport (Audi Formula Racing GmbH) in Neuburg an der Donau am künftigen Antrieb.
Unter der Leitung des in Melbourne geborenen Adam Baker (48), der genügend Rennsporterfahrung mitbringt. Der mittlerweile deutsche Staatsbürger werkte für Holden in seiner Heimat, für Infiniti bei den US-IndyCars, bei Cosworth in der Formel 1 (für Arrows, Jordan, Jaguar und Minardi), wechselte zu BMW-Williams und dann zu BMW-Sauber, danach verantwortete er bei BMW den Antrieb der Superbikes, später die gesamte BMW-Rennmotorenentwicklung auf vier Rädern. Von 2018 bis 2021 war Baker Sicherheitsdirektor der FIA. Seither erarbeitete er Audis Gesamtkonzept für den F1-Einstieg.
Baker berichtet an Technikvorstand Oliver Hoffmann. Der schnupperte in Bahrain höchstpersönlich Formel-1-Luft. Selbstredend wird er bei weiteren ausgesuchten Rennen vor Ort sein.
Audi wird seinen 25-Prozent-Anteil sukzessive auf mindestens 75 Prozent steigern. Der von Peter Sauber gegründete Rennstall ist in guten Händen.