Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Lewis Hamilton (Mercedes): «Kein Rosberg – seltsam»

Von Mathias Brunner
​Mercedes-Star Lewis Hamilton wirkt bei der Präsentation in England ausgeruht und kampflustig. Der Engländer sagt, wieso es sich ohne Nico Rosberg seltsam anfühlt und wieso er bald windelweich geprügelt wird.
Lewis, du bist den Silberpfeil schon gefahren. Welches sind deine ersten Eindrücke?

Zunächst mal war es eine tolle Erfahrung, im Werk zu sehen, wie der Rennwagen zusammengebaut wird. Ich habe das die letzten Tage Schritt um Schritt verfolgt. Die ganze Entwicklung ist einfach ein Hammer – vom Windkanalmodell bis zum fertigen Rennwagen. Ich habe noch nie einen so detaillierten Formel-1-Renner erlebt. Ihr werdet im Laufe der Zeit noch einen Haufen mehr davon sehen. Hier in Silverstone war es sehr windig, vor allem in Stowe. Da kam der Wind von vorne, ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Abtrieb der Wagen aufbaut! Das Fahrgefühl ist gar nicht mal so anders. Aber das liegt daran, dass ich meinen Pfeil noch nicht mit voller Wucht abgepfeffert habe. Das hole ich dann in Barcelona nach.

Mit welcher Einstellung gehst du in die neue Saison?

Mit der gleichen wie immer: Ich will gewinnen! Ich will mich zudem als Mensch und Fahrer weiter entwickeln. Wir hätten 2016 fast noch den Titel geholt, wir hatten einen tollen Lauf mit Siegen, diesen Schwung möchte ich in die neue Saison mitnehmen.

Du hast dich recht kritisch über den Sport geäussert. Willst du dazu mehr sagen?

Ich habe vor unserer Konferenz hier Valtteri Bottas beim Fahren zugeschaut. Mir schoss durch den Kopf: Die Autos sind so viel hübscher als vorher! Aber ich weiss nicht, ob der Sport dadurch besser wird. Der Sound macht mir noch immer Sorgen, ich mag ihn einfach nicht. Aber das ist meine Meinung. Andere Leute empfinden das vielleicht ganz anders, und das ist auch okay. Die Formel 1 hat eine fabelhafte Zukunft.

Grundsätzlich glaube ich: Das Überholen wird schwieriger, weil die neuen Rennwagen mehr Luftwirbel erzeugen. Es wird also noch schwieriger sein, dem Vordermann zu folgen. Aber einige behaupten ja auch, die breiteren Reifen erzeugen ein grösseres Loch, also ist alles vielleicht auch ganz anders. Mal sehen.

Kein Fahrer ist auf den sozialen Netzwerken aktiver. Welchen Rat würdest du den Formel-1-Machern da geben?

Ich würde mich nie als Experte bezeichnen. Ich sehe einfach, was in den USA in anderen Sportarten getan wird. Und wenn ich in der Formel 1 ein einfaches Filmchen im Fahrerlager poste, dann bekomme ich schon die Ohren lang gezogen. Dabei sind die sozialen Netzwerke doch eine wunderbare Gelegenheit, mehr mit den Fans zu interagieren. Und diese Chance sollten wir nutzen. Ich hoffe, die neuen Grossaktionäre begünstigen das.

Du hast auch über das Teilen von Daten unter Piloten gesprochen. Das kam ein wenig seltsam rüber.

Was ich meinte: Für die Techniker ist das eine tolle Sache, um den Wagen zu entwickeln. Aber für mich als Einzelkämpfer ist das keine gute Sache, weil dein Stallgefährte alles angucken kann, was die Daten über mich zeigen. Das nimmt mir einen Vorteil. Mir war aber immer klar, dass dies nicht bedeutet, Daten vor dem Stallgefährten geheim zu halten. Schliesslich liegt es ja auch in meinem Interesse, das Team vorwärts zu bringen.

