Kurth Thiim: «Das war ein Kick, wie eine Droge»
Vor dem Saisonhighlight in den Straßen von Nürnberg erinnert sich der zweimalige Norisring-Sieger (1989, 1991) an seine Zeit in der DTM zurück.
Kurt, ein Blick in die Statistikbücher zeigt: Du zählst zu den erfolgreichsten Fahrern in der Geschichte der DTM. Wie wichtig war und ist die Serie in Deinem Leben?
Ich muss ganz ehrlich sagen: Hand aufs Herz - die Jahre bei Mercedes waren die schönsten in meinem Leben. Es war sehr anstrengend und sehr hart, aber dieses Gefühl, zu gewinnen und ganz oben auf dem Podium zu stehen, eine solche Befriedigung für die harte Arbeit mit dem Team zu erhalten, das lässt sich gar nicht in Worten beschreiben. Das geht bis in die Füße rein; das ist wie eine Droge. So habe ich Motorsport damals empfunden. Ich komme aus einer ganz normalen Familie mit vier Kindern und war schon immer total geil auf Motorsport.
Wie sahen Deine ersten Schritte im Motorsport aus?
Ich fing im Go-Kart an und entwickelte mich dann über Meisterschaften im Kart und der Formel 3 immer weiter, bis irgendwann einmal alles gepasst hat und ich Hans Werner Aufrecht getroffen habe, der mir einen Platz angeboten hat. Das muss man sich mal vorstellen. Ich habe früher in einem Wohnmobil in England und Italien gelebt. Das war mein Leben, weil ich Motorsport betreiben wollte. Ich habe dabei nichts verdient, sondern vom Team gelebt. Und dann ruft mich der Aufrecht an und ich denke mir: "Ich bekomme jetzt Geld dafür? Und einen Dienstwagen?"
Du bist 1988 zu Mercedes gekommen. Das war damals recht ungewöhnlich, weil Du die ersten drei Rennwochenenden bei BMW gefahren bist...
Damals standen fast 40 Autos am Start und ein Teamchef hat mir angeboten, auf dem Nürburgring für ihn zu fahren. Am Freitag bin ich dann zum ersten Mal mit dem BMW gefahren und habe direkt das erste Rennen gewonnen und bin im zweiten Rennen Dritter geworden. Das war wie von 0 auf 500. Eine Art Visitenkarte. Vielleicht hat das auch Hans Werner Aufrecht ein bisschen auf mich aufmerksam gemacht, falls sie irgendwann einen Fahrer benötigen würden...
Du warst in der DTM als harter Hund bekannt. Am Norisring bist Du einmal im Reifenstapel gelandet und hast Dir das Kahnbein gebrochen. Trotzdem bist Du im zweiten Rennen an den Start gegangen...
Du hast so einen Adrenalinschub, da merkst du das gar nicht. Das war nicht so schlimm. Viel schlimmer waren die zwei Rennen danach, da habe ich die Schmerzen gespürt.
Du bist 1986 mit Rover DTM-Meister geworden. Schmerzt es rückblickend ein wenig, dass es mit Mercedes nie ganz gereicht hat?
Ja, klar. Wir haben alles getan. Ich wurde 1992 mit Zakspeed Vizemeister - das war eine geile Saison, in der ich immer vorne dabei war. Wir haben versucht, dagegen zu halten, aber es hat nicht ganz gereicht.
Es heißt, dass es zu Deiner aktiven Zeit niemanden gegeben hat, der so nah an die Wand herangefahren ist wie Du. War das Deine "Special Power"?
Das war ein Kick. Ich habe zweimal auf dem Norisring gewonnen und auch zweimal in Singen. Aus Singen gibt es die Geschichte, dass das Team Leute nach Hause schicken musste, um neue Radmuttern zu fräsen, weil ich sie alle verbraucht hatte... [lacht] Die Autos waren damals stabil und haben es ausgehalten. Heute wäre das glaube ich nicht mehr der Fall.
Was war denn Deine Lieblingsstrecke in der DTM?
Ich mochte die Stadtkurse und von den Auslandsrennen mochte ich Mugello unheimlich gerne. Dort habe ich sehr viele positive Erfahrungen gemacht. Aber am liebsten mochte ich immer die Strecken, auf denen ich gewonnen habe.
Du bist bis 1996 gefahren und hast dabei viele verschiedene Epochen erlebt: Welche hat Dir am besten gefallen?
1992, als ich Vizemeister geworden bin. Die Atmosphäre bei Zakspeed war sehr familiär. Natürlich gab es Druck, aber alle waren recht locker drauf. Es kam alles rüber, wir hatten Erfolg und waren immer vorne. Wenn du auf so einer Welle reitest, dann geht alles einfacher. Aber der absolute Kick vom Auto her war für mich die 1994er C-Klasse - das Auto hat perfekt zu mir gepasst. Damit habe ich an zwölf Rennwochenenden sechs Mal die Pole geholt. Geil, davon träume ich immer noch. [lacht]
Wenn Du an die ganzen Jungs denkst, mit denen Du zusammengefahren bist. Welcher Teamkollege ist Dir da am meisten in Erinnerung geblieben?
Klar, mit dem Roland [Asch] haben wir sehr viel gelacht. Wenn er einmal anfängt, Schwäbisch zu reden... Und Jörg van Ommen ist menschlich betrachtet und von seiner Art her fast eine Kopie von mir. Offen, ehrlich. Bei anderen Leuten mussten man manchmal mehr aufpassen.
Wer war denn Dein Lieblingsgegner auf der Strecke?
Wenn es richtig hart auf hart ging, dann war es Bernd [Schneider]. Klaus [Ludwig] war ein Fuchs, er war nicht so hart. Bernd war schon immer ein Topfahrer, der schenkt Dir keinen Millimeter.
Zu Eurer Zeit gab es viele lustige Episoden. Welche ist Dir am meisten im Gedächtnis hängengeblieben?
Eine der besten Geschichten war damals in Singen. Das erste Rennen habe ich gewonnen und dann ging mir im zweiten Lauf auf der Start-/Zielgeraden in Führung liegend der verdammte Motor hoch. Auf derselben Runde sind zwei Autos abgeflogen und dann hat die Rennleitung das Rennen wegen Öl auf der Strecke abgebrochen. Ich stand also da und ärgerte mich, dass ich so knapp vorher ausgefallen bin, und dann höre ich über den Lautsprecher, dass ich gewonnen habe, weil das Rennen abgebrochen wurde und deshalb die vorletzte Runde gewertet wurde...
In den Videos aus Eurer Zeit sieht man, dass viel mehr Frauen an der Strecke waren. Habt ihr Fahrer die Frauen damals noch mehr angezogen?
Nein, es waren mehr Familien. Alle sind mitgegangen und hatten Spaß dabei. Es wurde viel geboten und wir waren alle zusammen. Du bist direkt an den Leuten vorbeigelaufen, das war sehr anstrengend. Nach dem Rennen warst du platt - nicht nur vom Fahren, sondern auch vom Drumherum. Wir haben sehr viel Zeit investiert, um Autogramme zu schreiben und Fotos mit den Zuschauern zu machen. Das kam über die Jahre extrem gut an.