Lewis Hamilton: Eiszeit mit den britischen Medien
Lewis Hamilton und Nico Rosberg: Wer ist hier der Boss?
Die Rede von Lewis Hamilton am Samstag in Suzuka war kurz und verblüffend. Der Engländer trat vor die Medienvertreter und sagte: «Ihr werdet nicht lange lächeln. Denn ich bin nicht hier, um eure Fragen zu beantworten. Viele von euch unterstützen mich sehr, andere nutzen leider die Dinge aus. Die Aktion vom Donnerstag war harmlos leichtfüssig, und ich war keinem von euch gegenüber respektlos. Wenn ihr findet, dem war so, dann war das nicht meine Absicht, es war nur ein wenig Spass. Was dann aber respektlos war, das ist, was weltweit darüber geschrieben worden ist. Ich plane nicht, für viele weitere solche Anlässe hier zu sitzen. Es tut mir leid. Ich hoffe, ihr geniesst des Rest des Wochenendes.»
Hamilton ist beleidigt, weil viele Medienvertreter seinen Auftritt bei der offiziellen FIA-Pressekonferenz kritisierten. Da war Hamilton gelangweilt, schoss Bilder, die er verfremdete und dann auf Snapchat stellte. Er selber als Osterhase mit Rüben, Carlos Sainz als Bambi.
Die Reaktionen im Netz gingen weit auseinander, sowohl unter den Fachleuten wie unter den Fans. Viele fanden das harmlosen Spass, vielleicht ein wenig kindisch. Andere fanden: Selbst wenn sich Herr Hamilton langweilt – Pflicht ist nun mal Pflicht, sein Verhalten war unprofessionell.
Grand Prix Diary, ein Mitglied der Twitter-Gemeinde, das Zusammenhänge oft mit spitzer Feder auf den Punkt bringt, kommentierte: «Mit dem Handy vor Leuten herumspielen, die gekommen sind, um dich zu interviewen, ist dann also nicht respektlos. Gut, dass wir das geklärt haben.» Ihm fiel auch auf, «dass der Weltmeister angefangen hat, angeblich respektlose Mitglieder der britischen Presse von seinem Twitter-Account zu blockieren. Ich bin sicher, das hilft. Oder auch nicht.»
Was abzusehen war: Die britische Presse geht mit dem Engländer hart ins Gericht. Kevin Eason schreibt in der Times: «Seine übertriebene Reaktion enthüllt ein empfindliches Ego und einen zerbrechlichen geistigen Zustand. In turbulenten drei Tagen wurde Hamilton vom grossspurigen Schelm zum mussmutigen Verlierer, als ihm klargeworden ist, dass ihm dieser Titel durch die Finger rinnt. Im Zusammenhang mit seiner Stimmung habe ich in Suzuka das Wort Kernschmelze gehört.»
«Während sich Hamilton einen Helm aufsetzte, um einen einsamen Graben zwischen sich und der Weltpresse auszuheben, war Nico Rosberg so beherrscht wie schon das ganze Jahr, konzentriert und zielgerichtet. Das funktioniert.»
Der Telegraph spricht davon, dass Lewis Hamilton am Druck zerbreche, und dies ausgerechnet zu einem der kritischsten Zeitpunkte seiner Karriere. Daniel Johnson meint: «Diese paar Extraprozent, die Hamilton in den letzten zwei Jahren gegen Rosberg abrufen konnte, sind verschwunden. Es ist besorgniserregend, dass die psychische Festung, die Hamilton aufgebaut hat, unter Druck von Rosberg so spektakulär zerbröseln kann.»
Im Guardian findet Barry Glendenning: «Die offensichtlich bodenlose Kindlichkeit von Hamilton trug dazu bei, dass er aus einer relativ amüsanten Episode komplett unsympathisch hervorging. Hamilton ist mehr und mehr anfällig dafür, sich wie ein Mann zu verhalten, der ein Rätsel sein will, verpackt in Geheimnistuerei, umhüllt von Mysterien. Aber seine Versuche, grüblerisch und undurchschaubar zu wirken, kommen eher rüber wie das Verhalten eines paranoiden Balgs.»
Jonny Fordham schreibt in der Sun: «Hamilton schäumte über die wenig überraschend negative Reaktion auf seine kindischen Snapchat-Mätzchen. Im Fahrerlager wächst der Eindruck, Hamilton habe bei Mercedes das Sagen und sei unantastbar. Die Hamilton-Welt besteht aus einer Blase sozialer Netzwerke, in welcher er von eingefleischten Fans verehrt wird wie der Anführer einer Sekte.»
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