Marcel Fässler: «Le Mans ist etwas Einzigartiges»
Audi-LMP1-Fahrer Marcel Fässler
Herr Fässler, Sie sind dreimaliger Le-Mans-Sieger und haben auch schon den Sportwagen-Weltmeistertitel gewonnen. Als Schweizer stammen Sie aber eher aus einer Wintersport-Nation. Wie sehr sind Ihre Erfolge in der Heimat bekannt?
Marcel Fässler: Natürlich dominieren in der Schweiz andere Sportarten, wie zum Beispiel Fussball, Eishockey und vor allem Skifahren. Auch ich hatte in meiner Kindheit versucht, jedes Skirennen im Fernsehen anzuschauen. Ich bin ein riesiger Ski-Fan und fahre ab und zu sogar bei kleineren Ski-Rennen mit. Grundsätzlich nimmt man aber schon wahr, was wir Rennfahrer leisten. Auch wenn mehr über die Formel 1 gesprochen wird, haben wir mit der FIA WEC mittlerweile einen guten Status bekommen. Denn das ist Motorsport auf höchstem Niveau. Ausserdem sind mit Neel Jani bei Porsche, Sébastien Buemi bei Toyota und mir auch drei Schweizer bei den drei Werksteams der LMP1-Klasse engagiert.
Lassen Sie uns vielleicht noch kurz auf die Saison 2015 zurückblicken. In der WM wurden Sie als Zweiter am Ende ja nur knapp geschlagen?
Generell hatten wir eine gute Saison. Man darf nicht vergessen, dass wir nicht die Favoriten waren. Dennoch haben wir die Meisterschaft lange Zeit angeführt und lediglich mit fünf Punkten Rückstand verloren. Auf der anderen Seite überwiegt auch etwas die Enttäuschung, weil wir das Rennen in Le Mans wegen eines technischen Defekts nicht gewinnen konnten. Es war wirklich eine spannende Saison und wir dürfen zufrieden sein – sicher nicht zu einhundert Prozent, denn es wäre natürlich mehr drin gewesen.
Würden Sie einen Titel in der Sportwagen-WM (FIA WEC) einem Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans inzwischen vom Stellenwert her gleichsetzen?
Le Mans ist wirklich etwas Einzigartiges. Weil dort gewinnt man nur, wenn man als Erster über die Ziellinie fährt. Weltmeister kann man werden, wenn man über die Saison im Schnitt am besten war. Aber Le Mans ist auch deswegen so schwierig, weil du in dem Rennen keinen Fehler machen darfst. Es muss einfach alles passen. Das ist wie bei einem Olympiasieg im Skifahren. Du hast nur diese eine Chance und nicht neun über das Jahr verteilt. Deswegen würde ich immer noch Le Mans bevorzugen. Aber klar, die Weltmeisterschaft hat sich jetzt auch über die Jahre sehr gut entwickelt. Und auch dieser Titel ist vom Wert her gestiegen. Mittlerweile sind beide wichtig. Aber wie gesagt, ich persönlich würde noch immer Le Mans favorisieren.
Mit André Lotterer und Benoît Tréluyer fahren Sie bei Audi nun schon seit 2010 zusammen. Und nach all den grossen Erfolgen sind Sie ja schon ein legendäres Trio. Was macht die Arbeit in diesem Dreiergespann so besonders?
Ganz Einfach: Bei uns hat von Anfang an die Chemie gepasst. Wir ticken alle ein bisschen gleich, obwohl wir vom Charakter her eigentlich alle sehr verschieden sind. Ich glaube, es ist auch die Ergänzung, die uns so stark macht. Wir haben viel Spass zusammen, wissen aber auch, wann wir konzentriert sein müssen.
Aus welchem Grund hat Audi sie Drei nun schon so lange Zeit gemeinsam in einem Auto gelassen?
Wir haben alle fast die gleiche Körpergrösse, wobei André der Längste von uns ist. Ich bin der Kleinste – Ben liegt folglich in der Mitte. So kann für den Basissitz im Rennwagen ein guter Kompromiss gefunden werden. André macht die Basis und für Ben und mich gibt es einen Einsatz.
Nur einmal ist André nicht mit uns gefahren - und das war wirklich komisch. Das war 2013 bei den 12 Stunden von Sebring, wo Ben und ich den Audi R18 mit Oliver Jarvis geteilt hatten. Also wir haben nichts gegen den Oliver. Er ist ein Super Typ. Aber wir sind eben ein Trio. Und auch aufgrund des Erfolges gibt es im Moment keinen Grund, daran etwas zu ändern. Das ist vielleicht so ein bisschen wie in einer Ehe.
Im zweiten Teil des Interviews mit Marcel Fässler blickt der Schweizer auf die anstehende Saison in der Sportwagen-WM (FIA WEC) voraus. Und erklärt, wo die Stärken seines neuen Audi R18 liegen.