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Martin Brundle: Lewis Hamilton – seine zwei Gesichter

Von Mathias Brunner
Lewis Hamilton mit Martin Brundle

Lewis Hamilton mit Martin Brundle

​Was war am vergangenen Wochenende mit Lewis Hamilton los? Handy-Affäre, Zoff mit den Medien, von Nico Rosberg im Training und im Rennen geschlagen, nach erneut schlechtem Start. Martin Brundle analysiert.

In bekannt scharfsinniger Weise blickt der Engländer Martin Brundle auf die Geschehnisse beim vergangenen Grand Prix zurück. Gestählt aus 158 Grands Prix, als Sportwagen-Weltmeister 1988 und Le-Mans-Sieger 1990 hat Brundle im Sport schon fast alles gesehen und gehört, umso lesenswerter, was er als Formel-1-Experte der britischen Sky zu Lewis Hamilton und Nico Rosberg im Rahmen seiner eigenen Kolumne zu schreiben hat.

Der Engländer meint: «Nico Rosberg hat ein Mantra, das er öffentlich an jedem Rennwochenende wiederholt – dass er nur an Rennsiege und den jeweiligen Grand Prix denke, dass er nicht an die WM denke und dass Lewis Hamilton im gleichen Auto sitze, also ein brandgefährlicher Gegner bleibe.»

«Als Rennprofi und als Privatmann macht Rosberg derzeit einen sehr glücklichen Eindruck. Er wirkt gefestigt in der Geborgenheit seiner jungen Familie, mit welcher er Zeit in Monaco oder auf Ibiza verbringt. Was er erreicht hat, schlägt sich in einem gewaltigen Selbstvertrauen nieder. Er ist ruhig und wirkt hinter dem Lenkrad jederzeit als Herr seines Autos.»

«Ich glaube, die meisten Leute, Rosberg eingeschlossen, sind der Meinung – wenn Lewis Hamilton auf der Höhe seines Könnens fährt, dann ist er so gut wie unschlagbar. Lewis kann ein sehr komplizierter Mann sein. Wir kennen uns zwar seit seinen Teenie-Tagen, aber um genau zu sein, so richtig kenne ich ihn gar nicht. Er ist unter extremer Aufmerksamkeit der Medien gross geworden, hat dabei eine brillante Karriere gemacht und muss mit persönlichen Angelegenheiten so umgehen, wie wir das von Zeit zu Zeit alle müssen.»

«Er ist ein glücklicher Junge, also kein Extrabonus hier, aber er steht dauerhaft unter einem prüfenden Blick der Öffentlichkeit, welchen nur wenige von uns mit Gelassenheit ertragen würden.»

«Der Motorschaden von Malaysia hat ihn vermutlich zwei potenzielle und ganz entscheidende Siege gekostet. Seine aufwieglerischen, unklugen Worte gleich nach dem Motorschaden in Sepang, als er noch voller Adrenalin war und Zorn und Enttäuschung, führten zu einer weltweiten Medien-Ekstase. Er und das Team konnten diesen Brand weitgehend löschen, mit intelligenten, wenn auch dünnen Erklärungen.»

«Vor diesem Hintergrund war es logisch, dass die FIA ihn für die offizielle Fahrer-Pressekonferenz vom Donnerstag in Japan auswählen würde. Er fand dann, er benützt sein Handy als Schutzschild gegen die Medienvertreter, mit einigen darunter, für die Lewis wenig bis gar keine Hochachtung spürt.»

«Jeden Job, den ich machte, vom Autowäscher über Tankwart bis hin zum Dasein als Formel-1-Fahrer, hat seine guten und schlechten Seiten. Das ist bei Ihnen bestimmt nicht anders. Spass und Befriedigung gehen mit lästigen Pflichten einher, die wir uns alle gerne schenken würden.»

«Als Rennfahrer kannst du die Medien als Werkzeug in deinem Arsenal betrachten oder als notwendiges Übel. Nicht alles ist immer Milch und Honig, aber egal wie es jemand betrachtet – in der High-Tech-Hochfinanzwelt namens Formel 1 sind die Medien elementar dafür, dass dein Team, dein Auto, deine Möglichkeiten und dein Gehalt überhaupt existieren.»

