6h Nürburgring: Analyse des vierten FIA-WEC-Laufs
Das 6-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring hat ganz klar unter Beweis gestellt, dass mit einer Gesamtsieg-Klasse, die lediglich aus vier Fahrzeugen besteht, nicht wirklich Staat zu machen ist. Noch dazu, wenn einer dieser vier Hybrid-Boliden schon in der Einführungsrunde mit technischen Problemen (Benzinpumpe) merklich zurückfällt. Zwar gibt es im Motorsport ein altes Sprichwort welches besagt, dass es nur zwei Autos für ein Rennen braucht, doch mit den verbliebenen drei LMP1H (zwei Porsche und ein Toyota) war es tendenziell eher schwierig, die 52.000 gemeldeten (Wochenend-)Zuschauer über sechs Stunden lang vom Hocker zu reisen.
Zwar kämpfte der TS050 Hybrid von Mike Conway, Kamui Kobayashi und José María López zu Rennbeginn tapfer gegen die beiden Porsche 919 Hybrid von Neel Jani/André Lotterer/Nick Tandy sowie Timo Bernhard/Earl Bamber/Brendon Hartley, doch über die Distanz hatte Toyota erwartungsgemäß keine Chance. Deren Hi-Downforce-Paket ist einfach auf etwas weniger Abtrieb ausgelegt als die Variante von Porsche. Dementsprechend hatten sich im Verlauf des Stints die Reifen immer etwas früher verabschiedet, als die der Porsche. So kumulierte sich ein Rückstand von über einer Minute. Aber dennoch: Verglichen mit der Performance aus den Vorjahren, war die Toyota-Leistung am Nürburgring stark. Das weckt Hoffnungen auf etwas mehr Rennspannung bei den kommenden FIA-WEC-Läufen, wenn deren Aero-Paket besser passen sollte.
Toyota-Pilot José María López zeigte in der Eifel eine beeindruckende Performance. So Mancher hatte dem Argentinier nach dem durchwachsenen Saisonstart schon die WEC-Tauglichkeit abgesprochen. Doch López stellte den TS050 Hybrid nicht nur auf die Pole-Position, sondern hatte in Bezug auf die schnellste Rennrunde mit 1:42,139 Minuten Toyota-intern sogar Platz drei von sechs belegt.
Durch den Sieg am Nürburgring haben Timo Bernhard/Earl Bamber/Brendon Hartley nun auch in der Meisterschaft alle Trümpfe in der Hand. Bei noch fünf verbleibenden Rennen beträgt der Vorsprung auf das Toyota-Trio Sébastien Buemi/Anthony Davidson/Kazuki Nakajima schon satte 30 Punkte. Und bei nur vier Fahrzeugen in der Klasse kann dieser auch gut verwaltet werden. Denn selbst ein kleineres technisches Gebrechen kann punktetechnisch kompensiert werden. Da der Speed der LMP1 so hoch ist, liegt ein vierter Platz im Rennen (und damit 12 WM-Zähler) eigentlich immer in Reichweite (je nach Schwere des Problems natürlich) – das haben ausgerechnet Buemi/Davidson/Nakajima in der Eifel beweisen.
Trotz Doppelsieg gab es im Porsche-Lager am Ring jedoch nicht unbedingt nur strahlende Gesichter. Denn die Begeisterung über den wenige Minuten vor Schluss künstlich vorgenommenen Platztausch hielt sich bei Neel Jani/André Lotterer/Nick Tandy mehr als in Grenzen. Bereits beim vierten Saison-Rennen zum Nummer-Zwei-Trio degradiert zu werden, ist sicherlich ein hartes Brot für getriebene Hochleistungssportler.
Grundsätzlich wird sich zeigen, wie es mit der großen LMP1-Klasse in Zukunft weitergehen wird. Bei Porsche gibt es noch in diesem Monat ein größeres Meeting, um über die motorsportliche Zukunft zu entscheiden. Das Resultat soll dann auch umgehend kommuniziert werden, bestätigte die Teamführung. Wenn Porsche aus der Hybrid-Kategorie aussteigt, wird es auch bei Toyota entsprechenden Redebedarf geben. Der FIA WEC und vor allem dem Prototypen-Sport ist es jedoch zu wünschen, dass die Japaner bei der Stange bleiben – und dadurch vielleicht den Weg aus der Krise ebnen.
In der GTE-Klasse konnte am Nürburgring Ferrari siegen. Obwohl die Porsche 911 RSR auf eine gezeitete Runde in der Eifel zumeist die schnelleren Autos waren, konnten die italienischen 488 GTE über die Distanz brillieren. Denn das 'Cavallino Rampante' präsentierte sich auf dem 5,148 Kilometer langen Kurs als regelrechter Reifenflüssterer. Während jeweils zum Ende der Stints die Pneus bei Porsche, Aston Martin und Ford leicht nachließen, konnte Ferrari die Rundenzeiten einigermaßen stabil halten. Das war der Schlüssel zum Sieg von James Calado und Alessandro Pier Guidi.
In der GTE Am hatte Porsche dagegen Grund zum jubeln. Mit einer astreinen Teamleistung der deutschen Dempsey-Proton-Truppe, feierten Nachwuchs-Star Marvin Dienst, Porsche Young Professional Matteo Cairoli und Teamchef Christian Ried den ersten Sieg des Jahres – und diesen dann sogar beim Heimspiel. Somit ist nun auch in der Meisterschaftswertung wieder alles für das ehrgeizige Trio drin.
Mit den bereits erwähnten 52.000 Wochenend-Zuschauern befindet sich das Event am Nürburgring in einem Abwärtstrend. Bei der Premiere 2015 kamen 62.000 Personen (über das Wochenende verteilt) und 2016 noch 58.000 Zuschauer. In einer stetig immer mehr übersättigenden Gesellschaft, wird es heutzutage immer schwieriger, Menschen für ein Motorsport-Event zu begeistern. So ist es eben leider...