Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Lewis Hamilton: Cleverer Schachzug oder böses Foul?

Von Andreas Reiners
Lewis Hamilton gratuliert Nico Rosberg

Lewis Hamilton gratuliert Nico Rosberg

An Lewis Hamiltons eigenmächtiger Entscheidung, den Fuß beim Saisonfinale ein wenig vom Gas zu nehmen, scheiden sich die Geister. War es nun in Ordnung oder ein No-Go?

Lewis Hamilton spaltet mit seiner eigenmächtigen Entscheidung das Fahrerlager der Formel 1. Sebastian Vettel konnte es irgendwie nachvollziehen, fand es aber «nicht ganz fair». Max Verstappen, oh Wunder, kann Hamilton verstehen, schließlich ist der Niederländer bereits mit 19 mit allen Wassern gewaschen. «Man muss solche Dinge versuchen, wenn man Titel holen will», sagte er.

Hamilton hatte beim Saisonfinale in Abu Dhabi so verlangsamt, dass sein Titelrivale Nico Rosberg der Konkurrenz in die Arme getrieben und unter Druck gesetzt wurde. Hamiltons Rechnung ging am Ende nicht auf, sorgte bei Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff aber für Kopfschmerzen, da sich Hamilton deutlichen Anweisungen des Mercedes-Kommandostandes widersetzt hatte.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner findet, dass Hamiltons «innerhalb der Regeln» gehandelt hat. «Es ist wie in einem Fußballspiel, wenn ein Team sich vor dem Gegner schützt, indem es den Ball hin und her spielt und dem Gegner keine Möglichkeit lässt, an den Ball zu kommen», zog der Brite einen Vergleich zum Fußball.

«Ich verstehe die Kritik nicht. Warum sollte er sich selbst nicht die beste Chance geben, zu gewinnen? Der Versuch zu gewinnen ist der Kern des Sports», sagte die englische Fußball-Legende Gary Lineker.

Toro-Rosso-Pilot Carlos Sainz «würde es auch machen. Wenn du ein Siegertyp bist, dann möchtest du den Titel gewinnen und alles versuchen. Immer innerhalb der Regeln, wie er das auch gemacht hat. Er hat exakt das getan, was er tun musste.» Auch Kimi Räikkönen meinte: «Es ist Teil des Racings. Solange es nicht völlig lächerlich wird, ist es noch in Ordnung.»

Anders sehen es die alten Hasen. «Ich verstehe, was Lewis versucht hat, aber ich hätte es nicht gemacht, es geht auch ums Team», meinte der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda.

Kritik gab es auch von Sir Jackie Stewart. «Ich denke nicht, dass irgendein Fahrer zu meiner Zeit extra langsam gefahren wäre, um den Gegner ins Feld zu treiben. Man muss tun, was man kann, und natürlich auch die Anweisungen von der Box befolgen. Er fährt für Mercedes, das ist mit Abstand das dominanteste Team. Er sollte dankbar sein und nicht wütend.» Stewart weiter: «Wenn man viel Geld verdient, muss man liefern, insbesondere wenn die Vorgesetzten an der Boxenmauer sagen, dass man liefern soll.»

Die englischen Medien spekulierten nach Wolffs Ankündigung, dass Hamilton möglicherweise vor dem Rauswurf steht. «Ich weiß nicht, ob ich ihn rauswerfen würde, aber ich würde ihn wahrscheinlich bestrafen», meinte Stewart.

Die Frage ist da nur, wie. Ein Rauswurf ist in der Tat unverhältnismäßig und unwahrscheinlich. Stewart schlug ein Rennen Sperre vor oder eine Geldstrafe. Wobei Lewis Hamilton über einen finanziellen Denkzettel wohl nur müde lächeln würde.

Doch mal ehrlich: Das, was der Brite in den letzten Runden des Rennens «abgezogen» hat, macht ihn aus. Mit solchen Tricks, an der Grenze zur Unfairness, ein wenig schmutzig vielleicht, am Limit, aber noch im Rahmen, hat er schließlich auch seine bisherigen Titel geholt. Rennfahrer sind Egoisten, und das müssen sie auch sein. Die größten Champions haben auf der Strecke immer zuerst an sich selbst gedacht und nicht an das Team.

Und außerdem: Wie wäre das Rennen sonst wohl verlaufen? Hamilton hätte in der entscheidenden Phase vermutlich 15 Sekunden Vorsprung vor Rosberg herausgefahren, der wiederum ein sicheres Polster auf seine Konkurrenten hinter ihm herausgeholt hätte. Der Rest des Rennens wäre mit großer Sicherheit sehr langweilig geworden. Hamilton hatte nur diese Chance, und die wollte er nutzen, ohne dabei etwas komplett Verrücktes zu wagen.

Nun haben wir genau das, was sich die Verantwortlichen gewünscht haben: Ein finales Rennen mit reichlich Dramatik und als Bonus im Anschluss hitzige Diskussionen. Hamilton hat mit seiner Trödelei einen großen Anteil daran. Nico Rosberg zeigte übrigens Verständnis für seinen Teamkollegen: «Es ging um den Titel, es ging um alles. Natürlich musste er alles versuchen. Ich begreife das, und dabei sollten wir die ganze Sache beruhen lassen.»

Das wird aber bei Mercedes nach Wolffs Worten kaum möglich sein. Das Weltmeisterteam steckt nun in der Bredouille, da Hamiltons Aktion verständlich, aber eben auch ein Verstoß gegen Team-Anweisungen war. Wird Hamilton bestraft? Wenn ja, wie? Und welche Folgen hat das für Hamilton? Für Mercedes?

Auf der anderen Seite ist es vor allem Hamilton, der den Glamour nach Brackley bringt, der polarisiert, als Rockstar von seinen Fans gefeiert wird, die Welt bereist, auf roten Teppichen abgelichtet wird. Anders ist als seine Kollegen und deshalb auch fast schon unverzichtbar für das Produkt Formel 1 ist. Ob nun mit positiven Schlagzeilen. Oder eben auch mit negativen.

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