«Die Medienwelt befindet sich in einem irrsinnigen Wandel, und es herrscht viel Unsicherheit. Jeder hat seinen Job, und vor dem Hintergrund der Gnadenlosigkeit des Internets versucht jeder, seine Nische zu finden. Journalisten haben zuhause Kinder zu füttern, Hypotheken zu bezahlen und Chefs zu befriedigen. Viele Journalisten sind auf ihrem Gebiet Weltklasse. Sie verdienen zu jeder Zeit Respekt, denn sie machen nur ihren Job. Mit einer App am Handy herumzuspielen, während einer offiziellen Pressekonferenz, das zeugt nicht von Respekt.»

«Ein paar Bilder zu schiessen, und dann den Leuten Hasenohren aufzuzeichnen, ist für mich an sich kein Problem, wenn das deinem Humor entspricht. Aber Lewis versucht hier, einen Standpunkt durchzusetzen. Er will sein Image offenbar über die sozialen Netzwerke definieren, und zwei Mal sagte er in der Konferenz, das habe er schon auf Instragram erklärt – also lautet die Botschaft: Lest diese Texte wie meine Fans und hört auf, mir Fragen zu stellen. Das ist naiv. Vielleicht geht das, wenn man ein Musiker ist oder eine Filmlegende, die nur sich selber vermarkten. Aber Rennfahrer, die von Sponsoren und Hersteller unterstützt werden, haben dieses Privileg nicht.»

«Hamilton sagt auch, die offizielle Konferenz sei zu festgefahren, immer die alte Leier. Da hat er Recht. Aber viele Journalisten fragen bestimmte Dinge nicht, weil sie nicht wollen, dass die Antwort zwei Sekunden später im Internet steht.»

«Ob ein Fahrer das nun mag oder nicht, aber er kann die Medien nicht bekämpfen oder umgehen, indem polierte Nachrichten und massenweise Lifestyle-Bilder in die eigene Stratosphäre gesetzt werden.»

«Lewis hat dann entschlossen, an der eigenen Medienkonferenz des Teams nicht Rede und Antwort zu stehen, nachdem er den anwesenden Journalisten einen kurzen Vortrag gehalten hat. Er machte klar, sein Ärger richte sich auf einige wenige Berichterstatter, viele davon waren nicht mal in Japan. Er hätte das besser in Form von Vieraugengesprächen mit den betreffenden Journalisten gelöst. Alle über den gleichen Kamm zu scheren und sich den Medien zu entfremden, ist zwecklos. Die Medien haben immer das letzte Wort.»

«Nico Rosberg wird das alles mit einem inneren Lächeln gesehen haben. Der schlechte Start von Hamilton passierte schon viel früher als am Sonntag, weil er abgelenkt war.»

«Hamilton ist für die Formel 1 ein Zugpferd, das sollte niemand vergessen. Er spendiert reichlich Zeit und Ansichten, besonders für das Fernsehen. Das ist eine symbiotische Beziehung zum Wohle aller, wenn sie gesund bleibt. In Interviews finde ich ihn oft ein wenig gereizt und kühl, aber wenn man ein Thema anschneidet, das ihm wichtig ist, dann kann er fabelhafte Einsichten bieten und sehr wortgewandt werden – auch wenn die Kameras längst abgestellt sind. Dann ist er der richtige Lewis Hamilton: Höflich, intelligent, umsichtig. Zu anderen Zeiten tut er so, also hätten wir uns noch nie im Leben getroffen, aber das will ich ihm nachsehen, dann ist er ganz auf seine Aufgaben konzentriert.»

«Hin und wieder habe ich den Eindruck – ein paar Kumpels aus der Rennszene und eine Familie würde ihm als Entourage besser tun als Leute, die sich darauf spezialisieren, kunstvolle Bilder auf die sozialen Netzwerke zu stellen, die alle ein wenig einsam wirken.»

«Um einen super-selbstbewussten Nico Rosberg abzufangen, der in absoluter Bestform fährt, muss Lewis Hamilton wieder jenen durch nichts abgelenkten Racer in sich finden, der so gut wie unschlagbar ist.»

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