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Achterbahnfahrt: Die seltsame Karriere des René Rast

Von Rob La Salle
René Rast stand 2004 erstmals am Scheideweg seiner Karriere. Was folgte, waren Tiefen, aber auch Höhen. Seine DTM-Zeit seit 2017 ist im Grunde ein einziger Höhenflug.

Hockenheim, 19. April 2004 – die Motorsport-Karriere von René Rast ist beendet. Zu wenig Budget, das falsche Team – an einer der ersten Stufen der klassischen Formel-Sport-Leiter so früh gescheitert, während zeitgleich ein gewisser Sebastian Vettel die Konkurrenz schwindelig siegt.

Sebastian Vettels Werdegang wird Motorsport-Geschichte schreiben. René Rasts ebenfalls. Denn René Rast ist der Champion der zweiten Chancen, macht Tourenwagen- statt Formel-Karriere.

Wie eine Schablone ließen sich Rückschläge und das Immer-Wieder-Zurückschlagen über die Karriere des Mindeners legen. Im Großen, Ganzen. Und im vermeintlich Kleinen. Das Jahr 2020 ist wieder so eine typische Rast-Story. Vom 06. bis 08. November 2020 schickt sich René Rast an, den dritten Titel in der DTM zu feiern, startet als Favorit in das Finale, ebenfalls in Hockenheim. Obwohl es im Verlaufe dieser denkwürdigen Saison lange Zeit für seinen unmittelbaren Konkurrenten Nico Müller lief. Der Showdown zwischen den Audi-Piloten: Gesucht wird jenes Mentalitätsmonster mit dem größten Killerinstinkt.

René Rast, der Kämpfer: Aufgeben gilt nicht

Mit dem dritten Titel zieht Audi-Werksfahrer René Rast aus dem Audi Sport Team Rosberg mit der Tourenwagen-Legende Klaus Ludwig gleich, nur Bernd Schneider hat mehr Titel gewonnen, deren fünf. Motorsport-Geschichte zu schreiben ist nicht René Rasts vordergründigster Antrieb, schon eher interessieren ihn Statistiken.

Dass er mit dem Sieg im letzten Rennen sogar Mattias Ekström (SWE) hinter sich lässt, mit 24 DTM-Siegen in der ewigen Bestenliste hinter Schneider (43) und Ludwig (37) alleiniger Dritter ist, das bedeutet ihm sehr viel. Der gebürtige Mindener ist jetzt der erfolgreichste Audi-Pilot, aber mit dem bemerkenswerten Unterschied, dass Schneider für seine Siege 236 DTM-Starts absolvierte, Ludwig 219 und Ekström 197. Gerade einmal 76 DTM-Starts zählt Rast, denn 2020 war erst seine vierte komplette Saison.

Akribische Vorbereitung auf das nächste Rennen

«René ist kein einfacher Mensch, eigentlich schwierig», sagt Dennis Rostek. Er muss es wissen, er ist seit 2005 sein Manager. René Rast, der am 26. Oktober seinen 34. Geburtstag feierte, wird in jedem Fahrerlager in höchstem Maße geschätzt, aber auf manche Leute wirkt er eher etwas kühl, abweisend.

Der Manager würde sagen, dass «René immer fokussiert ist.» Dennis Rostek ergänzt: «René ist ein Malocher!» Und das meint er im besten Sinne des Wortes.

Akribie ist ein Merkmal, das René Rast besonders auszeichnet. «Er arbeitet intensiver als jeder Ingenieur», so Rostek. An der Rennstrecke und noch mehr zuhause investiert der Rennfahrer Stunden um Stunden in die Analyse und die Vorbereitung. Ganz gleich, wie lange es dauert, er sucht alle möglichen Videos von einem Rennen, einer Rennstrecke.

«So viel wie ich finden kann.» Dann schneidet er sich die relevanten Szenen zusammen, die er sich dann immer und immer wie anschaut. «Wo sind die besten Stellen zum Überholen, die besten Linien zum Verteidigen, die besten Startplätze, wo drohen Strafen.»

All das saugt René Rast in sich auf. «Klar, das ist sehr zeitaufwändig, das kostet extrem viel Zeit», räumt er ein. Der Erfolg gibt ihm allerdings Recht. «Eigentlich ist dieses Prozedere schon in jeder Rennserie meine Art der Vorbereitung.» Rast vergräbt sich genauso in die Daten, auch in seine alten Daten. «Man muss auch aus eigenen Fehlern lernen. Wenn ich zum Rennen komme, habe ich einen konkreten Fahrplan.»

