24h Le Mans: Wie stark ist der LMP1 von ENSO CLM?
Bei der diesjährigen Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans sind die internationalen Augen natürlich voll auf die beiden Toyota TS050 gerichtet, die als die letzten verbliebenen Hybrid-Renner der ganz große Favorit auf den Gesamtsieg sind. Und während viele Beobachter auf die Rebellion R13 tippen, die beim Klassiker an der Sarthe abstauben könnten, falls Toyota straucheln sollte, geht ein Fahrzeug regelrecht unter: Der ENSO CLM P1/01 vom deutschen ByKolles Racing Team aus Greding. Der LMP1 existiert in seiner Grundform bereits seit der Saison 2014 und wurde über die Jahre ständig weiterentwickelt. Im Winter 2017/2018 gelang nun ein richtig große Schritt.
Die Mannschaft um Einsatzleiter Boris Bermes verzichtete Ende 2017 auf die Übersee-Rennen der FIA WEC, um anstatt dessen mit vielen Testfahrten die Saison 2018/19 vorzubereiten. Die zunächst merkwürdig anmutende Entscheidung stellte sich als großer Erfolg heraus, wie der Testtag zu den 24 Stunden von Le Mans eindrucksvoll unter Beweis stellte. Denn beim großen Aufgalopp vor Wochenfrist unterbot das LMP1-Fahrzeug, welches 2018 von Oliver Web, Dominik Kraihamer und Tom Dillmann bewegt wird, seine letztjährige Vortest-Bestzeit um über fünf Sekunden. Mit einem Wert von 3:23,644 Minuten stieß der Wagen in Regionen vor, die in der Vor-Hybrid-LMP1-Ära noch locker zur Pole-Position beim Klassiker an der Sarthe gereicht hätten.
«Wir haben für 2018 ein neues Aero-Kit entwickeln. Das betrifft hauptsächlich die Dive-Planes, den Splitter, den Bereich zwischen den Kotflügeln und dem Chassis, viele Dinge unter dem Auto und auch die Motorabdeckung», erklärt Einsatzleiter Boris Bermes bei einer gemeinsamen Analyse mit SPEEDWEEK.com. Außerdem haben wir einige mechanische Dinge optimiert und viel an der Haltbarkeit gearbeitet. Und dann sind da noch die vielen Engineering-Tools, beispielsweise in Bezug auf die Simulationen, die wir durchgearbeitet haben.»
Angetrieben wird der ENSO CLM von einem 3L-V6-Turbomotor aus dem Hause Nissan. Dieses Aggregat verrichtete schon in den unglücklichen Frontmotor-LMP1 des japanischen Herstellers seine Arbeit. «Der Motor wurde bereits letztes Jahr relativ aufwendig redesignt, damit er überhaupt in unseren ENSO CLM passt. Bei uns ist er jetzt auch ein tragendes Teil. Für 2018 wurde der Antrieb nochmals in Bezug auf die Zuverlässigkeit verbessert», detailliert Bermes weiter.
Während alle anderen LMP1-Hersteller ein spezielles Low-Downforce-Kit für die 24 Stunden von Le Mans entwickelt haben, geht das Team aus Greding einen anderen Weg. «Wir haben kein spezifisches Le-Mans-Kit. Unser Auto ist komplett auf Le Mans gebaut. Deswegen sollte es hier auch am besten funktionieren», meint Bermes, der sich jedoch nicht auf eine potentielle Rundenzeit für die anstehende Qualifikation festnageln lassen will. «Das ist von so vielen Faktoren abhängig. Der Kurs ist jetzt wieder sehr grün. Letztes Jahr wurde die Strecke zwischen Test und Rennwoche drei Sekunden schneller. Ob es dieses Jahr wieder so wird, ist stark zu bezweifeln.»
Das ausgereifte Paket könnte für das ByKolles Racing Team in Le Mans 2018 zum Schlüssel werden. «Wir müssen unsere Performance über die beiden Qualifikationstage stetig aufbauen. In diesem Fenster fahren wir dann das Rennen und konzentrieren uns dabei nur auf uns selbst. Dann schauen wir in 6-Stunden-Schritten nach vorne», beschreibt Bermes die Marschrichtung für den großen Klassiker. «Und wenn wir problemlos durchfahren, gibt es automatisch ein gutes Ergebnis», ist Bermes in Bezug auf einen erfolgreichen Rennausgang optimistisch.