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DTM nach Audi-Aus: Perspektivlos und aussichtslos?

Von Andreas Reiners
Die DTM steht vor dem Aus

Die DTM steht vor dem Aus

Die DTM wird vom Audi-Ausstieg kalt erwischt. Der Überlebenskampf wird härter – und zunehmend aussichtsloser. Die Audi-Legenden Scheider und Stuck sind schockiert.

Die Pechsträhne ist fast schon unglaublich. Bizarr. Unfassbar eigentlich. Denn seit Gerhard Berger die DTM im Frühjahr 2017 übernommen hat, haben sich drei Hersteller verabschiedet.

Erst Schwergewicht Mercedes Ende 2018, im Januar 2020 dann Aston Martin nach nur einem Jahr und nun der nächste Big Player: Audi wird sich nach der Saison 2020 verabschieden.

Schluss. Aus. Vorbei.

Bei allen Verdiensten Bergers um die sportliche Weiterentwicklung der angestaubten Serie: Die Ausstiege werden auch mit ihm immer in Verbindung stehen. Der letzte könnte zum endgültigen Todesstoß werden für eine Serie, die sowieso schon stark angeschlagen war.

Denn für die DTM ist es ein Tiefschlag, von dem sie sich wohl kaum noch erholen wird. 2020 könnte das letzte Kapitel aufgeschlagen werden, wenn es die Coronakrise überhaupt zulässt. Die Saison ist ausgesetzt und soll Mitte Juli auf dem Norisring starten.

Beben in der Szene

Die Tourenwagenserie mag nicht mehr so groß, so beliebt und so einflussreich sein wie noch in den 90er und auch noch 2000er Jahren, doch der Rückzug der Ingolstädter inmitten der Coronakrise sorgt für ein Beben in der Szene.

Zum einen als deutlicher Fingerzeig, wie hart die Pandemie den Autobauer bereits jetzt getroffen hat. Normalerweise gibt Audi das Motorsport-Programm im Herbst bekannt. Nicht wenige glauben, dass weitere Hersteller die aktuelle Krise zum Anlass nehmen, ihre Aktivitäten einzustellen oder zumindest extrem einzustampfen.

Gleichzeitig wird durch die Audi-Fokussierung auf die Formel E und die Elektromobilität die Frage drängender: Wie zeitgemäß ist traditioneller Motorsport mit Verbrennermotoren noch?

Zum anderen droht dem Dino DTM zum zweiten Mal nach 1996 das Aus. Erst ging Aston Martin Ende Januar, dann kam Corona, schließlich verabschiedet sich auch Audi – aktuell scheint es nach den neuerlichen Rückschlägen schwer vorstellbar, wie die Serie noch einmal die Kurve kriegen soll.

Der zweimalige Champion Timo Scheider hat im Gespräch mit SPEEDWEEK.com «die Hoffnung, dass es der Überlebenskünstler DTM noch einmal schaffen könnte, Oberwasser zu bekommen. Ich finde aber nicht genügend Argumente dafür, dass es weitergehen kann. Es gibt keinen Grund für einen Hersteller, die aktuelle Situation als Chance zu sehen.»

Er skizziert das Worst-Case-Szenario: Keine Rennen mehr 2020, dazu das endgültige Aus. «Ich habe Angst davor, dass wir wegen der Coronakrise gar keine Rennen mehr hinbekommen. Wenn die DTM so beerdigt werden würde, wäre das frustrierend, traurig und ein Drama. Das würde eine große Kerbe hinterlassen», so der frühere Audi-Star.

Treffen mit Berger

In der Krise wollen langjährige Wegbegleiter beim Überlebenskampf helfen, Audi-Legende Hans-Joachim Stuck ist zwar im Februar als DMSB-Präsident zurückgetreten, wird sich aber trotzdem in dieser Woche mit DTM-Chef Gerhard Berger zusammensetzen, wie er bei SPEEDWEEK.com verriet. Sogar Berger war vom Audi-Rückzug überrascht worden, er kritisierte Audi für die Kurzfristigkeit. 

Klar: Berger kann im Kampf gegen den Untergang jeden Input gebrauchen, jede Idee, jede Alternative. «Das war erst einmal ein Schock. Jetzt müssen wir schauen, was 2020 noch geht. Und dann muss man in Ruhe überlegen, was man mit der Zukunft macht. Man kann jetzt noch keine Richtung festlegen», sagte Stuck SPEEDWEEK.com.