Manager Rostek: «René ist kein Naturtalent»

In dieser Intensität ist das eher ungewöhnlich. «Er nutzt diese Basics zu 110 Prozent», unterstreicht sein Manager. Was Rostek, der Rast längst zum Partner seiner Firma gemacht hat, dann sagt, klingt weniger charmant: «René ist nicht unbedingt ein Naturtalent.»

Betrachtet man Rasts DTM-Bilanz, so möchte man ihm widersprechen. Was Rostek aber meint ist, dass sein Schützling sich diese Erfolge extrem hart erarbeitet. Ein Malocher eben. «Das unterscheidet ihn von den meisten anderen Rennfahrern.»

Rast ist sofort zur Stelle, wenn Testfahrten anstehen. «Jede Runde zählt. Fahren ist das beste Training», ist er überzeugt. Während Rast sich mit seiner Video-Leidenschaft akribisch wie kaum ein anderer vorbereitet, kann er es sich leisten, in Sachen Fitness und Ernährung weniger zu tun als andere. «Ich ernähre mich ziemlich normal, ausgewogen, eher vegetarisch, also weniger Fleisch. Ich fahre gerne mit dem Rennrad oder dem E-Mountainbike, das macht mir Spaß. Zu Hause habe ich ein Rudergerät. Ich muss nicht viel machen, um fit zu sein.» Einen Fitnesstrainer oder gar einen Mentaltrainer sucht man an seiner Seite vergeblich.

Bei drei Sichtungen durchgefallen

Vom Kartsport ging es damals in die Formel BMW, doch für den nächsten Schritt in die Formel 3 fehlten Geld und – nach durchwachsener 2004er-Saison nach Zwangspause und Teamwechsel – auch die Reputation.

Es folgte 2005, jener besagte Neustart, ein Schritt zurück in den Volkswagen-Polo-Markenpokal. «Tourenwagen-Schule» statt Formel-Aufstieg. Rast räumte den Titel ab, Rostek wurde auf ihn aufmerksam, schmiedete mit Volkswagen-Sportchef Kris Nissen das VW-Junior-Konzept. Ab 2006 durchlief Rast, nun mit Rostek als Manager, als Volkswagen-Junior die Konzern-Marken, von Volkswagen über Seat zu Porsche und eben zu Audi.

Allein im Porsche-Markenpokal erkämpfte er fünf Titel, drei davon im Supercup auf Formel-1-Bühne. Im Audi R8 LMS gewann er seit 2011 die 24-Stunden-Rennen in Daytona, auf dem Nürburgring, in Spa-Francorchamps, teils mehrfach, dazu auch das ADAC-GT-Masters. 2015 stieg er ins Audi-Werksteam auf und fuhr sogar im Audi LMP1 die 24 Stunden von Le Mans.

Nur sein Traum von der DTM, sein ewiger Traum, wollte partout nicht in Erfüllung gehen. 2012 wurde er von Audi erstmals zur Sichtung eingeladen – und für zu langsam befunden. Zwei weitere DTM-Sichtungen folgten, ohne Erfolg.

«Das war keine schöne Zeit», erinnert er sich eher ungern. Dann kam der 16. Juli 2016: ein Anruf, eine Blitzreise nach Zandvoort und seine DTM-Premiere als Ersatz für den verletzten Adrien Tambay. Ein Abenteuer, das den Traum durchaus hätte für immer zerstören können.

Rast jedoch nutzte die Gelegenheit, durfte dann sogar in Hockenheim Mattias Ekström ersetzen. Der Rest ist Geschichte: 2017 entriss er Ekström auf den letzten Metern der Saison den Titel, 2018 wurde er Vizemeister, 2019 und 2020 setzte er sich gegen Müller durch.

Seit 2016 also lebt René Rast seinen Traum. 2016, das Jahr, in dem Söhnchen Liam geboren wurde, ein Jahr, das vieles veränderte. «Familie war mir immer wichtig.» Mit seinem Vater, der in der Box immer die Rundenzeiten notiert und analysiert, war er in jungen Jahren schon bei der DTM in Diepholz und bei der Formel 1 am Nürburgring. «Ich habe es immer genossen, nach Hause zu kommen. Wegen Liam ist es mir noch wichtiger geworden», sagt er und freut sich auf die nächsten Runden mit dem ferngesteuerten Buggy gemeinsam mit Liam im heimischen Garten in Bregenz am Bodensee.

Ab 2021 startet Rast in der Formel-E-Weltmeisterschaft – seine zweite Chance im Formel-Rennsport.

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