Der neue McLaren MCL32-Honda von Fernando Alonso!
Da ist er nun also, der Hoffnungsträger aller McLaren-Angestellten, samt ihres prominentesten Lohnempfängers – Fernando Alonso. Ganz und gar Papaya-Orange wie die Ur-McLaren von Firmengründer Bruce McLaren und Denny Hulme ist der 2017er Formel-1-Renner vom Typ MCL32 natürlich nicht geworden. Dafür markant anders. Ein frisches Design ist ein weiterer Schritt weg von der Kultur des früheren Team- und McLaren-Gruppenchefs Ron Dennis. Der Erfolgsmanager wurde zur Seite geschoben, der neue Team-Direktor Zak Brown bringt frischen Wind in die Bude. Auch der von Dennis engagierte Jost Capito ist schon wieder weg. Der langjährige Marketing-Chef Ekrem Sami ebenfalls. Der McLaren sieht nicht nur anders aus, er erhält auch eine neue Namenstruktur – weg von Ron Dennis’ MP4, hin zum MCL für McLaren. McLaren sprengt die verkrusteten Strukturen und will endlich zum Erfolg zurück. Denn der lässt schmerzlich auf sich warten.
Letzter WM-Titel bei den Marken: 1998.
Letzter WM-Titel der Fahrer: Lewis Hamilton 2008.
Letzte Pole-Position: Brasilien 2012 (Lewis Hamilton).
Letzter Sieg: Brasilien 2012 (Jenson Button).
Letzte Podestplätze: Australien 2014 (Kevin Magnussen und Jenson Button).
Mit dem McLaren MCL32-Honda soll sich alles ändern. Das Fahrzeug ist auch elementar für den neuen Teamdirektor Zak Brown, um Fernando Alonso im Team zu behalten. Der Kalifornier sagt: «Wenn du so einen herausragenden Piloten im Rennstall hast wie Fernando, dann willst du den natürlich nicht gehen lassen. Klar werden wir alles versuchen, damit Alonso bei uns bleibt.»
Der Asturier selber ist immer neutral geblieben: «Ich will zuerst sehen, ob die neue Modellgeneration wirklich mehr Fahrspass bietet, dann sehen wir weiter.»
Aber Fernando Alonso ist keiner, der so bald in Rente gehen dürfte. Seine beiden Trainer Edoardo Bendinelli und Fabrizio Borra haben jedenfalls beide von einem Piloten gesprochen, «der vor Tagendrang fast platzt. Nie war Fernando heisser auf eine neue Saison, nie hat er sich härter vorbereitet.»
Alonso selber in Woking: «Ich kann es nicht erwarten, mit diesem Wagen auf die Bahn zu gehen. Das neue Auto ist sehr sexy, ich hoffe, es ist auch schnell.»
McLaren: Aufregendes Auto
Der neue, orange-schwarz-weisse McLaren, kommt daher, kämpferisch wie ein Maori-Krieger: Aggressive Bemalung, riesige Haifischfloss über der Motorabdeckung, extrem kleine Lufteinlässe, aufregend zerklüftete Heckflügel-Endplatten, aufregend auch die Schlitze in den Luftleit-Elementen an der Fahrzeugnase. Überhaupt ist die Luftführung an der Nase einzigartig unter den bisher gezeigten 2017er Rennern. McLaren arbeitet auch mit einem so genannten S-Schacht (wenn unter der Nase Luft abgeführt und dann übers Auto geleitet wird). Im Trend liegen die extrem kompakt gehaltenen Seitenkästen.
McLaren-Direktor Zak Brown: «Wir sind selber ziemlich aufgeregt und können es nicht erwarten, dieses Biest auf der Bahn zu sehen. Der Grund, warum wir mehr Orange auf dem Auto haben – die Fans gierten danach, das haben wir anhand Reaktionen der Fans gesehen. Wir wollen zurück zu den Wurzeln, zurück zum Erfolg.»
Clever: McLaren hat den Diffusor (das aufsteigende Ende des Unterbodens) verhüllt: Die Konkurrenz soll nicht zu früh sehen, was sie da in petto haben.
McLaren-Technikchef Tim Goss sagt über sein neues Baby: «Klar sind die grundsätzlichen Flussstrukturen um den Wagen herum nicht anders als zuvor, und auch die physikalischen Gesetze haben sich nicht geändert. Wir versuchen noch immer, mit einem möglichst clever gestalteten Frontflügel, den Luftstrom ideal übers Auto zu leiten. Damit hat sich’s dann. Die Rennwagen werden um 20 Zentimeter breiter, daher ist auch der Frontflügel breiter, zudem weist er eine leichte V-Form auf, was sehr aufregend aussieht.»
«Der Heckflügel ist breiter und niedriger angeordnet. Daher wirkt der ganze Wagen sprungbereit und muskulös. Der Heckflügel ist nach hinten geneigt, auch das betont den Eindruck von Speed. Die Autos schauen schon im Stillstand schnell aus, und die angewinkelten Lufteinlässe der Seitenkästen betonen das zusätzlich. Die gekurvten Seitenplatten der Heckflügel erhöhen ebenfalls die überaus dynamische Optik.»
«Das Reglement erlaubt es uns, erheblich grössere seitliche Luftleit-Elemente zu verwenden, die so genannten Barge-Boards. Zum Glück haben wir dort ziemlich viele Freiheiten, und ich bin überzeugt, jedes Team wird das reichlich nutzen. Wir können neu die ganze Höhe des Chassis verwenden, die Elemente dürfen länger sein und weiter aussen angeordnet werden. Wir dürfen auch kaskadenförmige Elemente nutzen. Achten Sie auf diesen Bereich, wenn die neuen Autos auf die Bahn kommen, wir werden da viele tolle Detail-Entwicklungen erkennen.»