Er appelliert trotz des Schocks, Ruhe zu bewahren. «Wir haben durch Corona ganz neue Probleme, die auf uns zukommen, in der Automobilindustrie, aber auch im Sport. Das sind Dinge, die man nicht innerhalb von zwei Tagen lösen kann, Hauruck-Aktionen bringen nichts.»

Doch welche Möglichkeiten hat die Serie überhaupt, wenn es weitergehen soll?

Alles deutet darauf hin, dass man sich ganz neu erfinden muss, damit es weitergeht. «In dieser Situation sehe ich keinen neuen Hersteller oder gar zwei neue. Das Geld ist schlicht und ergreifend nicht vorhanden», so Stuck, der auch nicht glaubt, dass die Kooperation mit der japanischen Super GT in der Form Früchte trägt, dass nicht nur Showrennen ausgetragen werden, sondern Honda, Toyota oder Nissan permanent mitmischen. Auch wenn beide Serien mit nahezu identischen Autos fahren.

GTM statt DTM als Option?

«Auch das sehe ich überhaupt nicht. Der Grundgedanke ist sicher gut, ich konnte mir das aber schon vor der Krise nicht vorstellen, dass Japaner permanent in der DTM mitmachen und umgekehrt», so Stuck. 

Auch Scheider ist skeptisch. «Es ist schwierig, einen Ansatz zu finden, der irgendwie Sinn macht. Ich wüsste nicht, wie ich es jemandem erklären soll, dass es im Moment das Richtige ist. Es spricht im Moment nichts dafür.» Auch reine Privatteams sieht er nicht: «In der jetzigen wirtschaftlichen Situation ist das schlicht nicht vorstellbar.»

Es plädiert für einen Neustart. Eine Pause, in der man zur Ruhe kommt und neue Wege findet: «Es müssen zeitgemäße Konzepte diskutiert werden, neue Konzepte. Es braucht kein Auto mit Monster-Abtrieb, das mega breit ist. Es muss einfacher werden, bezahlbarer und reglementierter. Auch wenn sich das einfacher anhört, als es ist: Je sorgfältiger man das plant, desto besser klappt die Umsetzung. Die V8-Supercars sind ein schönes Beispiel: Blechautos, keine Aerodynamik, schmale Reifen, viel Leistung und los geht die wilde Fahrt. Ich warne aber davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Auf der Basis, wie die DTM jetzt ist, wird es schwierig, Lösungen zu finden.»

Eine Option, die Stuck selbst ins Spiel bringt, ist der Wechsel von den DTM-Autos hin zu bestehenden GT-Fahrzeugen. «Vielleicht sollten wir überlegen, aus der DTM eine GTM zu machen mit seriennahen GT3- oder GTE-Fahrzeugen, das wäre vielleicht ein Ansatz», sagte er: «Es gibt in dem Bereich ja keine Sprintrennen.» Dafür aber potenziell zwölf verschiedene Marken.

Er greift damit eine Idee auf, die schon mehrmals diskutiert wurde, zuletzt Ende des vergangenen Jahres, davor beim angekündigten Mercedes-Ausstieg 2017– von Berger gab es aber jeweils eine Absage. Für ihn sind das in erster Linie zwei verschiedene Konzepte.

Noch.

Eine Kollisionsgefahr mit dem GT Masters sieht Stuck übrigens nicht, im Gegenteil: Man solle beide Serien zusammenlegen, sagt er: «Auch für den Fan. Denn der wird nach der Krise weniger Geld haben. So müsste er nicht 10, sondern nur fünf Mal zu Rennwochenenden.»

Scheider glaubt, dass der GT-Sport einen Interessenzuwachs bekommen werde, «die Frage ist aber, was aus der Szene nach der Coronakrise überlebt. Man kann mit der tollsten Idee kommen, am Ende muss es alles finanzierbar und realisierbar sein.»

All das ist Zukunftsmusik, die möglicherweise nie gespielt wird. Die DTM war schon immer Überlebenskünstler, doch das Ausmaß der Krise mit immer noch nicht endgültig absehbaren Folgen für die Wirtschaft dürfte selbst für die DTM eine Nummer zu groß sein.

Stuck will daran noch nicht denken: «Ich denke immer positiv: Abwarten und Tee trinken.»

Scheider würde sich wünschen, «dass es einen Sechser im Lotto gibt, der die DTM am Leben hält».

Wie wahrscheinlich der ist, kann man sich selbst ausrechnen.

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