Die Pirelli-Reifen sollen haltbarer werden. Was bedeutet das?

Das habe ich auch gehört, und das wäre wunderbar. Das würde bedeuten, dass wir schneller fahren können. In Monza 2016 wusste ich genau: Ich bin jetzt Vierter oder Fünfter, aber ich habe nur eine gewisse Lebensdauer in diesen Reifen. Ich stiess auf Rang 2 vor, aber dann waren die Walzen am Ende, und ich hatte keine Chance mehr auf den Sieg. Haltbarere Reifen fände ich daher grossartig.

Nico Rosberg ist nicht mehr da. Wie fühlt sich das an?

Merkwürdig! Grundsätzlich habe ich noch nie einen Stallgefährten vermisst, aber ich muss zugeben – es war seltsam, in der Box Nico nicht neben mir zu sehen. Valtteri hat sich schnell ins Team eingelebt, und so schnell werde auch ich mich an ihn gewöhnen. Ich spüre von ihm sehr viel positive Energie.

Nico hat gemeint: Noch so ein Jahr verkrafte er nicht. Was sagt das über dich als Racer aus?

Das ist schwer zu sagen, weil ich mich selber einschätzen müsste. Die Formel 1 ist generell irrsinnig intensiv. Es gibt ja auch zwei Weltmeisterschaften, jene für die Marken und dann den Fahrer-Titel. Ich versuche einfach, konzentriert zu bleiben und aus jedem Rennen das Beste zu machen. Ich kenne nicht alle Gründe, wieso Nico aufgehört hat. Aber wenn er sagt, einer der Gründe war die Intensität des Zweikampfs, dann kann ich das nachvollziehen. Was mir bei Nico gefällt – es ist für jeden Sportler wünschenswert, an der Spitze aufzuhören. Und das hat Rosberg geschafft. Er hat so lange für sein Ziel gekämpft, er hat nun die WM gewonnen, so will er in Erinnerung bleiben. Das ist toll. Ich selber finde einfach, ich habe in der Formel 1 noch sehr viel zu erreichen. Ich fühle mich hungrig und konkurrenzfähig. Daher ist Rücktritt für mich bislang kein Thema.

Wie erfrischend ist es, einen neuen Stallgefährten zu haben?

Frisches Blut ist immer gut. Bottas bringt eine ganz andere Energie ins Team, weil für ihn alles so neu ist. Wir haben uns nun schon ein paar Mal unterhalten. Derzeit spüre ich keine Konkurrenz. Wir gehen wie Gentlemen miteinander um. Wenn es zwischen uns dann auf der Piste knistert, wird sich zeigen, wie sich das entwickelt. Dass beide gewinnen wollen, liegt in unserer Natur.

Denkst du noch an den WM-Verlust 2016?

Nein, das liegt hinter mir. Grundsätzlich glaube ich, dass ich durch die Schwierigkeiten der vergangenen Saison stärker geworden bin. Ich habe neue Erfahrungen gemacht, ich bin ein kompletterer Fahrer. Den Titel konnte ich nicht erringen, das will ich 2017 nachholen! Was ich mir auch wünsche – dass wir für die Fans eine bessere Show zeigen können.

Wie lief das Training?

Ich bin mental bereit. Ob ich körperlich bereit bin, wird sich in Barcelona zeigen. Ich habe mich anders vorbeitet, weil die Autos anstrengender zu fahren sein werden. Ich fing mit dem Training recht spät an, aber das macht mir keine Sorgen. Egal, wie gut du dich vorbereitest: Das Fahren an sich zeigt dir – da gibt es Muskeln, von denen du gar nicht gewusst hattest, dass du sie hast! Ein Auto prügelt dich windelweich, das kannst du mit keinem Training simulieren. Auch deshalb bin ich so auf den Barcelona-Test gespannt. Kurve 3 dort voll zu fahren, darauf freue mich schon jetzt.

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