Das hat sich anhand der ersten Renner von Sauber, Renault, Force India und Mercedes bereits bewahrheitet.
Teamchef Eric Boullier ist hoch zufrieden: «Nie hat unser Team härter gearbeitet. Wir haben ein hübsches Auto, aber als sexy würde ich es erst bezeichnen, wenn es schnell ist. Die Verzahnung mit Honda ist noch enger geworden.»
Was am Wagen auffällt: Kein Hauptsponsor. «Das will ich spätestens 2018 korrigiert haben», sagt McLaren-Direktor Zak Brown.
Honda: Volles Risiko
Honda reagiert auf Fragen über den Formel-1-Motor aus Prinzip verschlossen. Es war letztlich McLaren-Technikchef Tim Goss, der enthüllt hatte, dass die Japaner für 2017 einen komplett neuen 1,6-Liter-V6-Motor gebaut haben: «Die Entwicklung im Rahmen eines Wertmarkensystems, also mit den so genannten Token, ist über Bord geworfen. Um Leistungsfähigkeit und Position im Wagen zu verbessern, hat Honda die Architektur und das Layout ihres 1,6-Liter-V6-Motors geändert. Die neue Antriebseinheit setzte alle Lektionen um, die in den vergangenen zwei Jahren gelernt wurden, der Motor wurde ganz spezifisch neu entworfen.»
Motorenchef Yusuke Hasegawa über den RA617H: «Wir sind einen ganz anderen Weg gegangen. Nachdem wir 2016 die Energierückgewinnung in den Griff bekommen haben, legten wir das Hauptaugenmerk auf die Entwicklung eines neuen Verbrennungsmotors, Kern dieser 1,6-Liter-Turbo-Antriebseinheiten. Das neue Konzept sollte es uns erlauben, mehr Leistung zu haben. Aber gleichzeitig ist es auch ein grosses Risiko.»
«Wir wollten mehr Power, wir wollten auch den Schwerpunkt senken. Das Wertmarkensystem mit den so genannten Token ist vom Tisch, das hat es uns erlaubt, grössere Fortschritte zu machen.»
Als im Frühling 2014 die neue Turbo-Ära begann, wurde bald klar – der Turbo-Motor ist krass überlegen. Bald machte die Runde: Der Mercedes-Vorteil gründet unter anderem in der Anordnung von Turbolader und Verdichter, der Lader liege am einen Ende des Motors, der Verdichter am anderen. Das führt zu einem spontaneren Ansprechen des Motors (also dem Ausmerzen des gefürchteten «Turbolochs»), ein besseres Ansprechverhalten des Laders bedeutet, dass weniger Energie aus dem Hybridsystem dazu verwendet werden muss, den Lader auf Drehzahl zu halten, diese elektrische Energie kann man für mehr Power nutzen, zudem verringert dieses System den Verbrauch. Auch die Aerodynamik profitierte: Das Mercedes-Layout erlaubte weniger grosse Ladeluftkühler, daher konnten die Seitenkästen kompakter gestaltet werden. Mit dem Verdichter vor dem Motor rücke das Getriebe vor, das verbesserte den Schwerpunkt.
Als Honda ein Jahr später in die Formel 1 kam, stellten die Japaner eine kurze Animation ihres Aggregats ins Netz. Der Motor fiel extrem kompakt aus, McLaren nannte dies «Grösse null» (size zero). Projektleiter Kazuo Sakurahara hatte sich entgegen dem Beispiel Mercedes dazu entschlossen, Turbolader und Luftverdichter in einem Paket zu halten. Der Turbolader von Typ IHI fiel recht recht gross aus (das wiederum folgt der Vorgabe des Klassenbesten Mercedes), die Auspuffführung wirkte extrem kompakt, mit sehr kurzen Rohren.
Beim komplett neuen Motor 2017 gehen die Japaner offenbar den Weg von Mercedes – Grösse null ist out, die Vorteile der überaus kompakten Antriebseinheit überwogen nicht. Die Japaner werden mit einem Motor antreten, bei dem Turbolader und Luftverdichter am einen und anderen Ende des Aggregats angeordnet sind.
Steilvorlage Reglement
Fazit aus Woking: McLaren-Honda, diese magische Kombination, bei welcher alle an Ayrton Senna und Alain Prost und Domination denken, diese englisch-japanische Seilschaft will mit aller Macht zurück zum Erfolg. Geschäftsleiter Jonathan Neale: «Die musst dir die Trauben hoch hängen. Ich wäre enttäuscht, wenn wir die WM auf dem vierten Schlussrang abschliessen würden.»
McLaren-Honda als WM-Dritter? Dazu müsste der zweitälteste Rennstall der Formel 1 (nach Ferrari) an einem der drei Top-Teams vorbei, also an Mercedes-Benz, Red Bull Racing oder Ferrari.
Jonathan Neale hält das für machbar: «Wir haben alle Ressourcen, um wieder Rennen gewinnen zu können. Das neue Reglement hat uns einen tollen Steilpass gegeben. Jetzt liegt es an uns, daraus ein Tor zu machen.»
Eric Boullier: «Wir werden alle Antworten auf der Rennstrecke erhalten. Wir werden wieder gewinnen. Wann das passiert, das kann ich nicht sagen.»
McLaren-Honda hängt sich mit doppelter Energie rein, und das zeigt sich auch bei der Präsentation: Zeitgleich wurden bei McLaren in Woking und bei einer Honda-Show in Tokio Hüllen von Rennwagen im neuen Design gezogen.
Doppelt genäht hält bekanntlich besser.