DTM-Titelkandidat: Wo kommt René Rast plötzlich her?
René Rast
René Rast saß in der Audi-Hospitality am Sonntagabend noch mit seinem Team zusammen, ehe er sich zu einer zivilen Zeit verabschiedete. Feiern? Einen draufmachen? Seinen Sieg begießen? «Dafür bin ich zu alt», lachte Rast. Ein Satz, der vieles über die wohl derzeit größte Überraschung in der DTM aussagt.
Denn Rast ist ja eigentlich ein Rookie, wobei das bei ihm auch wieder so gar nicht passt. Drei DTM-Rennen hatte er als Ersatz 2016 bereits absolviert. Mit Rookie verbindet man zudem automatisch immer einen Jungspund, einen Frischling. Was Rast bei aller Liebe mit 30 Jahren nicht mehr wirklich ist.
Und: Er hat über 300 Rennen in Serien wie dem GT Masters, der WEC oder dem Porsche Carrera Cup absolviert, zahlreiche Meisterschaften und 24-Stunden-Rennen gewonnen. Heißt: Rast ist alles andere als ein Neuling, der Deutsche ist ein alter Hase. Und genau das hilft ihm dabei, dass er sich nach sechs Rennen zu einem ernsthaften Titelkandidaten gemausert hat, dass er keinerlei Anpassungsschwierigkeiten hat: Der Audi-Pilot führt die Gesamtwertung mit 70 Punkten an. Und er fährt so, als wäre er in der DTM seit Jahren eine feste Größe. In Budapest feierte er seine ersten beiden Poles und seinen Premierensieg in der Tourenwagenserie. Zum Vergleich: Sein Markenkollege Loic Duval, als WEC-Routinier eigentlich auch kein Nasenbohrer, hat noch gar keinen Punkt auf dem Konto.
«Auf diesem Moment habe ich ewig hingearbeitet», sagte Rast. Genauer gesagt seit 2005, als er erstmals im Rahmenprogramm der DTM fuhr. Ein Traum nach dem anderen hat sich in den vergangenen Monaten geballt erfüllt: Zunächst Ersatzmann, dann Stammfahrer, die ersten Punkte, das erste Podium, die erste Pole und nun der erste Sieg. Und jetzt der Titel? «Es ist zu früh, jetzt schon über den Titel nachzudenken, aber die Tabellenführung ist natürlich schon etwas Besonderes. Das hätte ich vor der Saison nicht zu träumen gewagt», sagte er.
Doch wie kann es sein, dass sich da der Neue anschickt, den Laden aufzumischen? «Das geht nur mit viel harter Arbeit», sagt Rast. Daten anschauen, an sich arbeiten, sich reinfuchsen, dranbleiben, mit dem Team auseinandersetzen, Kompromisse eingehen «und die DTM zum Hauptthema deines Lebens machen», so die Erfolgsgeheimnisse. Fleiß zahlt sich ganz offensichtlich aus. Und ein bisschen Auto fahren kann er ja auch.
Und auch die Erfahrung aus den anderen Serien kommt ihm zugute. Er musste sich zwar umstellen, aber in den GT-Rennen lernte er, Rennen und Gegner zu lesen sowie zu überholen. Und den Umgang mit den Reifen, die in dieser Saison bekanntlich ein besonderes Verständnis und Feingefühl erfordern.
«In den GT-Serien musste ich darauf achten. Im Ausdauersport gibt es eher die Situationen, wo du Reifen verwalten musst», sagte Rast. Auch die Arbeit mit dem Team, den Ingenieuren und nicht zuletzt den Kampf um Siege und Titel kennt er aus dem Effeff, die nötige Coolness hat er ohne Frage.
Seinem Chef gelang also ein Glücksgriff, auch wenn viele sagen, dass der Aufstieg für Rast, der in der Vergangenheit einige Sichtungstests absolvierte, aber nicht genommen wurde, fünf Jahre zu spät kommt. Rast verspürt durchaus Genugtuung, ist aber vor allem dankbar für die Chance, die er nun nutzt.
«Das ist absoluter Wahnsinn, was er abliefert. Man kann ihn in jedes Auto setzen und weiß, dass eine gute Performance dabei herauskommt. Er ist nicht so leicht einzuschüchtern und macht keine Fehler», sagte Audi-Boss Dieter Gass.
Auch er will noch nicht vom Titel sprechen, genau wie Rast auch. «Natürlich will man mehr, wenn man die Meisterschaft anführt. Wir machen jetzt ganz sachte weiter. Den Norisring gehe ich ganz entspannt an», sagte er.
Aber natürlich weiß auch er: Irgendwann wird sich Audi intern auf den Fahrer festlegen, den es zu unterstützen gilt. Und da hat Rast momentan die Pole Position.