Cyril Despres: «Hatte nichts mehr zu verlieren»
Despres baut den Motor von Marek Dabrowski ein
Als die Rallye Dakar vor 13 Tagen in Lima auf die über 8000 km lange Reise durch Peru, Argentinien und Chile ging, nahmen die Buchmacher schon längst keine Wetten mehr auf den fünften Dakar-Triumph von Cyril Despres mehr an. Mit Marc Coma hatte der grösste Rivale des Franzosen auf einen Start verzichten müssen, der Sieg für Despres schien nur eine reine Formalität zu sein.
Aber es kam anders. Despres führt die Rallye zwar seit drei Tagen an, konnte aber nur einen Etappensieg holen und liegt nur 5:39 min vor KTM-Teamkollege Ruben Faria und 13:40 min vor Francisco «Chaleco» Lopez (KTM). Despres hatte sich einige ungewohnte Patzer bei der Navigation geleistet, ausserdem gab es ein Getriebeproblem an seiner 450-ccm-Werks-KTM.
Despres: «In Lima traf ich zahllose Leute, die mir erzählten, dass mir eine lockere Rallye bevorsteht und ich schon gewonnen habe. Am liebsten hätte ich allen den Mund gestopft. Aber jetzt hoffe ich, dass diese Leute die Dakar ein bisschen besser verstehen.» Das grosse Pech des Franzosen war, dass sein Getriebeproblem ausgerechnet auf der Marathon-Etappe auftrat, als abends im Biwak keine Hilfe durch das Team erlaubt war. Schon nach 30 km der siebten Etappe war das Getriebe im vierten Gang steckengeblieben.
«Motorwechsel war kein grosses Problem»
«Zunächst dachte ich, das war es, ich bin ausgeschieden. Aber dann sagte ich mir: o.k., ich sitze noch immer auf dem Bike, es fährt noch, also ist die Dakar vielleicht noch nicht vorüber. Der fünfte Gang ging nicht rein. Nach ein paar Kilometern habe ich den dritten versucht, den zweiten und den ersten. Alle funktionierten.» Trotzdem wurde entschieden, im Marathon-Biwak den Motor zu tauschen. Despres erhielt das Aggregat von Marek Dabrowski und baute es eigenhändig ein.
Despres blickt zurück: «An diesem Tag sind wir um 3:15 Uhr aufgestanden, sind bei null Grad die Verbindungsstrecke gefahren und nach 30 km in der Wertungsprüfung ging das Getriebe kaputt, ich musste am Abend den Motor wechseln. Aber trotz des ganzen Schlamassels bin ich immer noch dabei, man darf nie aufgeben.» Der Routinier ist gelernter Mechaniker und meint: «Der Motorwechsel war ein Problem, aber nur ein kleines. Ich hatte Hilfe von Ruben, Kurt und Juan (Anm.: Teamkollegen Faria, Caselli und Pedrero). Es war keine grosse Sache, auch die 15-min-Strafzeit für den Wechsel hat mich nicht weit zurückgeworfen.»
Despres´ langjähriger KTM-Chefmechaniker Roland Bruckner bestätigte: «Der Wechsel war kein grosses Problem für ihn. Er war früher Motorradmechaniker und er war bei uns in der Fabrik, um zu sehen, wie es gemacht wird. Ich hatte Cyril am Telefon noch ein oder zwei Tipps gegeben, um es einfacher zu machen. Er hatte ausserdem Pedreros Maschine neben sich um zu kontrollieren, ob die Kabel und das Kühlsystem richtig montiert sind. Die anderen Fahrer haben Cyril viel geholfen, das zeigte, dass der Geist der Dakar noch immer existiert.»
«Lieber im Rückstand als Marc Coma im Nacken
In der zweiten Woche der Dakar eroberte Despres die Führung. Den Rückstand wieder aufzuholen, habe ihn nicht beunruhigt. «Es war mir lieber, irgendeinen Fahrer dieser Dakar ein paar Minuten vor mir liegen zu haben, als Marc Coma, der 30 min hinter mir liegt», macht der KTM-Star klar, wie er seine Rivalen Olivier Pain, David Casteu, Francisco Lopez oder Joan Barreda einschätzt. «Ich denke, es gab einige Fahrer, die lieber 2 min hinter einem beliebigen Gegner gelegen wären, als Cyril Despres mit 24 min Rückstand im Nacken zu haben!»
Der Franzose lehrte die Gegnerschaft vor allem mit zwei brillanten Auftritten auf den Etappen 9 und 10 das Fürchten, als er die Aufholjagd in die Tat umsetzte.
Despres: «Nach den Vorfällen hatte ich nichts mehr zu verlieren. Von der Marathon-Etappe an musste ich nicht mehr nur ein Fahrer sein, sondern ein fahrender Kämpfer. Ich bin sicher, dass dieses Rennen der cleverste Pilot gewinnen wird, und nicht der mit dem meisten Glück. In 30 Jahren Dakar habe ich es nie gesehen, dass einer nur mit Glück gewann. Das gibt mir Zuversicht.»
Auf den verbleibenden zwei Etappen in Chile muss sich der vierfache Dakar-Sieger vor allem vor dem Einheimischen Lopez in Acht nehmen, der angreifen wird.
Die 13. der 14 Etappen führt am Freitag von Copiapó nach La Serena, es warten 294 km Verbindungsstrecke und eine 441 km lange Wertungsprüfung.
Rallye Dakar 2013: zwölfte Etappe, Fiambalá–Copiapo
1. Frans Verhoeven (NL), Yamaha, 3:49:15 h
2. Ruben Faria (P), KTM, +1:38 min
3. Joan Barreda (E), Husqvarna, +3:01
4. Alain Duclos (F), Sherco, +3:17
5. Hélder Rodrigues (P), Honda, +3:35
6. Jakub Przygonski (PL), KTM, 4:07
7. Francisco Lopez (RCH), KTM, +4:47
8. Gerard Farres (E), Honda, +5:02
9. Javier Pizzolito (RA), Honda, +5:22
10. Olivier Pain (F), Yamaha, +5:32
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14. Cyril Despres (F), KTM, +9:15
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94. Ingo Zahn (D), KTM, +1:53:19 h
100. Ferdinand Kreidl (A), KTM, +2:05:10
Gesamtstand nach 12 von 14 Etappen
1. Despres, 37:46:59 h
2. Faria, +5:39 min
3. Lopez, +13:40
4. Ivan Jakes (SK), KTM, +20:16
5. Juan Pedrero (E), KTM, 41:14
6. Pain, +1:03:29 h
7. Verhoeven, +1:05:22
8. Rodrigues, +1:10,44
9. Pizzolito, +1:19:20
10. Przygonski, +1:28:37
...
86. Zahn, +14:05:27 h
88. Kreidl, +14:26:52 h